Kleine, Friedrich Karl
- Lebensdaten
- 1869 – 1951
- Geburtsort
- Stralsund
- Sterbeort
- Johannesburg (britisches Dominion, heute Südafrika)
- Beruf/Funktion
- Tropenmediziner
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 11621306X | OGND | VIAF
- Namensvarianten
-
- Kleine, Friedrich Karl Bertold
- Kleine, Friedrich Carl Bertold
- Kleine, Friedrich Karl
- Kleine, Friedrich Karl Bertold
- Kleine, Friedrich Carl Bertold
- Kleine, Friedrich Carl
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Kleine, Friedrich Karl (Carl) Bertold
1869 – 1951
Tropenmediziner
Der Mediziner Friedrich Karl Kleine war seit 1900 Mitarbeiter Robert Kochs (1843–1910) und 1933/34 Präsident des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“. Im Rahmen seiner Schlafkrankheitsforschung klärte er den Entwicklungszyklus der Trypanosomen in der Tsetse-Fliege (1909) und erprobte seit 1921 in afrikanischen Ländern mit Bayer 205 – auch als Germanin bezeichnet – das erste wirksame Medikament.
Lebensdaten
Friedrich Karl Kleine, Bayer AG (InC) -
Autor/in
→Marion Hulverscheidt (Kassel)
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Zitierweise
Hulverscheidt, Marion, „Kleine, Friedrich Karl“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/11621306X.html#dbocontent
Nach dem Tod der Eltern übernahm der Direktor des von Kleine besuchten Gymnasiums die Vormundschaft. 1892 erhielt Kleine das Abitur, leistete anschließend Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger und studierte ab 1893 Medizin an der Universität in Halle an der Saale. Im Anschluss an die Approbation und Promotion zum Dr. med. mit einem pharmakologischen Thema 1895 trat Kleine 1896 erneut in den aktiven Heeressanitätsdienst über und wurde Assistenzarzt am Laboratorium für medizinische Chemie und experimentelle Pharmakologie in Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland), sodann wieder in Halle an der Saale am Pharmakologischen Institut. Seit 1897 war er als Oberarzt an der Medizinischen Universitätsklinik Kiel unter Professor Heinrich Quincke (1842–1922) eingesetzt. Seit 1900 wurde Kleine an das Preußische Institut für Infektionskrankheiten abgeordnet, wo er der klinischen Abteilung in den Krankenbaracken auf dem Gelände der Charité als Oberarzt vorstand und 1901 zum Stabsarzt befördert, mit der Leitung der Infektionsabteilung betraut wurde.
Kleine begleitete Robert Koch (1843–1910) auf Expeditionen nach Rhodesien (britische Kolonie, heute Simbabwe) und Deutsch-Ostafrika (deutsche Kolonie, heute Tansania, Burundi, Ruanda), um Tierseuchen (1903/04) und die Schlafkrankheit (1906/07) zu erforschen. Seit 1908 leitete er deren Bekämpfung in Tanganjika (Deutsch-Ostafrika, heute Tansania) und erforschte dazu Erreger und Überträger. 1909 gelang ihm der Nachweis, dass die Trypanosomen in der Tsetse-Fliege eine Entwicklung durchlaufen; somit ist die Fliege nicht nur Überträger, sondern auch Wirt der Trypanosomen.
Während des Ersten Weltkriegs wirkte Kleine als Chefarzt der kaiserlichen Schutztruppe auf Befehl des Gouverneurs in Kamerun und war für die Gesundheit und Hygiene der deutschen Schutztruppe und der Askaris verantwortlich. Von 1916 bis 1919 war er auf Fernando Póo (spanische Kolonie, heute Bioko, Äquatorialguinea) und in Spanien interniert. Seit 1920 Leiter der Abteilung für Parasitologie am Preußischen Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“, erprobte Kleine in den 1920er Jahren für die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co ein Mittel gegen die Schlafkrankheit bei Menschen und Rindern. Das Bayer 205, später Germanin genannte und heute als Suranim bezeichnete Mittel war das erste wirksame Medikament gegen eine Tropenkrankheit und ist noch immer im Einsatz. 1924 wurde er zum Honorarprofessor an der Universität Berlin ernannt. Kleines internationale Reputation ermöglichte ihm die Mitgliedschaft in der Schlafkrankheitskommission der Hygienekommission des Völkerbunds in einer Zeit, als Deutschland noch nicht Mitglied dieser Organisation war.
Kleine war von der Wirksamkeit des Völkerbunds überzeugt und bis 1933 Mitglied des Völkerbundausschusses zur Schlafkrankheit. Seine Haltung zum nationalsozialistischen Regime ist aufgrund der mangelhaften Quellenlage ungeklärt. 1933/34 war er zunächst stellvertretender und dann Präsident des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“. In dieser Funktion unterzeichnete Kleine die Kündigungsschreiben für die jüdischen Mitarbeiter des Instituts, noch vor Inkrafttreten des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ und stellte ihnen Zeugnisse und Empfehlungsschreiben aus, um ihnen wissenschaftliches Arbeiten im Ausland zu ermöglichen. Zwischen 1934 und 1939 forschte er immer wieder am Research Institute Onderstepoort bei Pretoria (britisches Dominion, heute Südafrika) und unternahm Forschungsreisen durch Afrika.
Kleine, der in Ostafrika Land erworben hatte, plante 1937 erfolglos seine Übersiedlung dorthin. Zwischen 1939 und 1945 lebte er als Pensionär in Berlin; der Beginn des Zweiten Weltkriegs machte geplante Reisen nach Ostafrika unmöglich. Während des „Dritten Reichs“ wurde Kleines Person und Arbeit propagandistisch instrumentalisiert. Der von Hellmuth Unger (1891–1953) verfasste Roman „Germanin – Geschichte einer deutschen Großtat“ (1938), der sich auf die Behandlung der Schlafkrankheit beim Menschen konzentriert und Kleines Forschungen zu Tierkrankheiten negiert, diente als Vorlage für den Durchhaltefilm „Germanin“ (1943). Kleine ließ sich von der UFA zusichern, dass sein Name nicht für Vermarktungszwecke verwendet wurde und er keinen inhaltlichen Einfluss auf den Film genommen hatte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligte sich Kleine ohne besoldete Stelle am Wiederaufbau des Robert Koch-Instituts. 1947 zog er mit seiner Ehefrau nach Johannesburg (britisches Dominion, heute Südafrika) und erhielt auf Vermittlung von Alexander Orenstein (1879–1972) als einer der ersten deutschen Wissenschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg wegen seiner Verdienste um das Gesundheitswesen eine permanente Aufenthaltserlaubnis.
Kleine, der auch zu Tierkrankheiten wie Nagana und Pferdesterbe forschte, wirkte sowohl in der Human- wie Veterinärmedizin und bearbeitete damit zwei wirtschaftlich wichtige Felder für Kolonial- und Lokalmächte. Obwohl er kein schulbildender Lehrer war, kann Max Taute (1878–1934) als sein Schüler bezeichnet werden.
1908 | Königliche Krone zum Roten Adlerorden IV. Klasse |
1925 | Bernhard Nocht-Medaille für Tropenmedizin |
1924 | Honorarprofessor, Universität Berlin |
1924 und 1926 | Nominierung für den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin |
1925 | Mitglied der Internationalen Kommission zur Erforschung der Schlafkrankheit des Völkerbunds |
1926 und 1937 | Vorschlagsrecht für den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin |
1926 | Bandverleihung des Corps Normannia, Halle an der Saale |
1928 | Dr. med. vet. e. h., Tierärztliche Hochschule Hannover |
1929 | Dr. med. h. c., Universität Kairo |
1934 | Ehrenmitglied des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“, Berlin (seit 1942 Robert Koch-Institut) |
1939 | Adlerschild des Deutschen Reichs |
Nachlass-Splitter:
Archiv des Robert Koch-Instituts, Berlin.
Weitere Archivmaterialien:
Unternehmensarchiv der Bayer AG, Leverkusen, 19/A. 69 (Forschungsexpedition), 166/8: Germanin/Bayer 205 (Fotoalbum von der Afrika-Expedition) u. 166/8: Kleine, Friedrich-Karl. (Expeditionsbericht vom 4. März 1922)
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Rep. 76 VIII B, 2921 u. Rep. 76, VIII, Nr. 4117–4123. (Akten zur Erforschung der Schlafkrankheit, 1902–1912)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 86/5838 (Handakten Stabsarzt Kleine), R 86/2632 (Akten zur Schlafkrankheitsbekämpfung, 1913), R 1001/5876–5882 (Forschung zur Schlafkrankheit), R 1001/5885 (Konferenzteilnahme), R 1001/5889–5990 (Akten zu Kochs Expedition), R 1001/5891 (Studienreise), R 1001/5894–5922 (Expeditionsunterlagen, 1903–1938) u. R 1001/6055. (Germanin)
Gedruckte Quelle:
Friedrich Karl Kleine, Ein deutscher Tropenarzt. Einführung von Herbert Kunert, 1949.
Über die Beeinflussung der Stoffwechselwirkungen des Chloralhydrats durch kohlensaures Natrium, 1895. (Diss. med.)
Die Ergebnisse der Forschungen Robert Kochs über das Küstenfieber der Rinder und über die Pferdesterbe gelegentlich seiner letzten Expedition nach Südafrika, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 31 (1905), H. 23, S. 912–915.
Über den bisherigen Verlauf der deutschen Expedition zur Erforschung der Schlafkrankheit in Ostafrika, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 32 (1906), H. 51, S. 509–524.
Untersuchungen über die Ätiologie der Schlafkrankheit, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 35 (1909), H. 29, S. 1257–1260, als Summary abgedruckt in englischer Übersetzung in: Sleeping Sickness Bulletin 9 (1909), S. 321–323.
Friedrich Karl Kleine/Walter Fischer, Die Rolle der Säugetiere bei der Verbreitung der Schlafkrankheit und Trypanosomenbefunde bei Säugetieren am Tanganjikasee, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 70 (1911), S. 1–23.
Zur angeblichen Identität des Tr. brucei und Tr. rhodesiense, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 77 (1914), S. 184–187.
Friedrich Karl Kleine/Walter Fischer, II. Bericht über die Prüfung von „Bayer 205“ in Afrika, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 49 (1923), H. 23, S. 1039–1041.
Friedrich Karl Kleine/Lucian van Hoof/Lyndhurst Duke, Rapport Final de la Commission international de las Société des Nations pour l’étude de la Trypanosomiase Humaine, 1928. (unveröff., United Nations Library and Archives, Genf, File 765964) (Onlineressource)
Zur Erinnerung an Robert Kochs Entdeckung des Tuberkelbazillus, in: Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 30 (1933), S. 385 f.
Remarks on Sleeping Sickness, in: Journal South African Veterinary Medical Association 7 (1936), H. 4, S. 204–210.
Studienreise nach Süd- und Ostafrika im Jahre 1936–37, in: Beiträge zur Kolonialforschung 6 (1944), S. 98–106.
Ärztliche Forschungsreisen in Afrika, in: Deutsche tropenmedizinische Zeitschrift 48 (1944), S. 244–261.
Werkverzeichnisse:
Friedrich Karl Kleine, Ein deutscher Tropenarzt. Einführung von Herbert Kunert, 1949, S. 177–180.
Jeannette König, Leben und Werk von Friedrich Karl Kleine, 1985, S. 55–61.
Monografien:
Jeannette König, Leben und Werk von Friedrich Karl Kleine, 1985.
Wolfgang U. Eckart, Medizin und Kolonialimperialismus Deutschland 1884–1945, 1997, S. 342.
Tülay Gündogan, Friedrich Karl Kleine (1869–1951), ein deutscher Tropenarzt, 2011.
Christa Heike Wiedicke, Die Bedeutung des Robert Koch-Schülers Friedrich Karl Kleine (1869–1951) für die Erforschung der Schlafkrankheit, 2014. (Onlineressource)
Sarah Ehlers, Europa und die Schlafkrankheit. Koloniale Seuchenbekämpfung, europäische Identitäten und moderne Medizin, 1890–1950, 2019.
Aufsätze und Beiträge:
N. N, Art. „Kleine, Friedrich Karl“ in: Heinrich Schnee, Deutsches Koloniallexikon, 1920, S. 309.
Gottlieb Olpp, Hervorragende Tropenärzte in Wort und Bild. 1932, S. 198 f.
P. H. M.-B., Obituary Friedrich Karl Kleine, M. D. Halle, in: Lancet v. 28.4.1951, S. 969.
Klaus Janitschke, Kleine-Koch-Orenstein. The German Connection with Medical Research in South Africa, in: Adler Museum Bulletin 11 (1985), H. 2, S. 16–18.