Lebensdaten
1906 – 1988
Geburtsort
Novoselica (Bukowina, heute Nowoselyzja, Ukraine)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Widerstandskämpferin ; Journalistin ; Politikerin
Konfession
jüdisch, seit 1928 konfessionslos
Normdaten
GND: 1202456960 | OGND | VIAF
Namensvarianten
  • Spiegel, Ottilie Sali
  • Spiegel-Marek, Tilly
  • Spiegel, Tilly
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Zitierweise

Spiegel, Tilly, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1202456960.html [29.04.2024].

CC0

  • Tilly Spiegel engagierte sich seit 1935 gegen das austrofaschistische Regime und leistete seit spätestens Januar 1942 im Rahmen der französischen Résistance Widerstand gegen das NS-Regime. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat sie journalistisch hervor und beteiligte sich ehrenamtlich am Aufbau des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes.

    Lebensdaten

    Geboren am 10. Dezember 1906 in Novoselica (Bukowina, heute Nowoselyzja, Ukraine)
    Gestorben am 15. Juli 1988 in Wien
    Grabstätte Zentralfriedhof in Wien
    Konfession jüdisch, seit 1928 konfessionslos
    Tilly Spiegel, DÖW (InC)
    Tilly Spiegel, DÖW (InC)
  • Lebenslauf

    10. Dezember 1906 - Novoselica (Bukowina, heute Nowoselyzja, Ukraine)

    1918 - Wien-Ottakring

    Flucht der Familie aufgrund des Ersten Weltkriegs aus Galizien

    1918 - 1921 - Wien

    Schulbesuch

    dreiklassige Bürgerschule

    1921 - 1925 - Wien-Leopoldstadt

    Besuch

    Handelsakademie für Mädchen

    1923

    österreichische Staatsbürgerin

    1925 - 1933 - Wien

    Angestellte; Turnlehrerin

    1926/27

    Mitglied

    Kommunistischer Jugendverband

    ca. 1927 - ca. 1970

    Mitglied

    Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)

    1933 - Wien

    Kooptierung in die KPÖ-Stadtleitung

    KPÖ

    1935 - 1936 - Wien; Wiener Neudorf

    Verhaftung und Inhaftierung aufgrund des Verteilens kommunistischer Flugblätter

    Gefängnis Rossauer Lände Wien; später k. k. Weiberstrafanstalt Wiener Neudorf

    1937 - Paris; Frankreich

    Aufenthalt

    1937 - Mai 1938 - St. Gallen

    Inhaftierung wegen Hilfe für die Spanische Republik; Verurteilung und Haft

    Mai 1938 - 1940 - Paris

    Flucht; Mitarbeiterin

    Cercle Culturel Autrichien

    September 1939 - Juni 1940

    politisch Verantwortliche für die Parteiarbeit in Frankreich

    KPÖ

    1940 - Lyon

    Übersiedlung

    Januar 1942 - August 1944 - Paris

    Übersiedlung; Widerstandskämpferin

    Travail allemand

    1942 - Nancy; später Lille (beide Frankreich)

    Übersiedlung

    August 1944 - Fresnes bei Paris

    Inhaftierung; Todesurteil; Befreiung

    Militärgefängnis

    1944 - 1945 - Paris

    Mitglied

    Comité Directeur des Front national autrichien

    1945 - Wien

    Übersiedlung

    1945 - 1953 - Wien

    Mitglied

    Landesleitung der KPÖ

    1945 - 1969 - Wien

    Journalistin

    (Österreichische) Volksstimme (KPÖ-Zeitung); Weg und Ziel. Monatsschrift für Theorie und Praxis des Marxismus-Leninismus

    1953 - 1955 - Wien

    Redakteurin

    Radio Wien

    1960er Jahre - Wien

    ehrenamtliche Mitarbeiterin

    Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

    15. Juli 1988 - Wien
  • Genealogie

    Vater Karl Chaim Spiegel 1880–1942 Kaufmann; Holocaustopfer, gest. im Ghetto Izbica oder in Włodawa bei Lublin (Polen)
    Mutter Hilde (Hilda) Spiegel, geb. Gelbard 1883–1942 Hausfrau; Holocaustopfer, gest. im Ghetto Izbica oder in Włodawa bei Lublin (Polen)
    Schwester Betty Spiegel geb. 1909 emigrierte nach Großbritannien
    Schwester Antonie Spiegel geb. 1910 Angestellte; emigrierte nach Großbritannien
    Schwester Dina Spiegel geb. 1912
    Bruder Hermann Spiegel geb. 1914 Zahntechniker; emigrierte in die USA
    Bruder Leo Spiegel geb. 1920 Kaufmann
    1. Heirat 14.5.1947 in Wien
    Ehemann Franz Marek (geborener Efraim Feuerlicht) 18.4.1913–28.6.1979 aus Przemyśl (Galizien, heute Polen); jüdisch; Journalist, Autor, Politiker, Widerstandskämpfer
    Schwiegervater Herman (Hersch) Feuerlicht geb. 8.12.1879 aus Galizien; meist arbeitslos; emigrierte im März 1939 nach Palästina
    Schwiegermutter Rosa Feuerlicht, geb. Rachel Engelberger geb. 24.2.1883 aus Buczacz (Galizien, heute Ukraine); Hausfrau; emigrierte im März 1939 nach Palästina
    Scheidung 1974
    Kinder keine
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    Spiegel, Tilly (1906 – 1988)

    • Vater

      Karl Spiegel

      1880–1942

      Kaufmann; Holocaustopfer, gest. im Ghetto Izbica oder in Włodawa bei Lublin (Polen)

    • Mutter

      Hilde Spiegel

      1883–1942

      Hausfrau; Holocaustopfer, gest. im Ghetto Izbica oder in Włodawa bei Lublin (Polen)

    • Schwester

      Betty Spiegel

      geb. 1909

      emigrierte nach Großbritannien

    • Schwester

      Antonie Spiegel

      geb. 1910

      Angestellte; emigrierte nach Großbritannien

    • Schwester

      Dina Spiegel

      geb. 1912

    • Bruder

      Hermann Spiegel

      geb. 1914

      Zahntechniker; emigrierte in die USA

    • Bruder

      Leo Spiegel

      geb. 1920

      Kaufmann

    • 1.·Heirat

      in

      Wien

      • Ehemann

        Franz Marek

        18.4.1913–28.6.1979

        aus Przemyśl (Galizien, heute Polen); jüdisch; Journalist, Autor, Politiker, Widerstandskämpfer

  • Biografie

    Spiegel siedelte infolge des Ersten Weltkriegs mit ihrer Familie Ende 1918 nach Wien über, wo sie von 1921 bis 1925 die Handelsakademie für Mädchen besuchte und sich seit 1926/27 im Kommunistischen Jugendverband engagierte. Zur selben Zeit schloss sie sich der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) an, in der sie seit Anfang der 1930er Jahre als Bezirksleiterin, seit 1933 als Mitglied der KPÖ-Stadtleitung eine wichtige Rolle spielte. Nach dem Verbot ihrer Partei durch das austrofaschistische Regime wurde Spiegel aufgrund des Verteilens kommunistischer Schriften von Februar 1935 bis Dezember 1936 inhaftiert, 14 Monate davon verbrachte sie im „schweren Kerker“. Anschließend ging sie für kurze Zeit nach Paris, wo sie als Turnlehrerin tätig war.

    Im Dezember 1937 siedelte Spiegel in die Region zwischen Vorarlberg und der Schweiz über, um den Grenzübertritt von Freiwilligen zu organisieren, die im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Truppen General Francisco Francos (1892–1975) kämpfen wollten. Wegen dieser illegalen Tätigkeit wurde sie im Dezember desselben Jahres festgenommen und bis Mai 1938 in St. Gallen inhaftiert. Nach ihrer Haftentlassung floh Spiegel, die als Kommunistin jüdischer Herkunft durch den nationalsozialistischen „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 besonders bedroht war, nach Paris. Hier engagierte sie sich in der Flüchtlingshilfe, v. a. im Rahmen des von Marie von Frischauf (1892–1966) gegründeten und geleiteten Cercle Culturel Autrichien, und lernte u. a. ihren späteren Ehemann Franz Marek (1913–1979) kennen.

    Direkt nach Beginn des Zweiten Weltkriegs avancierte Spiegel im September 1939 innerhalb der KPÖ zur politischen Verantwortlichen für die Parteiorganisation in Frankreich und blieb bis zum Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich im Juni 1940 in dieser Funktion. Infolge des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion im Juni 1941 schloss sich Spiegel der Résistance-Gruppierung „Travail allemand“ (TA) an, die u. a. zum Ziel hatte, Informationen von Wehrmachtssoldaten zu erhalten und diese durch Agitation zu einer Abkehr vom NS-Regime zu bewegen. Innerhalb des TA stieg Spiegel im Januar 1942 zur interregionalen Instrukteurin („Inter“) auf. In dieser Funktion organisierte sie die Herstellung von an Wehrmachtssoldaten heimlich verteilten Flugblättern, hielt u. a. Verbindungen zu in deutsche Dienststellen eingeschleusten Résistance-Kämpfern sowie zu den Leitungen der TA, die regionale Zentralen in Brüssel, Paris und Lyon aufgebaut hatten, und arrangierte Verstecke für Deserteure. Am 11. August 1944 wurde Spiegel mit Marek durch die Gestapo aufgegriffen, in das Militärgefängnis Fresnes bei Paris verbracht und dort zum Tode verurteilt; die kurz darauf erfolgte Befreiung der Stadt durch alliierte Truppen verhinderte die Vollstreckung des Urteils.

    Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Spiegel nach Wien zurück, erlangte innerhalb der KPÖ aber keine führende Position mehr. In den 1940er bis 1960er Jahren engagierte sie sich u. a. für die KPÖ-Tageszeitung „(Österreichische) Volksstimme“ und für das von Marek redigierte Parteiorgan „Weg und Ziel“ sowie von Oktober 1953 bis Ende 1955 als Redakteurin bei Radio Wien. In Reaktion auf die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch Truppen des Warschauer Pakts legte Spiegel um 1970 ihre KPÖ-Mitgliedschaft nieder und konzentrierte sich in der Folgezeit ganz auf ihre Arbeit für das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Ihre wichtigsten Aufgabengebiete waren anfänglich die Ersterschließung der DÖW-Archivalien sowie die Erhebung von Oral History-Interviews. Im Rahmen des DÖW verfasste sie zwei Überblicksdarstellungen über österreichische Staatsbürger in der belgischen und französischen Résistance sowie über österreichische Widerstandskämpferinnen im Allgemeinen.

  • Auszeichnungen

    1975 Goldenes Verdienstzeichen der Republik Österreich
  • Quellen

    Nachlass:

    Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien, 21.222.

    Weitere Archivmaterialien:

    Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien, Interview-Nr. 146 (Interview mit Spiegel v. 25.4.1984); Nr. 2616 (Schilderung der Tätigkeit österreichischer Widerstandskämpfer in Frankreich u. Belgien 1940–1945 sowie Aufschlüsselung für Yad Vashem über österreichische Juden, 1956); Nr. 5 458 (Bericht der Staatsanwaltschaft Wien in der Strafsache gegen Julius Donner, Ottilie Spiegel u. Heinrich Lenhofer v. 28.9.1935); Nr. 6 034 (BKA/Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit betr. die Erhebungen gegen Ottilie Spiegel, Julius Donner u. Heinrich Lenhofer, Oktober 1935).

    Zentrales Parteiarchiv der Kommunistischen Partei Österreichs, Wien. (Fragebogen Spiegels v. 18.3.1952)

    Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, Akt C.29/A116-37.167 P. (Vernehmung Spiegels v. 16.12.1937)

    Staatsarchiv St. Gallen, G3.11.2. (Urteil des Bezirksgerichts Unterrheintal in der Strafsache Foscht u. Spiegel, 11.2.1938).

    Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Bestand Jerusalem, AW 2590, 205. (Auswanderungsfragebogen Karl Chaim Spiegels v. 14.6.1938)

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, SgY 30/1400/34, Bl. 34–46. (Niederschrift des mündlichen Berichts Franz Mareks v. 15.10.1959)

    Gedruckte Quellen:

    Tilly Spiegel, Die Diskussion in der KP Österreichs. Leserbrief aus „Weg und Ziel“, in: Günther Hillmann, Selbstkritik des Kommunismus. Texte der Opposition, 1967, S. 217–220.

  • Werke

    Österreicher in der französischen Widerstandsbewegung, in: Internationale Hefte der Widerstandsbewegung 2 (1960), H. 4, S. 42–55.

    Frauen und Mädchen im österreichischen Widerstand, 1967.

    Österreicher in der französischen und belgischen Résistance, 1969.

  • Literatur

    Helmut Kopetzky, Die andere Front. Europäische Frauen in Krieg und Widerstand 1939 bis 1945, 1983, S. 110–118 u. 226.

    Max Graf/Sarah Knoll (Hg.), Franz Marek. Lebenserinnerungen und Schlüsseltexte, 2017, S. 143, 148 u. 178.

    Ina Markova, Tilly Spiegel. Eine politische Biografie, 2019. (P)

  • Onlineressourcen

  • Autor/in

    Ina Markova (Wien)

  • Zitierweise

    Markova, Ina, „Spiegel, Tilly“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/1202456960.html#dbocontent

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