Lebensdaten
1864 – 1922
Geburtsort
Adlwang (Oberösterreich)
Sterbeort
Waldneukirchen (Oberösterreich)
Beruf/Funktion
österreichischer Bundeskanzler ; Historiker ; Archivar
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 116973536 | OGND | VIAF: 89219844
Namensvarianten
  • Mayr-Adlwang, Michael
  • Mayr, Michael
  • Mayr-Adlwang, Michael

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Zitierweise

Mayr, Michael, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116973536.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Michael (* 1829), Gutsbes.;
    M Katharina Landerl (* 1832);
    1901 Sophie, T d. Josef Gsteu Edler v. Glendheim (österr. Adel 1902), Hofrat am Obersten Gerichtshof, u. d. Philomena v. Scala; kinderlos.

  • Biographie

    Als Sohn eines wohlhabenden oberösterr. Bauern aufgewachsen, absolvierte M. seine Schulzeit bei den Jesuiten am Freinberg b. Linz und bei den Benediktinern in Kremsmünster. Anschließend studierte er in Wien Geographie und Geschichte, war 1889-91 o. Mitglied des Instituts für österr. Geschichtsforschung und trat 1891/92 als Stipendiat in das Istituto Austriaco di studi storici in Rom ein. 1892 erhielt M. eine Stelle als Konzipient am damaligen Statthaltereiarchiv in Innsbruck, dessen Direktor er 1897 wurde. Innerhalb weniger Jahre baute er dieses Archiv durch großzügige Akteneinziehungen von Behörden und Gerichten zu einem der größten der Habsburgermonarchie aus und suchte es durch eine Reihe von Publikationen sowie durch die Herausgabe der „Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs“ (seit 1904) der breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Darüber hinaus bemühte er sich stets um eine administrative und organisatorische Zentralisierung des österr. Archivwesens; er erreichte sie vorübergehend im Dezember 1920 mit der Errichtung eines selbständigen Archivamtes, dessen Leiter er wurde. Das Archivamt fiel jedoch 1922 den Einsparungsmaßnahmen im Zuge des Genfer Sanierungswerkes zum Opfer. M.s entschiedener Einsatz für die Anliegen des Archivwesens drückte sich u. a. in zahlreichen Anerkennungen und Ehrungen und in seiner Ernennung zum Konservator der k.k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale (1904–13) sowie zum o. Mitglied des k.k. Archivrates (1908) aus. Daneben habilitierte er sich 1896 an der Univ. Innsbruck für österr. und allgemeine Geschichte; 1900 wurde er zum außerordentlichen Professor für Neuere Geschichte ernannt.

    M. schloß sich dem kath.-konservativen akademischen Kreis um Ludwig v. Pastor und Josef Hirn an. 1897 trat er der Kath.-Konservativen Partei Tirols bei, geriet damit aber zunehmend in fachliche wie weltanschauliche Differenzen mit einem großen Teil der liberal dominierten Fakultät, die in seiner Haltung Opportunismus zu erkennen glaubte, zumal M. während seiner Studienzeit und noch in den ersten Innsbrucker Jahren national-liberalem Gedankengut durchaus aufgeschlossen gegenübergestanden hatte. Die schleppenden Fortschritte bei der Reformierung des österr. Archivwesens und die Differenzen mit der Fakultät veranlaßten ihn, für die Reichsratswahlen von 1907 zu kandidieren und sich damit ein neues Arbeitsgebiet zu suchen. Als er sich unmittelbar nach seiner Wahl jedoch dem neu konstituierten christlichsozialen Parlamentsklub anschloß, zog er sich den Zorn der altkonservativen Tiroler Parteileitung zu, die nicht zuletzt wegen dieses Parteiwechsels seine Wiederwahl 1911 erfolgreich boykottierte. Seit 1908 gehörte M. auch dem Tiroler Landtag an, wo er sich unter anderem für den Ausbau des Tiroler Eisenbahnnetzes, für eine finanzielle und soziale Besserstellung der Lehrer und Beamten, für den Neubau der Universität und des Archives sowie für eine umfassende Landtags- und Gemeindewahlrechtsreform exponierte. Internationales Aufsehen erregte er im Zusammenhang mit der sog. „Wahrmundaffäre“, als er sich 1907 anläßlich einer Debatte über die Freiheit der Wissenschaft im Reichsrat zum Verteidiger der kath. Professoren- und Studentenschaft machte und in scharfer Form die Ansichten des Innsbrucker Kirchenrechtslehrers Ludwig Wahrmund verurteilte, der dem Katholizismus jeglichen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit abgesprochen hatte. Während des Ersten Weltkrieges wandte sich M. wieder stärker seinen historischen Forschungen zu und verfaßte sein bekanntestes Werk „Der italienische Irredentismus“ (1916, ²1917).

    Nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie zählte M. neben Landeshauptmann Josef Schraffl und dem Brixner Theologieprofessor Aemilian Schöpfer zu den führenden Köpfen der Tiroler Christlichsozialen und galt als Initiator und entschiedener Verfechter der Tiroler Separationsbestrebungen, die zunächst eine möglichst weitgehende Unabhängigkeit von der Zentrale Wien anstrebten, aber auch aus taktischen Gründen zur Wahrung der Landeseinheit den Anschluß an das Deutsche Reich ablehnten, wie er von der Provisorischen Nationalversammlung Deutschösterreichs am 12.11.1918 beschlossen worden war. Im Februar 1919 wurde M. in die konstituierende Nationalversammlung gewählt, wo er als engagierter Föderalist die partikularistischen Interessen Tirols verteidigte, im Mai 1919 einen christlichsozialen Verfassungsentwurf einbrachte und schließlich im Herbst 1919 zum Staatssekretär für die Ausarbeitung der Verfassungs- und Verwaltungsreform ernannt wurde. Es gelang ihm, in mehreren Länderkonferenzen und interministeriellen Gesprächen, aber auch durch die Vorlage eigener Entwürfe (die auf Arbeiten von Hans Kelsen basierten) einen Konsens zwischen den teilweise stark divergierenden Vorstellungen über die Verteilung der Kompetenzen von Zentralgewalt und Ländern einerseits und zwischen den einzelnen Parteien andererseits herbeizuführen, so daß das Verfassungswerk im Oktober 1920 verabschiedet werden konnte.

    Diese Arbeit zählte zweifellos zu den größten politischen Leistungen M.s, der nach dem Bruch der Koalition im Juni 1920 zum Vorsitzenden des Kabinettes ernannt wurde und im Anschluß an die Nationalratswahlen im Herbst 1920 zum ersten Bundeskanzler der Ersten Republik avancierte, aber auch als erster Bundespräsidentschaftskandidat im Gespräch war. Als Kanzler und gleichzeitiger Leiter des Ministeriums des Äußeren versuchte er den bankrotten Staatshaushalt mit Hilfe von Auslandskrediten zu sanieren, reiste dazu im März 1921 nach Paris und London, wo ihm eine größere Völkerbundanleihe in Aussicht gestellt wurde, die jedoch zunächst an der Frage der länderweisen Anschlußbewegungen (in Tirol, Salzburg und der Steiermark) scheiterte. Frankreich, England und Italien machten nämlich ihre Zustimmung zu größeren Krediten und zu einer Sistierung der Reparationszahlungen von der Hintanhaltung der Anschlußabstimmungen abhängig. M. verband sein politisches Schicksal mit dem Verzicht auf die geplante Abstimmung in der Steiermark und demissionierte am 1.6.1921, nachdem der Landtag weiterhin am Abstimmungstermin festhielt, letztlich aber doch kein Plebiszit durchführte, während Tirol und Salzburg im April bzw. Mai 1921 mit über 98% der abgegebenen Stimmen für den Anschluß an Deutschland votierten. Der über das Vorgehen seiner Parteigenossen in den Ländern enttäuschte M. übte nach seinem Rücktritt weiterhin sein Tiroler Nationalratsmandat aus und war im Frühjahr 1922 – unmittelbar vor seinem plötzlichen Tode – sogar erneut als Regierungschef im Gespräch.

  • Werke

    u. a. Wolfgang Lazius als Gesch.schreiber Österreichs, Ein Btr. z. Historiogr. d. 16. Jh., 1894 (Habil.schr.);
    Der Generallandtag d. österr. Erbländer zu Augsburg (Dez. 1525-März 1526), in: Zs. d. Ferdinandeums III/38, 1894;
    Regg. z. tirol. Kunstgesch. v. d. ältesten Zeit b. z. J. 1364, ebd. 42, 1898;
    Die Erbauung d. Stammschlosses Tirol u. d. Gründung d. Klosters Steinach, ebd. 43, 1899;
    Zur Abstammung d. Grafen v. Tirol, ebd.;
    Das k.k. Statthaltereiarchiv in Innsbruck, in: Mitt. d. 3. Archivsektion d. k.k. Zentralkomm. z. Erforschung u. Erhaltung d. Kunst u. hist. Denkmale 2, 1894;
    Über Expensenrechnungen f. päpstl. Provisionsbullen d. 15. Jh., in: MIÖG 17, 1896;
    Urkk. u. Regg. aus d. k.k. Statthalterei-Archiv in Innsbruck 1364-1490, in: Jb. d. kunsthist. Slgg. d. Allerhöchsten Kaiserhauses, 1899/1900;
    David v. Schönherrs Ges. Schrr., 2 Bde., 1900/02;
    Das Jagd- u. Fischereibuch Kaiser Maximilians I., 1901;
    Die pol. Beziehung Dt.tirols z. ital. Landesteile, 1901;
    Über staatl. Archivwesen in Österreich, in: Zs. f. Volkswirtsch., Soz.pol. u. Verwaltung, 1903;
    Zum österr. Archivwesen, in: Dt. Gesch.bll. 5, 1904;
    Welschtirol in s. geschichtl. Entwicklung, in: Zs. d. Dt. u. österr. Alpenver. 38, 1907;
    Die Entwicklung d. nat. Verhältnisse in Welschtirol, ebd. 48, 1917;
    Stud. z. tirol. Gemeindewahlreform, 1911;
    Zur Pflege d. Pfarr- u. Gemeindearchive, in: Forschungen u. Mitt. z. Gesch. Tirols u. Vorarlbergs 10, 1913;
    Zur ältesten Gesch. d. Schlosses Tirol, ebd. 11, 1914;
    Btrr. z. Gesch. d. Entstehung u. Reform d. Tiroler Landesvfg. v. J. 1861, 1913;
    Der ital. Irredentismus, Sein Entstehen u. s. Entwicklung vornehml. in Tirol, 1916, ²1917;
    Der Katholizismus u. unsere Hochschulen, in: Austria Nova, Wege in Österreichs Zukunft, 1916. – W-Verz. (1893–1913), in: Forschungen u. Mitt. z. Gesch. Tirols u. Vorarlbergs XII/3, 1915, S. 3-8.

  • Literatur

    R. Heuberger, in: MIÖG 39, 1923, S. 325-34;
    ders., in: DBJ IV;
    I. Richter, M. M. als Historiker u. Politiker, Diss. Wien 1959;
    I. Ph. Dengel, M. M. 1864-1922, in. Oberösterr. Männergestallen aus d. letzten Jh., 1926, S. 63-68 (P);
    G. Oberkofler, Die geschichtl. Fächer an d. Phil. Fak. d. Univ. Innsbruck 1850-1945, 1969, S. 101-04 u. passim;
    W. Goldinger, Österr. Archivare d. Vergangenheit, in: Scrinium 1, 1969, S. 23 ff.;
    H. Kramer, Der Tiroler Historiker M. M., in: Der Schiern 46, 1972, S. 237-41 (P);
    H. Slapnicka, M. M., Mitschöpfer d. österr. Bundesvfg., in: Oberösterreicher, Lb. z. Gesch. Oberösterreichs I, 1981, S. 120-31 (P);
    F. Weissensteiner, M. M., 1864 bis 1922, in: Die österr. Bundeskanzler, 1983, S. 54-60 (P);
    H. J. W. Kuprian, Zw. Wiss. u. Pol., Die pol. Entwicklung M. M.s v. 1907 bis 1922, Diss. Innsbruck 1985 (P);
    ÖBL.

  • Autor/in

    Hermann J. W. Kuprian
  • Zitierweise

    Kuprian, Hermann J. W., "Mayr, Michael" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 565-566 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116973536.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA