Lebensdaten
unbekannt
Beruf/Funktion
Bankiers ; Mäzene in Frankfurt am Main ; Bankier ; Immobilienkaufmann
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 1020733403 | OGND | VIAF: 233275689
Namensvarianten
  • Speier (seit 1792)
  • Speyer
  • Speier (seit 1792)
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Zitierweise

Speyer, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1020733403.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Die Familie S. stammt aus Speyer. 1644 wurde Michael S. zum Goldenen Hirsch ( 1692), Sohn des Isaac aus Speyer, anläßlich seiner Verheiratung mit Jütle Oppenheim aus Frankfurt/M. als „Stättigkeitsjude“ in Frankfurt/M. aufgenommen. Sein ältester Sohn Joseph Michael ( 1729) heiratete 1687 Jachet Oppenheim und war zuletzt Vorsteher der jüd. Gemeinde Frankfurt und Unterrabbiner. Dessen Sohn Michael Joseph S. zur Silbernen Krone ( Milche Strauß) übernahm 1738 als Vertreter des ksl. Hofjuden Bernhard Gabriel Eckel die Munitionslieferungen an die ksl. Armee. Michael Joseph hatte zwei Töchter: Jachet ( 1760 Isaac Löb Beer, zur Kann, Bankier aus Frankfurt/M.) und Frommet ( 1769 Zacharias Isaak Wertheim[ber], 1809, Bankier in Frankfurt/M., s. NDB XII*) und zwei Söhne. Der älteste Sohn Isaak Michael (1745–1807 Offenbach/M., Fradelche Doctor), Bankier, wurde als Anerkennung für geleistete Munitionslieferungen und Geldgeschäfte 1787 zum ksl. Hoffaktor ernannt. Am Ende des 18. Jh. galt er mit einem Vermögen von 420 000 Gulden als der reichste Jude Frankfurts. Seit 1804 führten seine drei Söhne Daniel Isaak gen. Georg Daniel (1769–1819, ⚭ Eva Cerf-Beer) in Offenbach/M., Joseph Isaak (1776–1841, 1] Gütelche Speyer, 2] Betty Seligmann, aus Leimen) in Frankfurt/M. und Meyer Isaak (1779–1858, 1] Sara Speyer, 2] Agathe Speyer) in Frankfurt/M. das Bankgeschäft unter der Firma „Isaak Michael Speyer Söhne“ weiter. Mit dem Tod von Joseph Isaak erlosch die Firma. Der Sohn von Georg Daniel, Wolf Daniel (1790–1878, s. ADB 35; Riemann mit Erg.bd.; MGG²; New Grove, Qu, P) trat 1792 zum ev. Christentum über und nannte sich seitdem Karl Wilhelm Wolfgang Speier. Er machte sich als Komponist u. a. volkstümlich-sentimentaler und oft patriotischer Lieder sowie als Violinist einen Namen. In seinem Haus verkehrten u. a. Louis Spohr, Felix Mendelssohn Bartholdy, Giacomo Meyerbeer, Franz Liszt und Niccolò Paganini. Am Frankfurter Stadttheater wirkte er häufig als Operndirigent. Sein ältester Sohn, der Jurist Otto Speier (1826–1907) war 1885/86 Vorsitzender des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt/M., sein jüngerer Sohn Edward (1839–1934, s. New Grove, Antonia Kufferath, Sopranistin) war in England geschäftlich erfolgreich. Er sammelte Musikautographen und -editionen, gründete die Classical Concert Society in London und verfaßte eine Biographie seines Vaters mit dem Titel „Wilhelm Speyer, Der Liederkomponist“ (gedr. 1925; Ms., Inst. f. Stadtgesch. Frankfurt/M.).

    Der jüngere Sohn von Michael Joseph, Lazarus Hirsch Michael ( 1789), Handelsmann in Frankfurt/M., heiratete seine Nichte Hanna, Tochter seines Bruders Isaak Michael. Deren Sohn Joseph Lazarus (1783–1846), heiratete 1800 Jette Ellissen, Tochter des vermögenden Frankfurter Bankiers und ksl. Hoffaktor Gumperz Isaak Ellissen (1755–1818). Seit 1818 führte Joseph Lazarus das Bankgeschäft seines Schwiegervaters unter der Firma „J. L. Speyer-Ellissen“ fort. Joseph Lazarus hatte drei Söhne: Lazarus Joseph (1810–76), Philipp (1815–96) und Gumperz (seit 1857 Gustav) (1825–83). Alle drei waren Teilhaber des väterlichen Bankgeschäftes. Lazarus Joseph heiratete 1832 seine Cousine Therese Ellissen (* 1808), Tochter des Bankiers Ruben Gumperz Ellissen in Frankfurt/M. 1838 gründete er dort das Manufakturwaren- und Speditionsgeschäft „Lazard Speyer-Ellissen“, das sich zunehmend Bankund Wechselgeschäften widmete und in dem 1846 das Bankhaus seines Großvaters Gumperz Isaak Ellissen aufging. Philipp errichtete 1837 in New York eine Filiale des väterlichen Bankhauses, an der sich später auch sein Bruder Gumperz (Gustav) beteiligte und die seitdem als „Philipp Speyer & Co.“ firmierte. Auch in London bestand seit 1861 unter der Firma „Speyer Brothers“ eine Filiale, die Gustavs Sohn Edgar (1862–1932, Sir, brit. Baron 1906, s. Oxford DNB, Leonora, * 1872,T d. Ferdinand Gf. v. Stosch, 1831–72, US-Rittmeister), auf Sea Marge, Overstrand (Norfolk), seit 1887 leitete. Durch Finanzierung der Elektrifizierung der Metropolitan District Railway in London erwarb er ein großes Vermögen, so daß er auch als Philanthrop und Musikmäzen in Erscheinung treten konnte.

    Die Tochter Philipps aus der Ehe mit Charlotte Stern, Anna (1861–1940) heiratete den Frankfurter Bankier Arthur Gwinner (1856–1931, s. NDB VII). Aus der Ehe von Lazarus Joseph und Therese gingen drei Kinder hervor. Henriette (* 1833), Gustav (seit 1857 Georg) (1835–1902, ⚭ Susanna Franziska, 1844–1909, Tochter d. Berliner Bankiers Siegmund Gumbert, * 1815) und Jacques Ro-bert (1837–76). Gustav besuchte die Realschule des Philanthropins der jüd. Gemeinde Frankfurt/M. und absolvierte anschließend in verschiedenen in- und ausländischen Bankgeschäften eine kaufmännische Ausbildung. Seit 1862 war er Prokurist des väterlichen Bankhauses Lazard Speyer-Ellissen in Frankfurt/M., seit 1868 gemeinsam mit seinem Bruder Robert Teilhaber. Das Frankfurter Haus war durch wechselseitige Teilhaberschaften mit den Schwesterfirmen in New York und London verbunden. So entwickelten sich enge Verbindungen zum Kapitalmarkt in den USA, die dazu führten, dass sich Lazard Speyer-Ellissen hauptsächlich mit der Finanzierung amerik. Gesellschaften sowie der Übernahme amerik. Anleihen und Aktien und deren Einführung in Deutschland befaßte. Später beteiligte sich das Bankhaus auch an der Übernahme inund ausländischer Staats- und Kommunalanleihen.

    Neben seiner Tätigkeit als Bankier und Kaufmann engagierte sich Georg in Frankfurt im sozialen, kulturellen und wissenschaftlichen Bereich, so u. a. durch die 1890 gegründete „Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen“ (ABG), das Georg-Speyer-Vereinshaus, die Georg u. Franziska Speyer Fonds sowie seit 1899 als Aufsichtsrat der „Centrale für private Fürsorge“, Nachfolgeinstitut des von Wilhelm Merton (1848–1916) gegründeten „Instituts für Gemeinwohl“. Er war Vorstandsmitglied der 1897 gegründeten „Gesellschaft zur Erforschung jüd. Kunstdenkmäler“, dessen Sammlungen die Grundlagen des 1922 in Frankfurt/M. eröffneten Museums jüd. Altertümer bildeten und Mitglied des „Verein zur Abwehr des Antisemitismus“. Vor allem ist sein Name untrennbar mit der Gründung der Akademie für Sozialund Handelswissenschaften, dem Vorläuferinstitut der Univ. Frankfurt verknüpft durch die 1901 gegründete „Georg und Franziska Speyer’sche Studienstiftung“ mit einem Stiftungskapital von 1 Mio. Mark, die der Pflege der Wissenschaften und des wissenschaftlichen Unterrichts im allgemeinen und der Finanzierung von zwei Lehrstühlen und zusätzlichen Vorlesungen auf dem Gebiet der Handelsgeographie und der neueren Sprachen im besonderen diente. In diesem Zusammenhang wurde Georg 1901 der Kronenorden III. Klasse verliehen. Seine Witwe Franziska (Wilhelmsorden 1902, Rote-Kreuz-Medaille III. Klasse) setzte dieses Werk fort, u. a. 1904 durch die Stiftung von 1 Mio. Mark für ein chemotherapeutisches Forschungsinstitut speziell zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Paul Ehrlich (1854– 1915), der seit 1899 – bereits von Georg unterstützt – das „Königliche Institut für experimentelle Therapie“ in Frankfurt/M. leitete. 1906 wurde das „Georg-Speyer-Haus“ in Frankfurt eröffnet. Paul Ehrlich und seine Nachfolger erzielten dort große Erfolge bei der Entwicklung neuer Heilmittel, u. a. gegen Syphilis und Tuberkulose. Nach dem Tod Franziskas wurde ein großer Teil des Vermögens testamentarisch diesen und weiteren Stiftungszwecken zugeführt. Das Bankhaus Lazard Speyer-Ellissen wurde seit 1902 von Franziskas Schwager Eduard Beit (1860–1933) fortgeführt, der 1910 mit dem Prädikat „v. Speyer“ in den erblichen Adelsstand erhoben wurde, um den Fortbestand des Familiennamens zu sichern. Der einzige Sohn Georgs und Franziskas, Alfred (1871–1927), stand wegen Krankheit unter Vormundschaft.

    Nachdem bereits der New Yorker und Londoner Zweig der Familie im 1. Weltkrieg seine Beteiligung an Lazard Speyer-Ellissen aufgegeben hatte, übernahm 1927 eine Berliner Privatbank das Frankfurter Bankhaus. Sie fusionierte 1928 mit dem Bankhaus „C. Schlesinger & Co.“ in Trier zur Bank „Lazard Speyer-Ellissen KGaA, Frankfurt/M.-Berlin“, die zum 1.10.1934, auch aus politischen Gründen, liquidiert wurde. Die Stiftungen von Georg und Franziska wurden zum Teil „arisiert“ oder aufgelöst und das verbliebene Stiftungskapital anderen Stiftungen zugeführt. Lediglich das Georg-Speyer-Haus, das den Namen „Forschungsinstitut für Chemotherapie“ erhielt, konnte unter anderer Leitung weitgehend unbehindert weiter arbeiten. 1948 wurde die Georg und Franziska Speyer’sche Studienstiftung auf Beschluß des Frankfurter Magistrats als selbständige Stiftung wieder errichtet und ein Jahr später mit der Frankfurter Hochschulstiftung, die u. a. aus der Georg-Speyer-Stiftung hervorgegangen war, zur „Georg und Franziska Speyer’schen Hochschulstiftung“ verschmolzen.

  • Literatur

    B. Baer, Stammtafeln d. Fam. S., 1896;
    A. Dietz, Stammbuch d. Frankfurter Juden, Geschichtl. Mitt. über d. Frankfurter jüd. Familien v. 1349–1849, 1907;
    Bruno Müller, Stiftungen f. Frankfurt am Main, 1958;
    Bibliogr. z. Gesch. d. Frankfurter Juden 1781–1941, bearb. v. H.-O. Schembs, 1978;
    Jüd. Stiftungen in Frankfurt am Main, dargest. v. G. Schiebler, 1988;
    H.-O. Schembs, Georg u. Franziska S., Stifter u. Mäzene f. Frankfurt a. M., 2001;
    Frankfurter Biogr. (P zu Georg, Franziska u. Wilhelm): – Qu zu Wolf Daniel (Wilhelm) Speier u. Otto Speier: Nachlaß im Inst. f. Stadtgesch., Frankfurt/M.

  • Porträts

    P zu Wolf Daniel (Wilhelm) Speier : Photogr., um 1860 (Frankfurt/M., Inst. f. Stadtgesch.);
    zu Ge-org:
    Ölgem. v. O. Begas, 1873 (ebd., Georg-Speyer-Haus);
    Photogr., um 1900 (ebd., Inst. f. Stadtgesch.);
    zu Franziska:
    Ölgem. v. O. Begas, 1872 (ebd., Georg-Speyer-Haus);
    Photogr. v. A. Krauth, Abb. in: Frankfurter Bildnisse I, 1910.

  • Autor/in

    Ulrich Eisenbach
  • Zitierweise

    Eisenbach, Ulrich, "Speyer" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 674-676 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd1020733403.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA