Meyer, Adolf
Meyer, Adolf
1866 – 1950
Psychiater
- Lebensdaten
- 1866 – 1950
- Geburtsort
- Niederweningen (Kanton Zürich)
- Sterbeort
- Baltimore (Maryland, USA)
- Beruf/Funktion
- Psychiater
- Konfession
- evangelisch-reformiert
- Normdaten
- GND: 119001403 | OGND | VIAF: 66550029
- Namensvarianten
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- Meyer, Adolf
- Meyer, Adolph
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Adolf Meyer zählt aufgrund seiner psychobiologischen Lehre und seiner Verdienste um den Aufbau der Klinischen Psychiatrie zu den einflussreichsten Psychiatern des 20. Jahrhunderts in den USA. Er bevorzugte empirisch-pragmatische und eklektische Ansätze, die biologische und psychologische Faktoren bei der Diagnose und Behandlung psychiatrischer Störungen berücksichtigten.
Lebensdaten
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Lebenslauf
13. September 1866 - Niederweningen (Kanton Zürich) -
Genealogie
Vater Rudolf Meyer 1836–1889 Pfarrer Großvater väterlicherseits Rudolf Meier 18.7.1790–1.10.1870 Mutter Anna Meyer, geb. Walder verst. 1912 Bruder Hermann Meyer geb. ca. 1873 Schwester Anna Huppi, geb. Meyer 1865–1891 Heirat 15.9.1902 in Clinton (Connecticut, USA) Ehefrau Mary Potter Meyer, geb. Brooks 9.9.1877–12.1.1967 aus Newburgh (New York, USA); verst. in Baltimore (Maryland, USA) Schwiegervater Thomas Benton Brooks 15.6.1836–22.11.1900 aus Monroe (New York, USA) Schwiegermutter Hannah Brooks, geb. Hulse 25.1.1837–6.7.1883 aus Monroe Tochter Julia Lathrop Ascher, geb. Meyer 14.2.1916–1989 aus Baltimore; verst. in Rockford (Illinois, USA) Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.Meyer, Adolf (1866 – 1950)
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Vater
Rudolf Meyer
1836–1889
Pfarrer
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Großvater väterlicherseits
Rudolf Meier
18.7.1790–1.10.1870
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Mutter
Anna Meyer
verst.·1912
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Bruder
Hermann Meyer
geb. ca.·1873
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Schwester
Anna Huppi
1865–1891
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Heirat
in
Clinton (Connecticut, USA)
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Ehefrau
Mary Potter Meyer
9.9.1877–12.1.1967
aus Newburgh (New York, USA); verst. in Baltimore (Maryland, USA)
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Biografie
Meyer besuchte von 1882 bis 1885 die Kantonsschule in Zürich. Nach der Maturitätsprüfung studierte er Medizin an der Universität Zürich, wo er 1892 bei August Forel (1848–1931) mit einer Arbeit über das Vorderhirn von Reptilien zum Dr. med. promoviert wurde. Während seines Studiums begeisterte er sich für die darwinistischen Ideen Thomas Huxleys (1825–1895) und John Hughlings Jacksons (1835–1911), die das Nervensystem evolutionär in einem dynamischen Austausch mit seiner Umwelt deuteten. Es folgte eine Studienreise über Paris, London, Edinburgh und Wien nach Berlin, ehe er 1892 in die USA ging. Dort erweiterte er seine neuropathologische Ausbildung um Ideen führender Vertreter des US-amerikanischen Pragmatismus, wie etwa Charles S. Pierce (1839–1914), William James (1842–1910) und John Dewey (1859–1952).
Seit 1893 war Meyer Dozent für Neurologie an der University of Chicago (Illinois, USA) und Pathologe im Illinois Eastern Hospital for the Insane in Kankakee (Illinois, USA). 1895 wurde er Direktor für Klinische und Laborarbeit und Dozent für Psychiatrie an dem Worcester State Lunatic Asylum bzw. der Clark University in Worcester (Massachusetts, USA). Von 1902 bis 1910 arbeitete er als Direktor des Pathological Institute des New York State Hospital und zugleich seit 1904 als Professor für Psychiatrie am Medical College der Cornell University in New York City. Hier und in Massachusetts bemühte er sich erfolgreich um den Ausbau des staatlichen Anstaltswesens und um die Etablierung der Psychiatrie als klinische Wissenschaft. Meyer fungierte in den USA als wichtiger Vermittler für die Ideen deutschsprachiger Psychiater – zuerst Emil Kraepelins (1856–1926), später Sigmund Freuds (1856–1939) –, wobei er beide als zu einseitig kritisierte. 1909 erhielt er die Stelle als Direktor der Henry Phipps Psychiatric Clinic an der Johns Hopkins University in Baltimore (Maryland, USA).
Meyer entwickelte seine als Psychobiologie bezeichnete Lehre als Antwort auf die neuropsychiatrische Forschungsausrichtung in den 1880er Jahren, die v. a. pathoanatomische und cerebrophysiologische Ansätze verfolgte. Meyer befürwortete für eine möglichst umfassende Berücksichtigung aller lebensgeschichtlichen Phänomene in Verbindung mit physiologischen und biologischen Daten. Nach Meyer ist die Psyche ein evolutionär entstandenes Adaptionsinstrument, das aus der dynamischen Interaktion des menschlichen Organismus mit seiner Umwelt hervorgegangen ist. Psychische Erkrankungen erfolgen demnach aus Fehlleistungen innerhalb dieses Adaptionsinstruments. Krankheitsursachen seien daher nicht allein in histologisch feststellbaren Abweichungen, sondern auch in den Verhaltensweisen und Lebenserfahrungen individueller Patienten zu suchen.
Meyers Psychobiologie war als Krankheitslehre für die psychiatrische Praxis wichtig. Da man psychische Störungen von den Lebensproblemen der Patienten her verstand, setzte Meyer sog. Life Charts ein, die entscheidende Lebensereignisse mit somatischen Daten über die Entwicklung einzelner Organsysteme biologisch-integrativ verbanden, um das Individuum als Ganzes in einer Life Curve zu dokumentieren. Meyers Verwendung von Life Charts diente auch dazu, die Lücke zwischen natur- und humanwissenschaftlicher Methodik zu schließen. Zugleich ermöglichte sie eine Ausdehnung psychiatrischer Arbeit auf sozial- und psychohygienische Handlungsfelder, da sein medizinisches Modell einer psychobiologischen Fehlanpassung therapeutische und prophylaktische Aufgaben der Psychiatrie in Maßnahmen zur sozialen Anpassung und Rehabilitation umdefinierte.
Meyers Psychobiologie blieb nicht unwidersprochen, da sein Verständnis von psychischen Störungen als maladaptiven Reaktionsmuster der um 1900 populärer werdenden Idee von spezifischen natürlichen Krankheitsentitäten widersprach. Sein integrativer, aber profilarmer Eklektizismus erzeugte innere konzeptionelle Ungereimtheiten, die er nicht aufklären konnte. Gleichwohl war Meyer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der wohl einflussreichste Psychiater in den USA. Seine Schüler, u. a. Stanley Cobb (1887–1968), Leo Kanner (1894–1981) und Phyllis Greenacre (1894–1989), besetzten zahlreiche Lehrstühle, womit der Einzug der medizinischen Psychotherapie in die akademische Psychiatrie entscheidend angebahnt wurde.
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Auszeichnungen
1901 LL. D., Universität Glasgow 1908- Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Journal of Comparative Neurology 1909 LL. D., Clark University Worcester (Massachusetts, USA) 1910 Harvey Lecturer, The Harvey Society, New York City 1927 Mitglied der Leopoldina 1929- Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Archives of Neurology and Psychiatry 1932 Inaugural Thomas William Salmon Memorial Lecturer, New York Academy of Medicine 1933 Maudsley Lecturer, Royal Medico-Psychological Association, London 1934 Sc. D., Yale University, New Haven (Connecticut, USA) 1942 Sc. D., Harvard University, Cambridge (Massachusetts, USA) 1949 korrespondierendes Mitglied der British Medical Association 1957 Adolf Meyer Award der American Psychopathological Association Mitglied der New York Psychiatric Society (1905–1907 Präsident) Mitglied der New York Academy of Sciences (1908 Vizepräsident) Mitglied der American Psychopathological Association (1912 u. 1916 Präsident) Mitglied der American Neurological Association (1922 Präsident) Mitglied der American Psychiatric Association (1927/28 Präsident) Mitglied der American Psychological Association (Präsident) Mitglied des International Committee for Mental Hygiene (1937 Präsident) Ehrenmitglied der Boston Society of Psychiatry and Neurology Mitglied der American Association for the Advancement of Science -
Quellen
Nachlass:
The Alan Mason Chesney Medical Archives, Baltimore (Maryland, USA), Adolf Meyer Collection. (weiterführende Informationen)
Ruth Leys (Hg.), The Adolf Meyer Archive. A Guide to the Collection, 1980. (Onlineressource)
Gedruckte Quellen:
Ruth Leys/Rand B. Evans (Hg.), Defining American Psychology. The Correspondence between Adolf Meyer and Edward Bradford Titchener, 1990.
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Werke
Werkeditionen:
Alfred Lief (Hg.), The Commonsense Psychiatry of Dr. Adolf Meyer. Fifty-Two Selected Papers, 1948.
Eunice E. Winters (Hg.), The Collected Papers of Adolf Meyer, 4 Bde., 1950/51. (W, P)
Monografien:
Über das Vorderhirn einiger Reptilien, 1892. (Diss. med.)
Psychobiology. A Science of Man, 1957.
Aufsätze:
A Review of Recent Problems of Psychiatry, in: Archibald Church/Frederick Peterson (Hg.), Nervous and Mental Diseases, 41903, S. 650–688.
Aftercare and Prophylaxis, in: State Hospitals Bulletin N. F. 1 (1908/09), S. 631–653.
Modern Psychiatry. Its Possibilities and Responsibilities, in: State Hospitals Bulletin N. F. 2 (1909/10), S. 323–357.
Pathopsychology and Psychopathology, in: Psychological Bulletin 9 (1912), S. 129–145.
The Treatment of Paranoic and Paranoid States, in: William A. White/Smith Ely Jelliffe (Hg.), Modern Treatment of Nervous and Mental Diseases, Bd. 1, 1913, S. 614–661.
The Life Chart and the Obligation of Specifying Positive Data in Psychopathological Diagnosis, in: William H. Welch (Hg.), Contributions to Medical and Biological Research, Bd. 2, 1919, S. 1128–1133.
Genetisch-dynamische Psychologie versus Nosologie, in: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie 101 (1926), S. 406–427.
Thirty-Five Years of Psychiatry in the United States and our Present Outlook, in: American Journal of Psychiatry 85 (1928/29), S. 1–31.
Organization of Community Facilities for Prevention, Care, and Treatment of Nervous and Mental Diseases, in: Proceedings of the First International Congress on Mental Hygiene, Bd. 1, 1932, S. 237–257.
The Psychobiological Point of View, in: Madison Bentley/Edmund Vincent Cowdry (Hg.), The Problem of Mental Disorder, 1934, S. 51–70.
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Literatur
Monografien und Aufsätze:
Theodore Lidz, Adolf Meyer and the Development of American Psychiatry, in: American Journal of Psychiatry 123 (1966), H. 3, S. 320–331.
Gerald N. Grob, The State and the Mentally Ill. A History of Worcester State Hospital in Massachusetts, 1830–1850, 1966, S. 271–316.
Ruth Leys, The Correspondence between Adolf Meyer and E. B. Titchner, in: dies./Rand B. Evans (Hg.), Defining American Psychology. The Correspondence Between Adolf Meyer and Edward Bradford Titchener, 1990, S. 58–114.
Ruth Leys, Types of One. Adolf Meyer’s Life Chart and the Representation of Individuality, in: Representations 34 (1991), S. 1–28.
Susan D. Lamb, Pathologist of the Mind. Adolf Meyer and the Origins of American Psychiatry, 2014.
Lexikonartikel:
Vincent Barras, Art. „Adolf Meyer“, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2010. (Onlineressource)
Burkhart Brückner/Robin Papein, Art. „Meyer, Adolf“, in: Biographisches Archiv der Psychiatrie, 2022. (Onlineressource) (P)
Nachrufe:
Oskar Diethelm, In Memoriam. Adolf Meyer, M.D. 1866–1950, in: American Journal of Psychiatry 107 (1950), H. 1, S. 79 f.
Franklin G. Ebaugh, Memorial to Past President: Adolf Meyer, M.D., 1866–1950, in: ebd., H. 4, S. 288–290.
Walter Riese, Adolf Meyer (1866–1950), in: Journal of Nervous and Mental Diseases 113 (1951), S. 89–91. (P)
N. N., Professor Adolf Meyer, in: British Medical Journal 25 (1950), S. 732–734. (P)
Thomas Rennie, Adolf Meyer, in: Psychosomatic Medicine 12 (1950), S. 71 f.
Alan Chesney, Adolf Meyer, in: Transactions of the Association of American Physicians 63 (1950), S. 9 f.
Leland W. Crafts, Adolf Meyer. 1866–1950, in: American Journal of Psychology 63 (1950), H. 4, S. 620–622.
John C. Whitehorn/Jerzy E. Rose/Wendell S. Muncie/Franklin G. Ebaugh/Alexander H. Leighton, Adolf Meyer 1866–1950, in: Bulletin of the Johns Hopkins Hospital 89 (1951), S. 53–80. (P)
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Porträts
Fotografie, Adolf Meyer Collection, The Alan Mason Chesney Medical Archives, Baltimore (Maryland, USA).
Fotografie, National Library of Medicine, Bethesda (Maryland, USA). (Onlineressource)
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Autor/in
→Eric J. Engstrom (Berlin)
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Zitierweise
Engstrom, Eric J., „Meyer, Adolf“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/119001403.html#dbocontent