Lebensdaten
1820 – 1902
Geburtsort
London
Sterbeort
Hannover
Beruf/Funktion
Diplomat
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118735063 | OGND | VIAF: 27866490
Namensvarianten
  • Münster-Derneburg, Georg Fürst
  • Münster von Derneburg, Georg Herbert Fürst
  • Münster-Ledenburg, Georg Herbert Graf zu
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Münster von Derneburg, Georg Fürst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118735063.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ernst (s. 1);
    M Wilhelmine Prn. zu Schaumburg Lippe;
    Vt Georg (s. 3);
    1) Weimar 1847 ( 1864) Alexandrine (1823–84), Wwe d. Dimitri Nikolajewitsch Fürst Dolgoroukow ( 1846), russ. Kollegienassessor, T d. Michail Michailowitsch Fürst Galitzin (1793–1856), russ. Gen.major, u. d. Maria Arkadiewna Fürstin Suworow-Italijsky (1802–70), 2) Dysart House (Schottland) 1865 Lady Harriet Elizabeth (1831–67), T d. James Alexander St. Clair Erskine, Earl of Rosslyn (1762–1837), großbrit. Privy Councillor, Gen. u. Unterstaatssekr., u. d. Frances Wemyss;
    3 S, 4 T aus 1), u. a. Alexander (1858–1922), Dr. iur. et cam., hann. Erblandmarschall, erbl. Mitgl. d. preuß. Herrenhauses (s. DBJ IV, Tl.).

  • Biographie

    Nach seinen Kinder- und Jugendjahren in London, Derneburg und Hannover studierte M. in Bonn, Göttingen und Heidelberg Jura.|Achtzehnjährig übernahm er von seinem Vater neben dem Amt des Erblandmarschalls der hann. Stände einen großen Landbesitz, der zeitlebens seine wirtschaftliche Unabhängigkeit sicherte. Ebenso konservativ wie sein Vater, lehnte M. Reformen im Kgr. Hannover ab. In den Revolutionsjahren 1848/49, die er als Katastrophe ansah, widersprach er der Aufhebung der Privilegien des Adels und stimmte gegen die Berechtigung der Nationalversammlung, für Hannover gültige Gesetze zu erlassen. Als 1857 die hann. Vertretung in St. Petersburg nach langer Zeit wieder von einem Gesandten geleitet werden sollte, erhielt M. diesen Posten, den er bis 1865 innehatte. Obwohl er immer nur kurzfristig anwesend war, verstand er es, sich neben dem preuß. Gesandten Otto v. Bismarck Ansehen zu verschaffen. Im Gegensatz zu diesem, aber ohne Erfolg, trat M. 1859 für die Unterstützung Österreichs im ital. Krieg ein. Den gewünschten Gesandtschaftsposten in London erhielt M. nicht, da er gegen die hann. Politik im Deutschen Bund gegenüber Preußen opponierte. Seine Befürchtungen bewahrheiteten sich 1866. In realistischer Betrachtung der Verhältnisse und trotz aller Vorwürfe des bisherigen Königs und des welf. Adels sprach sich M. in Wort und Schrift für die Integration Hannovers in Preußen aus. Er publizierte auch seine Vorstellungen über eine grundlegende Umformung der deutschen Länder zu einem preuß. geführten Einheitsstaat mit verantwortlichen Bundesministerien. Hier ging M. von regionalen Selbstverwaltungen aus, die den bisherigen Landesherren Teile ihrer Kompetenzen beließen. Zugleich setzte sich M., der bis 1895 Landmarschall des hann. Provinziallandtages war, für die hann. Interessen in Preußen und seit 1871 im Deutschen Reich ein. Damals entstand eine lebenslange Freundschaft mit Rudolf v. Bennigsen. Dem Norddeutschen Reichstag gehörte M. in der freikonservativen Fraktion seit 1867 an und dem Deutschen Reichstag bis 1873. Anschließend war er bis 1885 deutscher Botschafter in London.

    M., der diesen Posten sehr schätzte, weil er dem engl. Lebensstil zuneigte, war bei der Regierung und in den Kreisen der adeligen Gesellschaft Englands dank seines verbindlichen Wesens beliebt. Vor allem nach der Krieg-in-Sicht-Krise 1875, als sich das deutsch-engl. Verhältnis zu verschlechtern begann, bewies M. eine weitgehende Eigenständigkeit des Urteils gegenüber dem von ihm gering geachteten Berliner Auswärtigen Amt wie auch gegenüber dem Reichskanzler, so daß er den Ruf der Unbotmäßigkeit erlangte. Hinzu kam, daß M. unter Umgehung des Auswärtigen Amtes direkt Berichte an Wilhelm I. sandte. Wie während des Jahres 1875 bemühte sich M. auch in der Zeit des Berliner Kongresses, in Deutschland Verständnis für die Haltung der brit. Regierung zu erreichen; zugleich erkannte er die Gefahren, die aus den Kongreßergebnissen für das deutschruss. Verhältnis erwuchsen. Zur Zuspitzung der Spannungen zwischen Bismarck und M. kam es 1884/85. M. hatte bisher die Notwendigkeit deutscher Kolonien bestritten, zumal das Deutsche Reich nicht über die erforderliche Marine und Schiffahrtslinien verfüge. Dennoch bemühte er sich, auftragsgemäß der Regierung in London die deutschen Ansprüche in Afrika und in der Südsee auseinanderzusetzen. Doch tat er dies nach Meinung Bismarcks nicht mit genügendem Einsatz, was diesen zu heftigen Vorwürfen und dazu veranlaßte, u. a. seinen Sohn Herbert, der zuvor unter M. in der Londoner Botschaft tätig gewesen war, auf Sondermissionen nach England zu schicken. Obwohl Bismarck M. den Auftrag erteilte, wegen der engl. Haltung gegenüber deutschen Kolonialvorstellungen auf der Ägyptenkonferenz 1884 den franz. Standpunkt zu vertreten, enthielt sich M. bei der Vertagung der Stimme. Dies und der Kabinettswechsel in London 1885 von Gladstone zu Salisbury führte gegen M.s Protest zu dessen Versetzung auf den Botschafterposten in Paris, der nach zeitgenössischer Anschauung weniger wichtig als der Londoner war. Bismarcks Entlassung 1890 wurde von M. aufgrund der tiefgehenden sachlichen und persönlichen Kontroversen begrüßt.

    M. betrachtete zwar die franz. Republik als Staat und Staatsform mit großer Skepsis, doch hielt er Rußland für weitaus bedrohlicher und warnte wiederholt vor zu engen deutschen Bindungen. Wie in London bemühte er sich auch in Paris nachdrücklich um einen Interessenausgleich, was ihm die Kritik Wilhelms II., der ihn sonst schätzte, einbrachte. Vor allem war M. betroffen, als er feststellte, daß der Militärattaché Max v. Schwartzkoppen ihn hintergangen und gezielt über seine Tätigkeit in der Dreyfus-Affäre (1894) falsch informiert hatte. Daraufhin unterbreitete M. – mit Erfolg für die Pariser Botschaft – den Vorschlag, den auswärtigen Vertretungen generell keine Militärattachés zuzuordnen, da ihr geheimdienstliches Wirken die diplomatische Arbeit schädige. Höhepunkt der diplomatischen Tätigkeit M.s stellte seine Leitung der deutschen Delegation während der ersten Haager Friedenskonferenz 1899 dar. Trotz seines Bemühens, mit allen Delegationen sachliche Beziehungen zu pflegen, erblickte er in dieser Konferenz nur eine Komödie, da kein Staat zur Abrüstung bereit schien. Außerdem sah sich M. in seiner Ablehnung Rußlands bestätigt, da er den Eindruck gewann, die russ. Konferenztaktik sei darauf ausgerichtet, Deutschland die Schuld für ein Scheitern zuzuschieben. Zwar wurde M. nach Konferenzende in den Fürstenstand erhoben, aber zugleich drängten Bülow und Holstein auf seine Entlassung, die kurz vor dem 80. Geburtstag ausgesprochen wurde.

  • Werke

    Hannovers Schicksal v. Juni bis September 1866, 1866;
    Pol. Skizze üb. d. Lage Europas v. Wiener Kongreß bis z. Gegenwart, 1867;
    Mein Anteil an d. Ereignissen 1866, 1868;
    Der Norddt. Bund u. dessen Übergang zu e. dt. Reich, 1868;
    Dtld.s Zukunft – d. Dt. Reich, 1870.

  • Literatur

    Ch. Fürst Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten, 1907;
    ders., Denkwürdigkeiten d. Reichskanzlerzeit, 1931;
    H. v. Oncken, Rudolf v. Bennigsen, 1910;
    A. Gf. v. Waldersee, Denkwürdigkeiten, 1923;
    B. Gf. v. Hutten-Czapski, 60 Jahre Pol. u. Ges. I, 1936;
    U. Koch, Botschafter Gf. M., Stud. zu seiner Lebensgesch., 1937;
    Die geh. Papiere Friedrich v. Holsteins, III/IV, 1961/63;
    E. Czempiel, Das dt. Dreyfus-Geheimnis, 1966;
    H. v. Nostiz, Bismarcks unbotmäßiger Botschafter, 1968 (P);
    W. Sühlo, G. H. Gf. zu M., Erblandmarschall im Kgr. Hannover, Ein biogr. Btr. z. Frage d. pol. Bedeutung d. dt. Uradels für d. Entwicklung v. Feudalismus z. industriellen Nationalstaat, 1968 (P);
    P. Gf. v. Hatzfeld, Nachgelassene Papiere, 1976;
    Ph. Fürst Eulenburg, Pol. Korr., 1976-1983;
    J. Dülffer, Regeln gegen d. Krieg?, Die Haager Friedenskonferenzen v. 1899 bis 1907 in d. internat. Pol., 1981;
    R. Lahme, Dt. Außenpol. 1890-1894, Von d. Gleichgewichtspol. Bismarcks z. Allianzstrategie Caprivis, 1990;
    BJ VII, Tl. u. BJ 15, S. 277-86.

  • Autor/in

    Martin Vogt
  • Zitierweise

    Vogt, Martin, "Münster von Derneburg, Georg Fürst" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 535-537 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118735063.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA