Lebensdaten
1911 – 1962
Geburtsort
Salzburg
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
SS-Sturmbannführer ; Stabschef der „Aktion Reinhardt“ ; Soldat ; Nationalsozialist
Konfession
römisch-katholisch, später „gottgläubig“
Normdaten
GND: 120714272 | OGND | VIAF: 73641954
Namensvarianten
  • Höfle, Hermann Julius
  • Höfle, Hermann
  • Höfle, Hermann Julius
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Zitierweise

Höfle, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd120714272.html [19.04.2024].

CC0

  • Hermann Höfle war Referent für „Judenangelegenheiten“ beim SS- und Polizeiführer Lublin im Generalgouvernement Odilo Globocnik (1904–1945). Als Leiter der Stabsstelle „Aktion Reinhardt“ organisierte er die Deportation von annähernd 1,8 Millionen Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager Bełżec, Sobibor und Treblinka. Nach dem Zweiten Weltkrieg entzog er sich nach kurzer Internierung einer strafrechtlichen Verfolgung durch Flucht.

    Lebensdaten

    Geboren am 19. Juni 1911 in Salzburg
    Gestorben am 21. August 1962 (Suizid) in Wien
    Konfession römisch-katholisch, später „gottgläubig“
  • Lebenslauf

    19. Juni 1911 - Salzburg

    1917 - 1925 - Salzburg

    Schulbesuch

    Volksschule; Bürgerschule

    1925 - 1930 - Salzburg

    Lehre zum Automechaniker

    1933 - 1945

    Mitglied

    NSDAP

    1933 - 1945 - Salzburg

    Mitglied (1942 SS-Sturmbannführer)

    SS

    1935 - Salzburg

    Haftstrafe

    Polizeigefängnis

    1938 - 1945 - Salzburg

    hauptamtlicher SS-Führer

    SS-Sturmbann I/76

    1939 - 1940 - Neu-Sandez (heute Nowy Sącz, Polen)

    Bereichsführer

    Volksdeutscher Selbstschutz

    1940 - 1940 - Generalgouvernement (Distrikt Lublin)

    Kommandant eines Zwangsarbeitslagers

    1941 - 1944 - Lublin

    Referent für „Judenangelegenheiten“

    Stab des SS- und Polizeiführers Odilo Globocnik

    1944 - 1944 - Oranienburg

    Schutzhaftlagerführer

    KZ Sachsenhausen

    1944 - 1945 - Berlin

    Fachführer Waffen-SS

    SS-Hauptamt

    1945 - 1947 - Wolfsberg (Kärnten)

    Haft

    Internierungslager

    1948 - 1951 - Italien

    untergetaucht; auf der Flucht

    1951 - 1961 - Deutschland; Österreich

    u. a. Taxifahrer; kurzzeitig Informant des Counter Intelligence Corps (CIC)

    1961 - 1962 - Salzburg; Wien

    Verhaftung; Untersuchungshaft

    21. August 1962 (Suizid) - Wien
  • Genealogie

    Heirat 29.10.1933 in Salzburg
    Ehefrau Berta Höfle, geb. Dühr geb. 1912
    Kinder ein Sohn, vier Töchter
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Höfle, Hermann (1911 – 1962)

    • Vater

      • Großvater väterlicherseits

      • Großmutter väterlicherseits

    • Mutter

      • Großvater mütterlicherseits

      • Großmutter mütterlicherseits

    • Heirat

      in

      Salzburg

      • Ehefrau

        Berta Höfle

        geb. 1912

  • Biografie

    Höfle absolvierte in Salzburg die Volks- und Bürgerschule und machte sich nach einer Ausbildung und kurzer Tätigkeit als Automechaniker Anfang der 1930er Jahre als Taxifahrer selbstständig. Im August 1933 trat er in die österreichische NSDAP und SS ein und war nach deren Verbot 1935 sieben Monate wegen illegaler politischer Betätigung inhaftiert. Nach dem „Anschluss“ Österreichs verlief Höfles Karriere in der SS schleppend, doch sicherte ihm seine Bekanntschaft mit dem SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik (1904–1945) 1940 einen Posten in dessen Stab in Lublin. Dort leitete er im Auftrag Globocniks am „Buggraben“ in der Nähe von Bełżec ein Zwangsarbeitslager, ehe er im Herbst 1941 zum Referenten für „Judenangelegenheiten“ ernannt wurde.

    In dieser Funktion organisierte Höfle die Ermordung der jüdischen Bevölkerung im gesamten Generalgouvernement („Aktion Reinhardt“). Zwischen März 1942 und Oktober 1943 starben in den Vernichtungslagern Bełżec, Sobibor und Treblinka annähernd 1,5 Millionen Jüdinnen und Juden aus Polen und anderen europäischen Ländern. Höfle organisierte und koordinierte mit Adolf Eichmann (1906–1962) die Transporte aus dem Westen. Weitere rund 300 000 Menschen starben während der Deportationen bzw. Zusammentreibung in den Ghettos. Höfle sorgte zudem dafür, dass weitere Deportierte in andere Konzentrations- und Arbeitslager gelangten, wo dann die geraubten Habseligkeiten der Ermordeten sortiert wurden.

    Als Koordinator der „Aktion Reinhardt“ war Höfle für regelmäßige Meldungen über deren Ablauf zuständig. Am 11. Januar 1943 berichtete er in einem vom britischen Geheimdienst abgefangenen, aber erst 2001 korrekt interpretierten Funkspruch über den Ablauf des Mordprogramms. Demnach waren bis zum 31. Dezember 1942 in Lublin-Majdanek 12 761, in Sobibor 101 370, in Bełżec 434 508 sowie in Treblinka 713 555, „zusammen 1 274 166“ Menschen ermordet worden. Angesichts der systematischen Spurenverwischung der NS-Täter ist dieses Dokument eine Schlüsselquelle des Holocaust, das zudem Grundlage für den Bericht des SS-Statistikers Richard Korherr (1903–1989) war, mit dem Adolf Hitler (1889–1945) im April 1943 über die Dimension des Holocaust unterrichtet wurde.

    Nach der Versetzung Globocniks nach Triest im Herbst 1943 blieb Höfle in Lublin und organisierte für den neuen SS- und Polizeiführer Jakob Sporrenberg (1902–1952) die „Aktion Erntefest“, der mindestens weitere 30 000 Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen. Im Februar 1944 wurde Höfle durch das SS-Hauptamt in das Konzentrationslager Sachsenhausen versetzt, wo er sich in den Augen der Lager-SS als Schutzhaftlagerführer nicht bewährte. Nach weiteren Stationen u. a. beim SS-Hauptamt unter Gottlob Berger (1896–1975) in Berlin flüchtete Höfle gegen Kriegsende nach Österreich und wurde Ende Mai 1945 in Kärnten von britischen Einheiten festgenommen. Trotz Internierungshaft und mehrerer Verhöre bis Oktober 1947 wurde keine Anklage gegen ihn erhoben.

    Von 1948 bis 1951 aufgrund eines Auslieferungsgesuchs aus Polen untergetaucht, lebte Höfle anschließend weitgehend unbehelligt in Deutschland und Österreich und arbeitete erneut als Automechaniker. 1954 setzte ihn der US-amerikanische Geheimdienst Counter Intelligence Corps kurzfristig unter dem Decknamen „Hans Hartmann“ als bezahlten Informanten ein. 1961 machte der Eichmann-Prozess in Jerusalem Höfles Rolle im Völkermord an den europäischen Juden einer größeren Öffentlichkeit bewusst. Die israelischen Strafverfolgungsbehörden übersandten umfangreiches Beweismaterial, das die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg an die österreichische Polizei weiterleitete, sodass Höfle 1961 in Salzburg verhaftet wurde. Er entzog sich einem Prozess durch Suizid in der Wiener Untersuchungshaft.

  • Auszeichnungen

    1943 Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern
    1944 Eisernes Kreuz II. Klasse
  • Quellen

    Nachlass:

    nicht bekannt

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, Bestand BDC. (SS-Personalakten)

    Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München, ZS 939. (Zeugenschrifttum Hermann Höfle) (Onlineressource)

    Gedruckte Quellen:

    Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Bd. 9: Polen. Generalgouvernement August 1941–1945, bearb. v. Klaus-Peter Friedrich, 2014.

  • Literatur

    Peter Witte/Stephen Tyas, A New Document on the Deportation and Murder of Jews during „Einsatz Reinhardt“ 1942, in: Holocaust and Genocide Studies 15 (2001), S. 468–486.

    Charles Ajenstat/Daniel Buk/Thomas Harlan (Hg.), Hermann Höfle. L'Autrichien artisan de la Shoah en Pologne, 2006.

    Stephan Lehnstaedt, Der Kern des Holocaust. Belzec, Sobibór, Treblinka und die Aktion Reinhardt, 2017.

    Paul R. Bartrop/Eve E. Grimm, Perpetrating the Holocaust. Leaders, Enablers, and Collaborators, 2019, S. 153 f.

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Fotografie (Fahndungsfoto), 1948, Abbildung in: Yad Vashem Documents Archive, Item ID 3686370, S. 1. (Onlineressource)

  • Autor/in

    Stephan Lehnstaedt (Berlin)

  • Zitierweise

    Lehnstaedt, Stephan, „Höfle, Hermann“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/120714272.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA