Lebensdaten
um 1250 – nach 1310
Beruf/Funktion
Dominikaner ; Philosoph ; Mystiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118525522 | OGND | VIAF: 7379102
Namensvarianten
  • Theodericus Teutonicus de Vriberg
  • Dietrich von Freiburg
  • Theodorich von Freiburg
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Zitierweise

Dietrich von Freiberg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525522.html [18.04.2024].

CC0

  • Biographie

    D. trat früh zu Freiberg in Sachsen in den Dominikanerorden ein und versah dort das Amt eines Lesemeisters. 1276 wurde er zur weiteren Ausbildung nach Paris gesandt und hörte unter anderen wahrscheinlich auch Heinrich von Gent. Wenn er auch nicht Schüler Alberts des Großen gewesen ist, so fühlte er sich doch von seinen astronomischen und neuplatonisierenden Werken angezogen. 1285 war D. vielleicht Prior in Würzburg, sicher 1293-96 Provinzial der deutschen Ordensprovinz, 1297 wurde er in Paris Magister theol. 1304 erstattete er auf dem Generalkapitel zu Toulouse dem neugewählten Ordensgeneral Aymerich Bericht über seine von ihm als erstem abendländischen Denker im Anschluß an Alhazen entwickelte neuzeitliche Regenbogentheorie von der zweimaligen Brechung und einmaligen Reflexion des Sonnenstrahls im Regenbogen. Seine Lehre behauptete sich an der Universität Erfurt bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, geriet dann aber in Vergessenheit, bis Descartes sie neu entdeckte. 1310 wurde D. Vikar der oberdeutschen Provinz Teutonia, von der 1303 die Provinz Saxonia abgetrennt worden war.

    D. verfaßte zahlreiche Schriften zur Optik, Naturphilosophie, Logik, Erkenntnistheorie, Psychologie, Metaphysik und Theologie, die E. Krebs und J. Würschmidt zum Teil ediert haben. D. stellt das Experiment über die Autorität auch eines Aristoteles. In der Philosophie nimmt er zwar manche Elemente von Aristoteles auf, gibt aber Proklos, dessen Stoicheiosis theologicae er benutzt, Augustinus, dem Pseudo-Dionysius und den neuplatonisierenden Arabern den Vorzug. Mit Thomas von Aquin nimmt er die Einheit der Form an, leugnet mit ihm die Zusammensetzung der geistigen Substanzen aus Materie und Form, und ist der Überzeugung, daß der Gedanke einer ewigen Weltschöpfung keinen Widerspruch in sich schließt. Häufiger aber wendet er sich gegen Thomas und seine Anhänger, die „communiter loquentes“. So leugnet er den wirklichen Unterschied zwischen Sosein und Dasein. Was den deutschen Dominikaner von Thomas trennt, sind jedoch weniger Einzelfragen als die Verschiedenheit der geistigen Grundlagen. Sein Weltbild ist bestimmt durch die neuplatonische Vierheit: Die göttliche Einheit, die geistige (intellectuale) Natur, die Seelen und Körper. Mit der Annahme der vier Seinsstufen verbindet sich die Vorstellung der Emanation, die von D. in christlicher Weise als Schöpfung gedeutet wird. Der Emanatio entspricht die Reversio, die Rückkehr der Dinge zum Einen. Von Augustinus übernimmt D. die Lehre vom Abditum mentis, der Schatzkammer der ewigen Wahrheit, in der wir „finden“, nicht erzeugen, was wir erkennen. Er identifiziert den Seelengrund mit dem tätigen Verstand des Aristoteles. Er ist ihm das „Herz der Seele“. Er steht in der Reihe der Intelligenzen, die von Gott unmittelbar ausgehen. Die Gottesanschauung ist ihm natürlich, eines besonderen Gnadenlichtes zur ewigen Seligkeit bedarf es nicht. In der Erkenntnis- und Schöpfungslehre hat D. einen großen Einfluß auf Meister Eckhart, Berthold von Moosburg und Johannes Tauler ausgeübt. Von seinen Zeitgenossen wird D. auch als mystischer Prediger gefeiert, doch sind uns seine Predigten nicht erhalten.

  • Werke

    Tractatus de intellectu et intelligibili, Tractatus de habitibus, ed. E. Krebs, in: Meister D., sein Lb., s. Werke, s. Wiss., = Btrr. z. Gesch. d. Philos. d. MA 5, 1906, H. 5/6 (hier auch Inhaltsangabe weiterer, noch nicht ed. Werke);
    De esse et essentia, ed. E. Krebs, in: Rev. Neoscolastique 18, Löwen 1911, S. 516-36;
    De iride et radialibus impressionibus, ed. J. Würschmidt, in: Btrr. z. Gesch. d. Philos. d. MA 12, 1914, H. 5/6.

  • Literatur

    C. Gauthier, in: Rev. Augustin 15, 1909, 16, 1910;
    A. Dyroff, Üb. Heinr. u. D. v. Freiberg, in: Phil. Jb. 28, 1915, S. 55-63;
    A. Birkenmajer, in: Btrr. z. Gesch. d. Philos. d. MA 20, 1922, H. 5 (üb. 3 neuaufgefundene Hss.);
    G. Hellmann, Neudrucke … üb. Meteorologie, 1912, Nr. 12;
    F. Stegmüller, Meister D. v. F. üb. d. Zeit u. d. Sein, in: Archives d'Histoire doctrinale et littéraire du moyen-âge 13, Paris 1942, S. 153-221 (mit d. Texten De tempore, De mensura durationis);
    Ueberweg;
    Pogg. II;
    ADB V (unter D. v. Freiburg).

  • Autor/in

    Willehad Eckert OP
  • Zitierweise

    Eckert OP, Willehad Paul, "Dietrich von Freiberg" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 690 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525522.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Dietrich oder Theodorich von Freiburg, Dominicaner, um 1300, ein Zeitgenosse und Geistesverwandter Meister Eckharts. D. ist um die Mitte des|13. Jahrh. in oder bei Freiburg i. Br. geboren und dort in den Dominicanerorden getreten. Seine höhere theologische Ausbildung erhielt er auf der Hochschule seines Ordens für Deutschland, auf dem Studium generale zu Köln. Hier konnte er noch Albrecht den Großen hören, dessen Persönlichkeit und Geistesrichtung von nachhaltigem Einfluß auf ihn war. Im J. 1280 finden wir D. als Lector des Convents zu Trier, 1285 als Prior zu Würzburg. Um 1287 wird er von dem Ordensmeister nach Paris gesendet, um dort die Magisterwürde zu gewinnen und dann dem Herkommen gemäß 1—2 Jahre den einen der beiden Lehrstühle des Ordens an jener Hochschule einzunehmen. Das Ansehen der Dominicaner an der Universität, durch Albrecht und Thomas von Aquino begründet, wurde durch ihn erhalten. In den Verzeichnissen der deutschen Provinzialen seines Ordens, die meist nicht viel mehr als die Namen bringen, findet sich bei ihm die Bemerkung „ein großer Meister". In einer Coblenzer Handschrift wird von ihm gesagt, daß er „bei seinen Zeiten der größte Pfaffe und der heiligsten Männer einer war, so da auf Erdreich lebeten“. Sein wissenschaftliches Ansehn, der religiöse Ernst seines Lebens und wol auch sein richtiger Blick für die Bedürfnisse der Gemeinschaft führten dazu, daß ihm wiederholt die Leitung der deutschen Ordensprovinz übertragen wurde. Er ist in den Jahren 1293—97 Provinzial von Deutschland, 1304 bekleidete er neben seinem Priorat zu Würzburg das Amt eines der vier Definitoren, welche mit dem Provinzial das Regiment über die Provinz zu führen hatten. Als solcher nimmt er in demselben Jahre an dem Generalcapitel des Ordens zu Toulouse und an der Wahl des Aimerich von Placentia zum Ordensmeister theil. Von Aimerich angeregt, schreibt er in den folgenden Jahren, in denen er die Stelle des Hauptlehrers an dem Studium generale zu Köln bekleidet, seine Schrift „De iride“. Seine Lehren scheinen ihm zuletzt den Verdacht der Ketzerei zugezogen zu haben. Noch einmal finden wir ihn um 1310 als interimistischen Verweser der deutschen Provinz und dann nicht mehr. Er beklagt sich einmal über Verläumdungen in Betreff seiner Lehre. Einige später als begardische Irrlehre bekämpfte Sätze finden sich bereits bei ihm. Diese und andere Umstände lassen vermuthen, daß der im J. 1320 mit Meister Eckhart in Untersuchung gezogene D. von St. Martin unser D. von Freiburg gewesen sei. Dann würde, wie das mehrfach vorkommt, der eine Beiname seine Familie, der andere sein Heimathkloster bezeichnen. Ueber den Ort und die Zeit seines Todes fehlen die Nachrichten. D. hat geistreiche Schriften meist naturphilosophischen Inhalts verfaßt. Seine Darstellungsweise bewegt sich noch ganz in den strengen Formen der Scholastik, aber er ist mit Erfolg bemüht, die Grundanschauungen seiner Theosophie und Mystik mit den Begriffen der damaligen theologischen Wissenschaft zu vermitteln. Er bildet in dieser Hinsicht den Uebergang von der Unterordnung der Mystik unter die Scholastik zu der Selbständigkeit und Freiheit, welche die Mystik mit Meister Eckhart erringt. Die Grundfrage der mystischen Lehre, wie wir zur unmittelbaren Gemeinschaft und zum Schauen der Gottheit zu gelangen vermögen, wird von D. vornehmlich in der Schrift: „De beatifica visione dei per essentiam“ behandelt. Von Pseudo-Dionysius ausgehend, theilt er die Dinge in obere, mittlere und untere, deren Zusammenhang dadurch erhalten oder hergestellt wird, daß jedes niedere Wesen mit seiner höchsten Kraft sich vereint mit der niedersten Kraft des über ihm stehenden Wesens. Das höchste im Menschen ist Gottes Bild, der erkennende Geist. Aber in diesem ist ein zweifaches, ein sich immer gleichbleibendes und ein sich stets neugestaltendes zu unterscheiden. Jenes nennt D., an Aristoteles sich anschließend, die wirkende, dieses die mögliche Vernunft (intellectus agens und intellectus possibilis). Von beiden Kräften ist die wirkende Vernunft das eigentliche Bild Gottes; sie ist ein in sich vollendetes, in sich seliges,|sich selbst denkendes Sein, immer thätig, auch wenn wir uns dessen nicht bewußt sind. Sie ist nicht eine und dieselbe in allen Menschen, wie unter anderen Averroës behauptete, sondern ist so vielfach als es denkende Geister gibt. In ihrer Kraft, in ihrem Lichte gestaltet sich unser Geistesleben zur möglichen Vernunft, d. i. zum jeweiligen Einzeldenken. Aber da wir sinnlich sind, so denken wir alles in Formen der Sinnlichkeit, und da wir sündig sind, so vermögen wir uns nicht zu erheben und Gott und die Dinge zu denken, wie es der wirkenden Vernunft gemäß wäre. Diese letztere denkt Gott und die Dinge nicht in vermittelter Weise, sondern in directer unmittelbarer Anschauung ihres eigenen Wesens, das ein Bild Gottes und aller Dinge ist. Da ist es nun die Gnade, die uns von den Einflüssen der Sinnlichkeit und Sünde befreit und uns bis zu dem Punkte zu führen sucht, wo unser inneres Leben ganz von der wirkenden Vernunft überformt wird. Von dieser wirkenden Vernunft gilt es, wenn D. den Menschen in einer Hinsicht schon von Natur selig sein läßt und sagt, Gott vermöchte keinen Menschen selig zu machen durch die Gnade, wenn er nicht schon selig wäre durch die Natur. Es ist dies ein später als begardische Irrlehre angegriffener Satz. Aber er hat bei den Begarden einen anderen Sinn als bei D. Das, wodurch Dietrichs Lehre von der wirkenden Vernunft für die Mystik Bedeutung gewinnt, ist der Umstand, daß er sie als constituirenden und bleibenden Bestandtheil des Menschen selbst erfaßt, und das verstandesmäßige Denken des Menschen oder die mögliche Vernunft für fähig erklärt, unter den Formen der wirkenden Vernunft zu denken. Er hat damit die Kluft auszufüllen gesucht, welche nach der herkömmlichen Annahme zwischen dem übernatürlichen Schauen und dem natürlichen Wissen besteht. Es ist ein Wissen des Göttlichen mittelst der Kräfte des Menschen und innerhalb des Bereichs derselben möglich, welches dem wahren Wesen der Gottheit einigermaßen adäquat ist. — Ein wenn auch nicht ganz correctes Verzeichniß der Schriften Dietrichs bei Leander Albertus, De viris illustr. ord. praedicatorum. Weiteres über D. in meiner Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter I. 292 ff.

  • Autor/in

    Preger.
  • Zitierweise

    Preger, Wilhelm, "Dietrich von Freiberg" in: Allgemeine Deutsche Biographie 5 (1877), S. 190-192 unter Dietrich von Freiburg [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525522.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA