Lebensdaten
1908 – 1984
Geburtsort
Ostrowo (Ostrów, Posen, Wielkopolski, Polen)
Sterbeort
Bern
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Übersetzer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118754076 | OGND | VIAF: 111522015
Namensvarianten
  • Schaper, Ernst-Edzard Hellmuth
  • Schaper, Edzard
  • Schaper, Ernst-Edzard Hellmuth
  • mehr

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Zitierweise

Schaper, Edzard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118754076.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N., Lazarettinsp. in Niedersachsen, später in O., dann in Glogau, nach d. Entlassung seit 1920 in Hannover;
    M N. N., aus Ostfriesland; mind. 10 Geschw;
    - 1932 Alice Pergelbaum (1905–91), Dt.baltin;
    2 T.

  • Biographie

    S. besuchte zunächst in Glogau/Elbe, seit 1920 in Hannover das Humboldt-Gymnasium sowie das Musikkonservatorium. 1925 ging er nach Herford, dann als Regieassistent und Schauspieler nach Stuttgart. Nach der Veröffentlichung seiner ersten Romane (Der letzte Gast, 1927; Die Bekenntnisse d. Försters Patrik Doyle, 1928) erhielt er den Förderpreis der Schillerstiftung und ließ sich 1928 auf der dän. Ostseeinsel Christiansø nieder. 1930 folgte er von Berlin aus seiner späteren Frau in deren Heimat nach Tallinn (Reval), wo er als freier Schriftsteller in jenem Gartenhaus arbeitete, in dem sein Vorbild Paul Fleming (1609–40) gelebt hatte; den Sommer verbrachte er meist in Haapsalu (Hapsal) und Paldiski (Baltischport). In Tallinn entstanden die viel beachtete Erzählung „Die Insel Tütarsaar“ (1934, ²1952) und mit dem Roman „Die sterbende Kirche“ (1935, ⁵1968) ein Hauptwerk S.s. In dieser später als glücklichste Zeit bezeichneten Phase pflegte S. Kontakte zu den estn. Autoren Gustav Suits (1883–1956) und Friedebert Tuglas (1886–1971) sowie zum Direktor des Stadtarchivs, Paul Johansen (1901–65). 1938 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, lehnte er eine Beteiligung an der Umsiedlung der Dt.balten 1939 ab, war 1940 als einer der letzten westlichen Augenzeugen der Annexion der balt. Staaten durch die Sowjetunion Korrespondent für die „United Press“ und konnte im letzten Augenblick nach Finnland entkommen (finn. Staatsbürger 1944). 1944 floh S. nach Schweden, wo er u. a. bei der Kriegsgefangenenhilfe von Birger Forell (1893–1958) tätig wurde und als Übersetzer arbeitete. Im Sommer 1947 übersiedelte er in die Schweiz und widmete sich mit Hilfe von Max Wehrli (1909–98) und Carl Helbling (1897–1966) wieder der schriftstellerischen Arbeit. 1950 fand er im Kt. Wallis eine zweite Wahlheimat. Seit 1977 lebte er zurückgezogen in Bern. 1951 zum kath. Glauben konvertiert, verstand er sich später im ökumenischen Sinn als der „letzte orthodoxe Lutheraner“. In zahlreichen Reden, Aufrufen und Essays versuchte er seit 1949, das Schicksal der balt. Länder als Teil Europas im öffentlichen Bewußtsein wachzuhalten.

    Als eigentliche Heimat betrachtete S. den europ. Nordosten, jene „Durchdringungszone“ mit ihren „Grenzerfahrungen“, die viele seiner Figuren durchleben. Auch an anderen Schauplätzen werden S.s Gestalten – oft Priester und Offizier als Vertreter gegensätzlicher Haltungen – radikal mit der Frage nach Sinn und Wesen menschlicher Existenz konfrontiert. Dabei bilden Grenze, Flucht und Gefangenschaft in konkreter wie in religiöser Bedeutung ähnlich wie bei Stefan Andres die Hauptthemen, vertieft durch die Begegnung mit der russ.-orthodoxen Kirche.

    Die Rezeption des in renommierten Verlagen verlegten Gesamtwerks erfuhr Ende der 1960er fahre eine Unterbrechung durch S.s Rückzug aus dem literarischen Leben, wurde aber 15 Jahre nach seinem Tod neu belebt, v. a. aufgrund mehrerer Forschungsinitiativen aus Estland und der Schweiz. Dabei wird als S.s umgreifendes Thema der Begriff der|„Schuld“ in konfessionell-historischer Sinngebung herausgestellt. Darüber hinaus eröffnen sich in einer „Säkularisierung“ früherer Interpretationsansätze, die S. ausschließlich als „christlichen“ Autor betrachteten, neue Dimensionen wie das „Sprechen vom Unaussprechbaren“ in seinen häufigen Motiven der Zelle als existentiellem Lebensraum, der Gefangenschaft als Ort wahrer Freiheit, der Arche, die in ihrem Schiffbruch erst eigentliche Arche wird, und im Motiv der Grenze als Grenzerfahrung des Einzelnen. S. erscheint damit als existentialistischer Denker in einer durch Technik entfremdeten Welt und als einer der großen verkannten Modernen der dt. Literatur.|

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Fribourg 1961);
    Fontane-Preis d. Stadt Berlin (1953);
    Ostdt. Schr.-tumspreis d. Künstlergilde Esslingen (1958);
    Ostdt. Schr.tumspreis (1962);
    Charles-Veillon-Preis (1962);
    Goldene Medaille d. Humboldt-Ges. (1967);
    Gottfried-Keller-Preis (1967);
    Goldenes Ehrenzeichen d. Estn. Nat.fonds (Stockholm 1968);
    Konrad-Adenauer-Preis d. Dtld.stiftung (1969);
    Ehrenbürger d. Stadt Brig (1961);
    Gr. BVK (1978);
    Simon-Dach-Medaille d. Albertinum (Göttingen 1978);
    Mitgl. d. Schweizer. PEN-Zentrums u. d. Dt. Ak. f. Sprache u. Dichtung;
    Edzard Schaper-Stiftung, Brig (1994).

  • Werke

    Weitere W Die Arche, d. Schiffbruch erlitt, 1935, ²1952;
    Das Leben Jesu neu erzählt, 1936, Neuausg. 1955, ²1957;
    Der Henker, 1940, Neuaufl. 1978;
    u. d. T. „Sie mähten d. Saaten“, 1956;
    Der letzte Advent, 1949, ²1968;
    Die Freiheit d. Gefangenen, 1950, ⁴1954;
    Untergang u. Verwandlung, Betrachtungen u. Reden, 1952 (W);
    Der Gouverneur, 1954, Neuausg. 1957;
    Bürger in Zeit u. Ewigkeit, 1956 (auto-biogr. Skizze);
    Paul Fleming, Kein Landsmann sang mir gleich, 1959;
    Der vierte Kg., 1961;
    Die Gesch. e. Bären, d. Oskar hieß, 1962;
    Sperlingsschlacht, 1972;
    Degenhall, 1975;
    Die Reise unter d. Abendstern, 1976;
    Geschichten aus vielen Leben, Sämtl. Erzz., 1977;
    Die Freiheit des Gefangenen, Die Macht der Ohnmächtigen (1950/51), 1983;
    Am Abend d. Zeit, 1983;
    Grenzlinien, Ein Lesebuch, hg. v. M. Wörther, 1987;
    Überss.
    aus dem Finn., Schwed., Norweg., Dän. |

  • Nachlass

    Nachlaß: E. S.-Stiftung Brig; DLA Marbach; Lit.mus. Tartu.

  • Literatur

    M. Wehrli, in: Schweizer Mhh., 1950, S. 83-97;
    ders., Dank an E. S., 1968 (W, P);
    W. Büllesbach, Die Gestaltung d. Priesters in d. Erzählkunst E. S.s, Diss. Bonn 1955;
    E. Heimgartner, Die Erzz. E. S.s, Diss. Zürich 1958;
    H. Pongs, Das Werk E. S.s im Zus.blick v. Ost u. West, in: Das Menschenbild d. Gegenwart, hg. v. W. G. Haverbeck, 1964, S. 159-68;
    H. Kucera, Das Problem v. Macht u. Freiheit b. E. S., Diss. Innsbruck 1964;
    L. P. Dunn, Das Bild des Menschen b. E. S., Diss. New Orleans 1966;
    H. Uhlig, in: Christl. Dichter im 20. Jh., hg. v. O. Mann, ²1968, S. 421-31;
    L. Besch, Gespräche mit E. S., 1968 (W);
    J. E. Jepson, E. S.s image of man and soc. in the „Ges. Erzz.“, in: German life & letters 23, 1969/70, S. 323-31;
    I. Sonderegger-Kummer, Transparenz d. Wirklichkeit, E. S. u. d. innere Spannung in d. christl. Lit. d. 20. Jh., 1971;
    W. Ross, Der verschollene Kontinent, Ein Versuch über christl. Lit., in: E. S., Grenzlinien, hg. v. M. Wörther, 1987, S. 9-43;
    Wort u. Dichtung als Zufluchtsstätte in schwerer Zeit, hg. v. F.-L. Kroll, 1996;
    K. Lepa, E. S., 1998;
    Auch wir sind Europa!/Ka Meie oleme Euroopa!, hg. v. C. Sommerhage u. L. Lukas, 1998 (P);
    Triangulum 5: Sondern. E. S., 1998;
    W. Banach (Hg.), Ostrów E. S.s. Ausst.kat., Mai-Juni 1998, Stadtmus. Ostrów Wielkopolski (dt. u. poln. Ausg.);
    Baltica-Spezial: E. S. u. Estland, H. 4, 1998/99;
    Annäherungen, E. S. wiederentdeckt?, hg. v. I. Baumer, 2000 (P);
    A. v. Ungern-Sternberg, „Erzählregionen“, Überlegungen zu lit. Räumen, 2003;
    KLL;
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    LThK³;
    RGG³;
    BBKL (W, L);
    Schweizer Lex. (P);
    Kürschner, Lit.-Kal., Nekr. 1971–98, 1999;
    Munzinger;
    Lit. in Nazi-Dtld. (P).

  • Autor/in

    Michael Garleff
  • Zitierweise

    Garleff, Michael, "Schaper, Edzard" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 561-562 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118754076.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA