Lebensdaten
1894 – 1968
Geburtsort
Dresden
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Altphilologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118777394 | OGND | VIAF: 59880091
Namensvarianten
  • Klingner, Friedrich
  • Klingner, Fridericus
  • Klingner, Fridericvs
  • mehr

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Zitierweise

Klingner, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118777394.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Albrecht (1865–1939), Lehrer, S d. Schuhmachermeisters Wilhelm Eduard in Roßwein u. d. Joh. Christiane Altner;
    M Martha (1865–1941), T d. Lehrers Ernst Pönitz u. d. Laura Elisabeth Kretzschmar;
    Berlin 1926 Hedwig (* 1887), T d. Joh. Martin Angerer (1853–99), Architekt u. Baumeister, u. d. Hedwig Emilie Emma Ulfig; kinderlos.

  • Biographie

    K. begann 1914 sein Studium in Tübingen, mußte es aber wegen des Kriegsausbruchs nach 1 Semester abbrechen. Später nahm er es in Berlin wieder auf. Dort wurde vor allem Paul Friedländer sein Lehrer. 1920 ging er mit Friedländer nach Marburg und promovierte dort bei ihm mit einer Dissertation über die „Consolatio philosophiae“ des Boethius (1921, Neudruck 1966). Diese Arbeit zeigt ihn in der Klärung der Quellenfragen nicht nur als hervorragenden Kenner der antiken Philosophie, sondern in der Darstellung der gestuften Ordnung und der Einheit dieses Kunstwerkes als künstlerischen Interpreten, der diese Qualität noch dazu im lateinischen Stil und im Aufbau seines Buches zu verwirklichen wußte. Sein Weg führte ihn dann nach Berlin zurück, wo er 1923 eine Assistenten- und Bibliothekarstelle antrat. Dort schloß er im Kreis um Werner Jaeger Freundschaft mit Otto Regenbogen. Sein erster Ruf auf das Ordinariat in Hamburg (1925) wurde bald überboten durch einen Ruf als Nachfolger Heinzes in Leipzig (1930). Dort hat K. bis nach Kriegsende gewirkt.|Erst 1947 erfüllte sich sein Lebenswunsch, in der Kunststadt München lehren zu können, der er bis zu seinem Lebensende treu blieb (Rektor 1956/57).

    K.s Lebenswerk liegt überschaubar gesammelt vor in den Bänden „Römische Geisteswelt“ (1943, ⁵1965), „Studien zur griechischen und römischen Literatur“ (1964, Werkverzeichnis, Porträt), „Virgil“ (1967) und der Ausgabe des Horaz (1939, ³1959), die jetzt als maßgebend gilt. Er ging von der Spätantike aus. Die nicht gedruckte Habilitationsarbeit über Prudentius schlug sich nieder in Rezensionen über diese Thematik, in dem berühmten Aufsatz „Rom als Idee“ und der Gesamtsicht „Vom Geistesleben im Rom des ausgehenden Altertums“ (1941). Vor allem die Leipziger Zeit war erfüllt von Entdeckerfreude. Jede von K.s Arbeiten stellt sich ein zentrales Problem und löst es aus dem Zusammenhang vom Stil und von der Form her. Die Großen stehen im Mittelpunkt. 1928 hatte K. in der Rekonstruktion des Historienproömiums Sallusts Leistung als Überwindung des Geschichtsbildes des Poseidonios verstanden und mit Drexler die Tendenzhypothese überwunden. Im Vergiljahr 1930 setzten nach bedeutsamen Vorbemerkungen die Vergilstudien ein: K. erkannte in einer Gesamtschau die Einheit von Vergils Lebenswerk, verstand gegen Zerkrümelungsversuche die künstlerische Form der ersten Ekloge und die Idee eines rettenden Gottmenschen, die verwandelnd in die Bukolik eintritt, und zeigte an der noch nicht verstandenen Komposition des 2. Buches der Georgica die Polyphonie der klassischen römischen Dichtung. Die Datierung des Dialogus führte (1932) zu einem Gesamtbild des Tacitus, als dessen Mitte die Bewertung und Darstellung römischer „virtus“ und die Sorge um sie erkannt wurde. Diese Arbeiten wurden dann in Studien über Otho, den Anfang der Annalen, den Stil des Tacitus fortgesetzt. Das neue Tacitusbild ist jetzt in die Realenzyklopädie eingegangen. Die Auseinandersetzung mit Horaz begann mit der Interpretation stiller Gedichte (im Horazjahr 1935), führte zur Erkenntnis des sermo-Charakters der ars poetica und der Struktur des Briefes an Augustus und fand ihre Krönung in der Horazausgabe, bei der K. durch mühsame philologische Kleinarbeit erkannte, daß es sich bei den 3 Klassen der Horazhandschriften nur um zwei antike Überlieferungsströme, bei der dritten um eine späte – mittelalterliche – vergleichende Ausgabe handelte. Das neue Horazbild wurde sogleich so einhellig akzeptiert, daß K. als der Horatianer angesehen wurde. Seine Liebe galt aber Vergil, und als Vergilianer zu gelten, wäre ihm lieber gewesen. Das abschließende Vergilbuch, in dem er in ständigem Vergleich mit der antiken Dichtung nicht so sehr Vergils Ideen, sondern das künstlerische Gebilde in der Hoheit und Schönheit seiner Ordnung und der Gläubigkeit eines reinen Weltverständnisses einfach ausspricht, wird ihn künftig mehr in diesem Lichte erscheinen lassen. Arbeiten über die römischen Dichter, nach dem Kriege mit einer Betrachtung über Dichter und Dichtkunst in Rom eingeleitet, – alle sind Ersterschließungen: die Komposition und das Wesen von Catulls Epyllion, das Verständnis der Elegie Tibulls an Messalla, die Interpretation der Römeroden des Horaz –, hatten das Buch weiter vorbereitet.

    Auch das Griechische ist zu seinem Recht gekommen. Vom Stilistischen her hat K. die Dolonie als einzigen Einschub in das Werk des Iliasdichters erkannt, die Telemachie als besonderen Teil der Odyssee, als den größten Nostos (Heimkehr) verstanden und die künstlerische Feinheit des Eingangs der Odyssee aufgezeigt. Pindar ist ihm in der besonderen Fügung seines Stils stets gegenwärtig gewesen, wie die Erschließung der ersten pythischen Ode zeigt, ebenso Kallimachos und der Hellenismus, durch die Freundschaft mit Rudolph Pfeiffer gefördert.

    Vielleicht ist es bezeichnend, daß K. zwar für den Alten Cato so viel Verständnis aufbrachte, daß er darüber – es war die Krise der römischen Kultur – Neues zu schreiben wußte, daß ihn aber die Form der humanitas Ciceros, obwohl er mit einem wesentlichen Aufsatz über humanitas bis zu Herder hin Bahnbrechendes sagen konnte (1946), und vor allem die vom Politischen geleitete unerschöpfliche Aufnahmebereitschaft, die nicht die rein künstlerische Vollkommenheit anstrebte, wie sie K. am Herzen lag, nicht so sehr hat fesseln können. Die Erkenntnis des Fragmentarischen des menschlichen Lebens widerstrebt einem, der das Vollkommene so sehr sucht, daß er höchstes Leben als Kunstgenuß versteht. Sein Essay gehört dennoch zu dem Eindringendsten, was über Cicero geschrieben worden ist.

    Die zwei Sammelbände unterscheiden sich nicht im Stil. Von der sprachlichen Darstellung her gehören sie zur besten deutschen Prosa. K.s Schüler wissen, mit welcher methodischen Klarheit in seinen Seminaren um letzte Durchsichtigkeit des Textes und der Argumente gerungen wurde, ehe die Synthese erreicht wurde, der man die schwere Arbeit nicht anmerkt. Freilich war es K.s Sache nicht, große Materialmassen zu bewältigen, auch nicht, sich bei Umstrittenem|an Diskussionen zu beteiligen. Seiner sicher, stellte er hin, was ihm richtig schien. Wenn er außerhalb der Debatten und auf vielen Gebieten außerhalb der zeitgenössischen Problematik blieb und obwohl er so kaum in die Lösung der zahlreichen offenen Probleme der Textkritik eingegriffen hat, so wird doch jeder, der sich mit römischer Eigenart, römischen Dichtern, römischen Historikern und römischen Rednern beschäftigt, auf die bahnbrechenden Erkenntnisse K.s angewiesen sein und die eigene Interpretation, gerade auch wenn sie das römische Wort stärker der römischen Vorstellung verknüpft, stets an der des großen Philologen und Humanisten zu messen haben.|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Leipzig, Berlin, München, Wien u. Stockholm; Bayerischer Verdienstorden (1965).

  • Literatur

    C. Becker, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1968 (P);
    W. Peck, in: Jb. d. Sächs. Ak. d. Wiss. (1966–68), 1970 (P);
    E. Zinn, in: F. Klingner, Stud. z. griech. u. röm. Lit., 1971, S. 727-35 (W-Verz. S. 739-45, P).

  • Autor/in

    Karl Büchner
  • Zitierweise

    Büchner, Karl, "Klingner, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 96-98 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118777394.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA