Lebensdaten
1882 – 1966
Geburtsort
Unna (Westfalen)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Photograph ; Bildhauer
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118812009 | OGND | VIAF: 39532157
Namensvarianten
  • Seidenstücker, Friedrich
  • Seidenstücker, Friedrich
  • Зайденштюккер, Фридрих

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Zitierweise

Seidenstücker, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118812009.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich (1844–1912), Amtsger.rat in Lüdenscheid u. U., GJR, S d. Carl Friedrich Wilhelm (1808–73), aus Lippstadt, Pfarrer in Borgeln b. Soest, u. d. Dorothee Florentine Müller (1818–92);
    M Emma (1851–1938, s. L), T d. Karl v. der Becke (1808–88), Kreisrichter in Soest, u. d. Emma Wulfert (1818–54);
    Schw Caroline (Line) (1878–1910, Paul Hobrecker, 1873–1923, in Dillenburg, E d. Johann Karl Hobrecker, 1811–75, Industr., s. NDB IX); – ledig;
    N Hermann Hobrecker (* 1904), Dipl.Ing., Oberbergrat; Verwandter Heinrich v. der Becke (1913–97), aus Dresden, Sportphotograph (s. W).

  • Biographie

    |S. begann als 13jähriger, mit der Linse einer Laterna Magica und Photoplatten zu experimentieren, und arbeitete danach mit Schüler-Stativ-Apparaten, Balkenkamera und Dunkeltuch. Seit 1901 absolvierte er eine Ingenieursausbildung an der Maschinenbauschule in Hagen, 1904 wechselte er an die TH in Berlin-Charlottenburg und hospitierte zusätzlich in Bildhauerkursen an der benachbarten Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste.

    Bei regelmäßigen Besuchen in dem damals weltberühmten Zoologischen Garten, der nach S.s eigener Aussage der Hauptgrund für seinen Umzug nach Berlin gewesen war, entstand eine Fülle von Photographien. Aufgenommen mit einer 9x9 Spiegelreflexkamera, thematisierten sie einfühlsam das facettenreiche Verhältnis zwischen Mensch und Tier. 1905–07 schrieb S. sich gänzlich für Bildhauerei ein; Studienaufenthalte in Paris, Florenz und Rom sowie eine einjährige Steinbildhauerlehre in München (um 1910) folgten.

    Zurück in Berlin, bezog S. 1911 ein eigenes Atelier am Kaiserplatz (heute Bundesplatz) in Wilmersdorf und erweiterte gleichzeitig durch häufige Besuche der Bronze- und Eisengießerei Noack seine bildhauerischen Kenntnisse. In den folgenden vier Jahren entstanden v. a. weibliche Figuren und Tierbronzen kleinen Formates, oft nach eigenen Photographiestudien aus dem Zoo.

    1914–18 wurde S. als Konstrukteur beim Zeppelinbau Wildpark bei Potsdam verpflichtet; 1919 setzte er sein Studium der Bildhauerei fort und schloß es 1923 ab. Künstlerisch unbefriedigt und finanziell erfolglos in diesem Fach, widmete er sich nun verstärkt der Photographie. Neben einer Vielzahl von Tieraufnahmen entstanden Bilder des großstädtischen Alltags – von Verkäuferinnen, Straßenarbeitern, Passantinnen, Kindern – deren Reiz sowohl in ihrer Spontaneität wie auch in ihrer Intimität liegt. Während Inflation und Weltwirtschaftskrise bot S. seine Bilder mit großem Erfolg dem Ullstein-Verlag an. 1930–39 als freier Bildjournalist engagiert, schuf er Photoserien von Handwerkern und Straßenarbeitern sowie weiterhin Tier- und Alltagsszenen mit seiner 9 x 12 Klappkamera. Diese vom Photojournalismus geprägten Arbeiten erschienen u. a. in der „Berliner Illustrirten Zeitung“, der „Koralle“, im „Querschnitt“, „UHU“ sowie in der „Woche“ des Scherl-Verlags.

    Zwischen 1939 und 1945 zog S. sich immer häufiger aus Berlin zurück und nahm verstärkt Aufträge für Reportagen im Umland, in Brandenburg, Pommern und Ostpreußen an. Um sich dem Bilddiktat der Nationalsozialisten zu entziehen, betrieb er eine eigene kleine Photoagentur, deren Bestände später zur Hälfte bei einem Bombenangriff verloren gingen. Im Nov. 1943, nach der ersten Bombardierung Berlins, entstand eine Reihe von Photographien über den zerstörten Zoo, die von S.s tiefer Bestürzung zeugen. Im Gegensatz dazu stehen die Aufnahmen, die S. nach Kriegsende von der verwüsteten Hauptstadt machte. Wieder ganz nach Berlin zurückgekehrt, photographierte er in den verschütteten Straßen Hunderte von Trümmersituationen. Dabei überrascht die ungewöhnliche Leichtigkeit und Ästhetik dieser Bilder; S.s Verzicht auf jegliches Pathos unterscheidet sie auch von den Ruinenaufnahmen anderer Photographinnen und Photographen.

    In den 50er Jahren dokumentierte S. den Wiederaufbau der Stadt, bis er aus gesundheitlichen Gründen seine Mobilität aufgeben mußte. Von da an arbeitete er fast ausschließlich in seinem Wohnatelier v. a. an weiblichen Aktbildern in Farbe.

    S. gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Momentphotographie. Seine Bilder zeugen von einer äußerst präzisen Beobachtungsgabe gepaart mit einem feinen Gespür für den besonderen Moment. Darüber hinaus ist S. ein bedeutender Chronist seiner Zeit und der Metropole Berlin.

  • Auszeichnungen

    o. Mitgl. d. Dt. Ges. f. Photographie (1965).

  • Werke

    u. a. Nachlaß: Bildarchiv Preuß. Kulturbes., Berlin: Fotoreportagen: Archiv Ullstein-Bilderdienst, Berlin: Fotogrr. zu Alltag, Tieren, Landschaften sowie Reportagen: Fotogr. Slg. Berlin: Briefe, Art: Künstlerarchive d. Berlin. Gal., Berlin: Zoo- u. Tieraufnahmen: Fotogr. Slg. Stiftung Stadtmus. Berlin: Fotogrr. zu Alltag, Tieren, Sport, Akten sowie Bildhauerskizzen: Slg. Ann u. Jürgen Wilde im Sprengel Mus., Hannover;
    zu Heinrich v. der Becke: Nachlaß:
    Bildarchiv seit 1997 im Sportmus. Berlin.

  • Literatur

    A. u. J. Wilde (Hg.), Von Weimar bis zum Ende, Photogrr. aus bewegter Zeit, 1980 (P);
    G. u. H. Nothelfer, F. S., Photogrr. 1980;
    W. Kourist, Das Berliner Zoo-Album, 1984;
    ders., F. S., Von Menschen u. v. Tieren, 1986 (P);
    Bildarchiv Preuß. Kulturbes. (Hg.), Der faszinierende Augenblick, Photogrr. v. F. S., 1987 (P);
    F. S., Der humorvolle Blick, Fotogrr. 1923–1957, Ausst.kat. Sprengel-Mus. Hannover 1997;
    A. Schunke, F. S., Zw. Ruinen u. Vergangenheit, Berliner Fotogrr. 1945–50, Ausst.kat. Goethe Inst. Nancy 2007 (P);
    H.-M. Koetzle, Das Lex. d. Fotografen, 2002 (Verz. d. Ausst.);
    zu Emma:
    G. Kriependorf, Aus d. Lebenserinnerungen d. E. S. geb. v. der Becke (1851–1938), in: Der Schlüssel [Hemer] 49, 2004, S. 6–18 (P).

  • Autor/in

    Antje Schunke
  • Zitierweise

    Schunke, Antje, "Seidenstücker, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 178-179 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118812009.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA