Lebensdaten
1872 – 1945
Geburtsort
Frankfurt/Oder
Sterbeort
Weimar
Beruf/Funktion
Musiker ; Komponist ; Dirigent ; Musikwissenschaftler ; Kapellmeister
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 116319011 | OGND | VIAF: 15516723
Namensvarianten
  • Raabe, Peter
  • Raabe, Carl Ludwig Hermann Peter
  • Raabe, Karl Ludwig Hermann Peter
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Zitierweise

Raabe, Peter, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116319011.html [13.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann (1840–78), Kunstmaler, Bühnenbildner am Stadttheater in F., S d. Julius (1804–59), Zeichenlehrer, Theaterdekorationsmaler, u. d. Johanna Marie Luise Günther (1814–59);
    M Pauline (1834–97), Klavierlehrerin, T d. Ludwig Flesche (1809–76), Schausp. u. Intendant am Theater in F. (s. Rigaer Theater- u. Tonkünstler-Lex., 1890), u. d. Pauline Günther (1813–71);
    Tante-v Hedwig Niemann-R. (1844-1905, Albert Niemann, 1831–1917, Sänger, s. NDB 19), Schausp. (s. Rigaer Theater- u. Tonkünstler-Lex.; BJ X, Tl.; Kosch, Theater-Lex.);
    Elberfeld 1897 Zdenka Koràb (1872–1946), Sängerin;
    1 T Eva (1898–1986), (Chef-)Sekr. b. d. IHK in Aachen, 1 S Felix (1900–96), Dirigent, 1946-53 Gen.musikdir. in Aachen, 1948-60 Lehrbeauftragter an d. TH ebd. (s. W, L).

  • Biographie

    Nach dem Abitur am Realgymnasium in Frankfurt/O. studierte R. 1891-94 an der Musikhochschule in Berlin. Besuche der Konzerte Hans v. Bülows und Felix Weingartners bestärkten ihn in dem Wunsch, Dirigent zu werden. Zwischen 1894 und 1907 hatte R.|Anstellungen als Opernkapellmeister in Königsberg, Zwickau, Elberfeld und Amsterdam, als Konzertdirigent in München und Mannheim. Während seiner fast 50jährigen Dirigentenlaufbahn war er Gastdirigent in zahlreichen Städten des In- und Auslands. Seit 1907 leitete R. als Hofkapellmeister Opern und Konzerte in Weimar und übernahm 1910 außerdem die Kustodie des Lisztmuseums. Von seiner intensiven Beschäftigung mit Leben und Werk Franz Liszts zeugen die Promotion (Jena 1916) und seine Monographie über den Komponisten (2 Bde., 1931), die noch heute von musikwissenschaftlicher Bedeutung ist. Seit 1917 war R. an der Herausgabe der Liszt-Gesamtausgabe beteiligt (34 Bde., 1907–36, unvollst.). 1920-34 wirkte er als Generalmusikdirektor in Aachen und seit 1924 als Honorarprofessor für Musikgeschichte an der dortigen TH. Nachdem Herbert v. Karajan (1908–89) 1935 zu seinem Nachfolger ernannt worden war, zog R. wieder nach Weimar.

    Als Dirigent widmete er sich vorwiegend den Werken Beethovens, Bruckners und Wagners, führte aber auch viele Kompositionen wenig bekannter Zeitgenossen auf. Er engagierte sich in musikalischen Vereinen und Verbänden und bezog v. a. seit den späten 20er Jahren in Vorträgen und Aufsätzen zu musikpolitischen Fragen Stellung. Besonders interessiert an der musikalischen Volkserziehung, sah R. in der „Massenkunst“, in amerikan. Unterhaltungsmusik, Schlager, Operette, modischen Tänzen und Kino, eine Bedrohung für die dt. Kultur. Er kämpfte außerdem gegen den durch die wirtschaftliche Not bedingten Kulturabbau und stand einer Technisierung der Künste durch Rundfunk und Schallplatte kritisch gegenüber.

    Im Juli 1935 wurde R. (Mitgl. d. NSDAP seit Mai 1937) von Goebbels zum Nachfolger von Richard Strauss (1864–1949) als Präsident der Reichsmusikkammer ernannt. In dieser Funktion spielte R. einerseits eine bedeutende Rolle bei der „Gleichschaltung“ des Musiklebens (etwa durch tausende Ausgliederungsverfügungen gegen jüd. Musiker, Musikverleger, -händler usw.), andererseits deckten sich seine eigenen Überzeugungen in wichtigen Bereichen (wie z. B. Werktreue, Entfaltung d. Einzelpersönlichkeit contra Massenorganisationen) nicht mit der nationalsozialistischen Ideologie. Zahlreiche Konflikte und interne Machtkämpfe prägten seine Amtszeit. Wiederholt versuchte er, sein Amt niederzulegen, blieb aber bis zu seinem Lebensende Kammerpräsident. – Peter-Raabe-Stiftung in Aachen (seit 1932).|

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Königsberg 1936);
    Vorstandsmitgl. im Allg. Dt. Musikver. (seit 1919, seit 1935 1. Vors.);
    Vors. d. Liszt-Bundes (seit 1929);
    Ehrenmitgl. d. Bruckner-Ges. (1934);
    goldene Medaille f. Kunst u. Wiss. am Bande d. Rr.kreuzes v. Weißen Falkenorden (1909);
    Roter Adlerorden (1912);
    Goethe-Medaille f. Kunst u. Wiss. (1942).

  • Werke

    u. a. Kompositionen: Lieder u. Klavierstücke (etwa zwischen 1892 u. 1906);
    Schrr.:
    Die Entstehungsgesch. d. Orchesterwerke Franz Liszts, Diss. Jena 1916;
    Ghzg. Carl Alexander u. Liszt, 1918;
    Franz Liszt, 1931, ²1968 (hg. v. Felix Raabe);
    Die Musik im dritten Reich, Kulturpol. Reden u. Aufss., 1935 (P);
    Kulturwille im dt. Musikleben, Kulturpol. Reden u. Aufss., 1936;
    Dt. Meister, 1937 (P): Wege zu Weber, 1942;
    Wege zu Liszt, 1943;
    Wege zu Bruckner, 1944;
    Werktreues Dirigieren, An Beispielen gr. Orchestermusik gelehrt v. P. R., hg. v. Felix Raabe (unveröff. Ms., StadtA Aachen). – Aufsätze u. a. Felix Weingartner als schaffender Künstler, in: Die Musik 7, 1907/08, S. 15-33;
    Ausbau od. Einschränkung d. Beethovenpflege, in: Allg. Musikztg. 47, 1920, S. 735 f.;
    Dt. Musikwesen u. dt. Art, ebd., 53, 1926, S. 737 f.;
    Etwas über Musikgesch.auffassung u. über Biographienschreiben, ebd., 62, 1935, S. 19-22;
    Über d. Werktreue u. ihre Grenzen, in: FS f. Fritz Stein z. 60. Geb.tag, hg. v. H. Hoffmann u. F. Rühlmann, 1939, S. 153-60;
    Das Problem Unterhaltungsmusik, in: Zs. f. Musik 107, 1940, S. 453-55. – Zu Felix: Kompositionen: Kantate „Wahrhaftige Beschreibung“ nach Worten v. Hans Sachs, 1936;
    Festmusik f. Orch. mit Schlußgesang (ad lib.) f. einstimmigen Chor n. J. G. Fichte, 1937. – Schr.: Lebendige Musik, Eine Anleitung z. Musikhören, 1936.

  • Literatur

    u. a. P. Schwere, in: Allg. Musikztg. 59, 1932, S. 608;
    W. v. Bartels, in: Zs. f. Musik 104, 1937, S. 1217-22;
    F. Rühlmann, ebd., 109, 1942, S. 473-480 (P);
    H. E. Weinschenk, Künstler plaudern, 1938, S. 247-52 (P);
    L. W. Hellwig, Persönlichkeiten d. Gegenwart, 1940, S. 205-11 (P): A. Morgenroth (Hg.), Von dt. Tonkunst, FS zu P. R.s 70. Geb.-tag, 1942 (P);
    Felix Raabe, in: Rhein. Musiker, 3. F., hg. v. K. G. Fellerer, 1964, S. 63 f.;
    I. Kaminiarz, Zu Gesch., Struktur u. Bedeutung d. Allg. Dt. Musikver. als Institution zeitgenöss. Musik (1861–1937), Ms. 1996 (in Vorbereitung);
    N. Okrassa, Vom Neubau dt. musikal. Kultur, P. R. (1872-1945), Dirigent u. Präs. d. Reichsmusikkammer (W, P. in Vorbereitung);
    Rhdb. (P);
    Wi. 1935;
    Riemann mit Erg.bd.;
    MGG;
    New Grove;
    New Grove². – Zu Felix:
    K. Schulte, P. Sardoč, Von Ringelhardt bis Mundorf, Künstler u. Persönlichkeiten d. Aachener Stadttheaters, 1977 (P);
    A. Beaujean, 125 J. Städt. Orchester Aachen, 1977;
    St. Jaeger, Das Atlantisbuch d. Dirigenten, 1985;
    Riemann, Erg.bd. – Eigene Archivstudien:
    Goethe- u. Schiller-Archiv Weimar;
    Thür. HStA Weimar;
    BA Berlin;
    StadtA Aachen.

  • Autor/in

    Nina Okrassa
  • Zitierweise

    Okrassa, Nina, "Raabe, Peter" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 54-55 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116319011.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA