Lebensdaten
1858 – 1924
Geburtsort
Wegeleben bei Halberstadt (Harz)
Sterbeort
Bethel bei Bielefeld
Beruf/Funktion
Erfinder der Heißdampfmaschine
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118608932 | OGND | VIAF: 8180341
Namensvarianten
  • Schmidt, Wilhelm

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Zitierweise

Schmidt, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118608932.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm Christoph (1831–98), Botengänger zw. W. u. H., Getreidehändler, S e. Schuhmachers u. Botengängers zw. W. u. H.;
    M Johann Friederike Meyer (1836–1910), aus Badehorn b. Ballenstedt, T e. Bauern;
    Ur-Gvv N. N., Zimmermeister in W.;
    Braunschweig 1885 Martha (* 1863), T d. Franz Wehse, Kaminkehrer in Loburg, u. d. Karoline Sacharonitz;
    3 S Wilhelm Hermann (* 1886), in Braunschweig, Martin (1892–1964, Emma Sophie, T d. Georg Michaelis, 1857–1936, Reichskanzler, s. NDB 17), in Kassel, Ing., Landwirt, Vors. d. AR d. Schmidt’schen Heißdampf-Ges., Paul Johannes (* 1896), in Ballenstedt, 1 T Johanna Martha Katharina (* 1899), in Kassel.

  • Biographie

    S. besuchte eine Dorfschule und machte anschließend eine Lehre als Schlosser. 1875 ging er auf Wanderschaft, u. a. nach Berlin, Dresden, Halle, Hamburg, Leipzig und München, und eignete sich dabei autodidaktisch allgemeines und technisches Wissen an. Nach etwa drei Jahren trat er als Geselle in einen Betrieb in Dresden ein und lernte bei der Erledigung eines Auftrags den an der Kunstakademie lehrenden Adolph Erhardt kennen, der S.s Begabung erkannte und ihn dem Rektor der TH Dresden, Gustav Anton Zeuner (1828–1907), und dem Maschinenbauer Leonidas Lewicki (1840–1907) empfahl. 1878-80 leistete S. Militärdienst, meldete aber schon während seiner Dienstzeit seine erste Erfindung zum Patent an, eine rotierende Dampfmaschine (Neuerungen an rotierenden Maschinen, DRP 10360, 1880). Die originelle Konstruktionsidee erregte in Fachkreisen Interesse: An der TH Dresden wurde ein Modell angefertigt und getestet. Nach kurzer Tätigkeit als Volontär in der „Maschinen- und Lokomotivfabrik vorm. R. Hartmann“ in Chemnitz, wechselte S. in das technische Büro der „Maschinenfabrik M. Erhardt“ in Wolfenbüttel, deren Besitzer der Sohn Adolph Erhardts war. 1883 machte er sich mit einem eigenen Ingenieurbüro selbständig.

    1885 baute S. eine von ihm selbst konstruierte Heißdampf-Verbundmaschine, die statt mit 12 mit 60 atü arbeitete, die sog. Strahlmaschine. Er verkaufte eine Herstellungslizenz an die Fa. „Blohm u. Voss“, die eine 1000 PS-Maschine in den Dampfer „Elida“ einbaute. Da es sich jedoch erwies, daß das Konzept technisch noch nicht zuverlässig umgesetzt werden konnte, befaßte S. sich zunächst mit dem Bau kleiner „Dampfmotoren“, kehrte aber wieder zu der Heißdampftechnologie zurück und entwickelte 1892 eine neue, einfach wirkende Maschine, die für eine Dampftemperatur von 350° C ausgelegt war. 1894 folgte die erste Heißdampf-Tandemmaschine (heute im Dt. Mus. München) mit einer Leistung von 60 PS. Aus thermodynamischen Gründen waren die Heißdampfmaschinen von S. wesentlich wirtschaftlicher zu betreiben als die mit deutlich niedrigeren Temperaturen und Drücken arbeitenden Naßdampfmaschinen. Von Moritz Schröter (1851–1925) durchgeführte Messungen ergaben einen Dampfverbrauch von 4,55 kg/PSh, entsprechend einem Kohleverbrauch von 0,7 kg/PSh. Die Produktion der Maschinen übernahm die Fa. „Beck u. Henkel“ in Kassel.

    1895 gründete S. zusammen mit dem Ingenieur Carl Jacobi und dem Kaufmann Hermann Opitz eine Kommanditgesellschaft in Aschersleben (seit 1898 in die „Ascherslebener Maschinenbau-AG, vorm. W. Schmidt u. Co.“ umgewandelt). Allerdings schied S. bereits nach einem Jahr wegen Unstimmigkeiten aus und gliederte den Dampfkessel- und Überhitzerbau in die neue Fa. „Osterkamp u. Co. GmbH Dampfkessel- u. Überhitzerfabrik Aschersleben“ ein. Auf Anregung Carl v. Lindes (1842–1934) begann S., sich mit der Konstruktion von Heißdampfmaschinen für den nichtstationären Betrieb zu befassen. Am 12.4.1898 konnte die erste Heißdampflokomotive der Welt (gebaut v. d. Fa. Vulcan in Stettin) an die preuß. Eisenbahndirektion übergeben werden. Maßgeblich beteiligt an diesem Erfolg war der Vorsitzende des Preuß. Lokomotivausschusses, Robert Garbe (1847–1932), der die Fähigkeiten S.s und die Nutzungsmöglichkeiten der Heißdampflokomotive frühzeitig erkannte. Aufgrund erheblicher Widerstände seitens der Fachwelt, die S. als Außenseiter ablehnte, blieb die Resonanz der inländischen Investoren zunächst gering; anders in Großbritannien: Hier wurden mehrere Beteiligungsgesellschaften gegründet, die 1904 zur „Schmidt's Superheating Co. Ltd.“ zusammengefaßt wurden. Das „Technische Bureau Wilhelm Schmidt“ in Kassel-Wilhelmshöhe hatte die Oberleitung aller Gesellschaften inne, zu denen sich noch Gesellschaften in Frankreich (Compagnie des Surchauffeurs, Paris) und den USA (Locomotive Superheater Company, New York) gesellten. 1910 gründete S. die „Schmidt’sche Heißdampf-GmbH“ (SHG) in Kassel, die die Tätigkeit des „Technischen Bureaus“ und der Londoner Gesellschaft vereinigte. Alle Firmen florierten; S. jedoch verlor durch den Versailler Vertrag 1919 alle ausländischen Unternehmen und Lizenzansprüche.

    S. zählt zu den bedeutendsten dt. Erfinderpersönlichkeiten des 19. Jh. Seine Dampfüberhitzer, zunächst der Flammrohr-, dann der Rauchkammer- und schließlich der Rauchrohr-Überhitzer (seit 1906) revolutionierten den Dampflokomotivbau weltweit. Die erfinderische Leistung S.s liegt in der konstruktiven Umsetzung prinzipiell bekannter Konzepte und in seinem Mut, Wege zu erproben, die von der dt. Ingenieurwissenschaft für nicht gangbar erklärt worden waren. Seine in über 1400 dt. und ausländ. Patenten erfaßten Erfindungen gipfelten in der Konstruktion des Hochdruck-Steilrohrkessels, mit dem 1911 erstmals 60 atü Arbeitsdruck erreicht wurden, bei Dampftemperaturen von bis zu 430°C und 700 kg Dampferzeugung pro Stunde. Im Mai 1910 wurde bereits die 5000. Lokomotive ausgeliefert, 1925 fuhren mehr als 3000 Schiffe mit S.schen Überhitzern und Heißdampfmaschinen. Erst das Ende der Ära der Dampfmaschinen beendete die erfolgreiche Firmentätigkeit der Unternehmen S.s (die SHG bestand bis 1979 als eigenständige Firma, allerdings mit anderen Geschäftsfeldern).

    Seit seiner Wanderschaft war S. sehr stark durch seinen christl. Glauben geprägt. Er fühlte sich von Gott geleitet und betrachtete seine Erfindungen nur als „Nebentätigkeiten“; am Ende seiner Berufslaufbahn spendete er bedeutende Summen für diverse soziale Einrichtungen, v. a. für die Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel.

  • Auszeichnungen

    Dr.-Ing. E. h. (Karlsruhe 1908);
    preuß. Baurat (1913);
    Grashof-Denkmünze d. VDI (1916);
    Ehrenbürger d. Stadt Benneckenstein (1917);
    Gedenkstein d. VDI im Park d. Stadt Benneckenstein (1934);
    Gedenktafel am Geburtshaus in Wegeleben (1998).

  • Literatur

    G. Henkel, in: Mitl. d. Hess. Bezirksver. Dt. Ing. 14, 1924, S. 2-8;
    C. Matschoß (Hg.), Männer d. Technik, 1925, S. 24 f.;
    G. v. Bodelschwingh, Der Ruf e. Einsamen, Aus Leben u. Gedanken d. Erfinders W. S., 1931, ⁵1938;
    F. M. Feldhaus, in: Männer dt. Tat, 1934, S. 291-95;
    E. Baum, W. S., Der Schlosserjunge mit d. Doktorhut, 1938;
    O. H. Hartmann, in: VDI-Nachrr. 3, 1949, Nr. 3, S. 1 f.;
    ders., ebd. 12, 1958, Nr. 4, S. 5 f.;
    W. Senéchal, Vom Schlosserlehrling z. Ehrendoktor, ³1955 (P);
    P. A. Kirchvogel, in: Lb. Kurhessen VI, 1958, S. 330-36;
    H. Schröter, in: E. Born (Hg.), Pioniere d. Eisenbahnwesens, 1961, S. 118-24;
    E. Rehbein, Erfindungen u. Erfinder f. d. Eisenbahn, Die Heißdampflokomotive v. W. S., in: Eisenbahn-Jb. 1978, S. 170-74;
    G. Eggert, W. S., 1858-1924, Lb. e. gr. Erfinders [um 2001] (P, L);
    W.-D. Ostermann, Lb. aus Harz u. Börde, II, 2003, S. 137-78 (P, L);
    Pogg. VII a.

  • Porträts

    Ölgem. v. Ludwig Otto, 1918 u. 1919 (EVT, Energie- u. Verfahrenstechnik AG, Stuttgart), Abb. in:|Ostermann, Lb. (s. L), S. 168;
    Relief am Gedenkstein in Benneckenstein, 1934, Abb. ebd., S. 175.

  • Autor/in

    Claus Priesner
  • Zitierweise

    Priesner, Claus, "Schmidt, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 218-220 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118608932.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA