Lebensdaten
unbekannt
Beruf/Funktion
Erfurter Fabrikantenfamilie
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 1143725670 | OGND | VIAF: 17151049886033410295
Namensvarianten
  • Topf
  • Topph

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Zitierweise

Topf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1143725670.html [16.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Der Erfurter Braumeister Johannes Andreas (1816–91) eröffnete 1878 ein feuerungstechnisches Baugeschäft, um seine Patente auf eine verbesserte Braupfannenfeuerung zu verwerten. 1885 gründeten seine Söhne, der Gärtner und Feuerungstechniker Max Julius Ernst (1859–1914) und der Kaufmann Wilhelm Louis, genannt Ludwig (1863–1914), die Firma neu als „J. A. Topf & Söhne, Spezialgeschäft für Heizungsanlagen, Brauerei- und Mälzereieinrichtungen“. 1886 und 1888 traten ihre Brüder Albert (1857–93) und Gustav (1853–96) in die Firma ein. Um 1900 bestand das Unternehmen aus der Mälzerei-Abteilung, die vollständige Mälzereien projektierte und ausstattete, und der Abteilung Dampfkesselanlagen, die Feuerungen, Dampfkesseleinmauerungen, Kohle- und Aschetransport- sowie Saugzuganlagen zur künstlichen Zugverstärkung und Schornsteinbauten ausführte. Ludwig, nach dem Rückzug von Julius alleiniger Geschäftsführer seit 1904, machte das Unternehmen zum internationalen Marktführer für Mälzereitechnik mit 517 Mitarbeitern (1914). Er war Vorstandsmitglied des Verbandes Thüringer Industrieller und stellv. Vorsitzender der Erfurter Handelskammer. Die Entwicklung von Krematoriumsöfen seit 1912 war seine letzte Erweiterung des Produktionsprogramms. Nach Ludwigs krankheitsbedingtem Freitod 1914 erbte die Witwe Elsa (genannt Else, 1882–1940) das Unternehmen, die Geschäfte wurden von den Direktoren weitergeführt. In der Weimarer Republik wurde das Unternehmen zum Marktführer für Feuerbestattungsöfen in Deutschland.

    1929 und 1931 traten Elses Söhne als Angestellte in das Unternehmen ein: Viktor Karl Ludwig (1903–45) nach diversen, nicht abgeschlossenen Hochschulstudien, darunter einem Ingenieursstudium, Ernst Wolfgang (1904–79) als diplomierter Kaufmann. Der wirtschaftliche Niedergang in der Weltwirtschaftskrise führte zu Massenentlassungen, bei denen auch Ludwig und Ernst Wolfgang Ende 1932 gekündigt wurde. Die Firmenleitung suchte die dritte Familiengeneration unter dem Vorwurf, „als Judengenossen“ hätten sie kein Anrecht auf die Firmenleitung, an der Übernahme des Unternehmens zu hindern, da die Familie T. langjährige geschäftliche und freundschaftliche Beziehungen zu Erfurter Juden pflegte. Der Eintritt von Ludwig und Ernst Wolfgang in die NSDAP am 30. 4. 1933 – nicht aus Überzeugung, sondern aus Opportunität – bewirkte ihre Wiedereinstellung und ihre Berufung zu Direktoren Mitte 1933. Der Aufschwung der Firma gelang durch die Produktion von Großspeichern für Getreide, v. a. für die Wehrmacht.|

    1935 wurde das Unternehmen zur Kommanditgesellschaft, Ludwig und Ernst Wolfgang waren Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter, ihre Schwester Johanna (1902–88) und ihre Mutter Else Kommanditistinnen. 1939 erreichte die Beschäftigtenzahl mit 1150 ihren Höchststand.

    Ende 1939 verlegte die SS die Verbrennung der in den Konzentrationslagern gestorbenen und ermordeten Häftlinge in lagereigene Krematorien, da die Kapazität der umliegenden städtischen Krematorien für die stark wachsende Zahl der Opfer nicht mehr ausreichte. Für die Lagerkrematorien in Auschwitz, Buchenwald, Dachau, Gusen, Mauthausen, Mogilew und Groß-Rosen lieferte Topf & Söhne 1939–45 eigens konstruierte transportable und stationäre Verbrennungsöfen, die mit allen Pietätsvorgaben des Feuerbestattungsgesetzes von 1934 brachen und wie Kadaververnichtungsöfen funktionierten. Damit ermöglichte die Firma der SS in den KZ die Beseitigung der Leichen und die Vertuschung ihrer Verbrechen. Die Mittäterschaft der Firma an den NS-Verbrechen erreichte eine neue Qualität beim Völkermord an den europ. Juden, Sinti und Roma im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Für das industrielle Morden hatten die technischen Anlagen von Topf & Söhne eine Schlüsselfunktion. Die Be- und Entlüftungsanlagen aus Erfurt ermöglichten einen raschen Luftaustausch in den Gaskellern und damit ein kontinuierliches Betreiben dieser Einrichtungen für den Massenmord, in den leistungsstarken Öfen der Firma konnten insgesamt bis zu 8000 Leichen pro Tag verbrannt werden. Ludwig verhandelte als technischer Leiter persönlich mit der SS und nahm die Berichte der Ingenieure entgegen, die in den Lagern für Aufbau, Inbetriebnahme und Reparaturen der Anlagen zuständig waren. Ernst Wolfgang verantwortete als kaufmännischer Leiter die finanzielle Abwicklung der Geschäfte mit der SS, die mit knapp 2 % des Firmenumsatzes ökonomisch keine Bedeutung hatten.

    Nach Kriegsende hielten die Brüder zeitlebens an ihrer Argumentation fest, die Öfen hätten legalen Feuerbestattungsanlagen für städtische Krematorien entsprochen und die Umstände in den Lagern wären ihnen unbekannt gewesen. Als amerik. Offiziere nach der Befreiung des KZ Buchenwald Ludwig seine Verhaftung ankündigten, beging dieser am 31. 5. 1945 Selbstmord. Er war keine Ehe eingegangen und hatte keine Nachkommen. Ernst Wolfgang durfte nach der Übergabe Thüringens an die Sowjet. Armee am 3. 7. 1945 nicht nach Erfurt zurückkehren. Ein im April 1946 aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft im Kreis Fritzlar-Homberg gegen ihn eröffnetes Spruchkammerverfahren wurde nach vier Jahren eingestellt, weil er nur der NSDAP angehört habe, ohne ein Amt zu bekleiden. Ein 1950 von der Staatsanwaltschaft Wiesbaden eröffnetes Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Mord wurde im Okt. 1951 ebenso wie nachfolgende Ermittlungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland eingestellt. Nach der Verstaatlichung des Unternehmens in Erfurt 1947 ließ Ernst Wolfgang 1951 „J. A. Topf & Söhne“ als 1878 gegründetes Unternehmen in das Handelsregister der Stadt Wiesbaden eintragen und verlegte 1954 den Firmensitz nach Mainz. Er spezialisierte sich auf den Bau von Krematoriums- und Abfallvernichtungsöfen. Die Veröffentlichung von zwei Schreiben von Topf & Söhne an die SS-Bauleitungen Mauthausen und Auschwitz in Raimund Schnabels Buch „Macht ohne Moral“ (1957) zerstörte den Ruf des schon nicht mehr zahlungsfähigen Unternehmens, das 1963 aufgelöst wurde. Kurz darauf starb Ernst Wolfgangs Frau Erika. Sie hatten eine Tochter und einen Sohn.

    Anfang der 1990er Jahre stellten Nachkommen von Hanna und Ernst Wolfgang einen Antrag auf Rückübertragung der Firma und eines Parkgrundstücks in Erfurt, der abgelehnt wurde. 1996 meldete das Erfurter Unternehmen, das seit 1957 als „VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau“ firmierte und seit 1993 privatisiert war, Konkurs an. 1999 gründete sich mit der Unterstützung von Hartmut (* 1934), einem Enkel von Julius, der bereits 1995 den Restitutionsantrag der Familie kritisiert und vorgeschlagen hatte, das Altvermögen für Opfer der NS-Verfolgung und politische Jugendbildung einzusetzen, in Erfurt der „Förderkreis Topf & Söhne“, um die Nutzung des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma für Dokumentation, Ausstellungen und pädagogische Angebote zu erreichen. 2011 eröffnete die Stadt dort den „Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“.

  • Werke

    W Rauchverzehrende Kesselfeuerung mit direct heizbarem Vorwärmer, DRP 20664 f. J. A. Topf, Brauerei- & Feuerungs-Techniker, Erfurt, 1882.

  • Quellen

    Qu Archiv d. Gedenkstätte Buchenwald; Archiv d. Staatl. Mus. Auschwitz-Birkenau; BA; StadtA Erfurt; Sonderarchiv d. Russ. Staatl. Mil.archivs; Thür. HStA Weimar.

  • Literatur

    L R. Schnabel, Macht ohne Moral, Eine Dok. über d. SS, 1957;
    J.-C. Pressac, Auschwitz, Technique and Operation of the Gas Chambers, 1989;
    ders., Die Krematorien v. Auschwitz, 1994;
    E. Schwarzenberger, Topf & Söhne, Arbb. an e. Täterort, ³2001;
    A. Assmann u. a. (Hg.), Firma Topf & Söhne, Hersteller d. Öfen f. Auschwitz, Ein Fabrikgelände als Erinnerungsort?, 2002;
    B. Perz u. F. Freund, Auschwitz neu? Pläne u. Maßnahmen z. Wiedererrichtung d. Krematorien v. Auschwitz-Birkenau in d. Umgebung d. KZ Mauthausen im Febr. 1945, in: Dachauer Hh. 20, 2004, S. 58–70;
    V. Knigge (Hg.), Techniker d. „Endlösung“, Topf & Söhne, Die Ofenbauer v. Auschwitz, 2005;
    A. Schüle, Technik ohne Moral, Geschäft ohne Verantwortung, in: I. Wojak u. S. Meinl (Hg.), Im Labyrinth d. Schuld, 2003, S. 199–229;
    dies., Ind. u. Holocaust, Topf & Söhne, Die Ofenbauer v. Auschwitz, ²2011;
    P. Kratz, Ernst Wolfgang T., d. Firma J. A. Topf & Söhne u. d. Verdrängung v. Schuld in d. Nachkriegszeit, in: Zs. f. Gesch.wiss. 56, 2008, S. 249–66;
    27. Jan. 2011, Gedenktag f. d. Opfer d. NS, Eröffnung „Erinnerungsort Topf & Söhne, Die Ofenbauer v. Auschwitz“, Dok., hg. v. Thüringer LT u. d. Stadtverw. Erfurt, 2011

  • Autor/in

    Annegret Schüle
  • Zitierweise

    Schüle, Annegret, "Topf" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 345-347 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd1143725670.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA