Harig, Ludwig
- Lebensdaten
- 1927 – 2018
- Geburtsort
- Sulzbach an der Saar
- Sterbeort
- Sulzbach an der Saar
- Beruf/Funktion
- Schriftsteller ; Übersetzer ; Volksschullehrer
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 118701606 | OGND | VIAF: 22143020
- Namensvarianten
-
- Harig, Ludwig
- Halizi, Ludeweisi
- Harig, Luckel
- Harig, Ludwig Wilhelm
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Harig, Ludwig
1927 – 2018
Schriftsteller, Übersetzer
Ludwig Harig trat zunächst mit sprachspielerischen Texten, Lyrik und Prosa hervor, die von dem Philosophen Max Bense (1910–1990) und der Konkreten Poesie inspiriert waren. Seit den 1960er Jahren schrieb er verstärkt Hörspiele, die ihn als Pionier des Neuen Hörspiels (O-Ton-Technik) bekannt machten, ehe er seit Ende der 1970er Jahre mit autofiktionalen Romanen ein breites Publikum erreichte.
Lebensdaten
Ludwig Harig, Imago Images (InC) -
Autor/in
→Werner Jung (Langweiler/Essen)
-
Zitierweise
Jung, Werner, „Harig, Ludwig“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118701606.html#dbocontent
Harig wuchs in Sulzbach an der Saar auf und besuchte dort die Volksschule, von 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola) in Idstein (Taunus) und 1945 die Mittelschule in Saarbrücken, wo er die Mittlere Reife erhielt. Von 1945 bis 1949 ließ er sich an der Lehrerbildungsanstalt in Blieskastel (Saarland), Saarbrücken und Ottweiler (Saarland) zum Volksschullehrer ausbilden und war nach einem Jahr als Assistant d’allemand am Collège Moderne in Lyon 1949/50 an Schulen in Dirmingen (heute Eppelborn-Dirmingen) sowie seit 1956 in Friedrichsthal (beides Saarland) tätig. Seit 1970 beurlaubt, gab Harig 1974 seinen Lehrerberuf auf und lebte fortan als freier Schriftsteller.
Seit Anfang der 1950er Jahre schuf Harig Übersetzungen aus dem Französischen, Prosaarbeiten, Lyrik sowie Gelegenheitsarbeiten für Zeitungen, u. a. Reisegeschichten bzw. -reportagen. Durch seine Begegnung mit Max Bense (1910–1990) und dem Stuttgarter Kreis sowie die Lektüre der Werke Arno Schmidts (1914–1979) und der von Alfred Andersch (1914–1980) herausgegebenen Zeitschrift „Texte und Zeichen“ fand sich Harig in einem Literaturverständnis bestärkt, das unter Anschluss an die frühe europäische Moderne und die Sprachphilosophie Ludwig Wittgensteins (1889–1951) experimentellen, antimimetischen Schreibweisen das Wort redete. Wie Bense opponierte er gegen das bundesdeutsche Mittelmaß in Kultur und Politik, Literatur und Gesellschaft.
1961 veröffentlichte Harig in der von Bense herausgegebenen Reihe „rot“ den Lyrik-Band „Haiku Hiroshima“, 1963 folgte „Zustand und Veränderungen“, eine Sammlung experimenteller Texte aus den Jahren von 1956 bis 1962, die neben Porträts und Versuchen, auf sprachspielerische Weise Urlaubsimpressionen zu verdichten, mit „Bilanz 61“ eine politische Zustandsbeschreibung enthält. Zusammenfassung und Höhepunkt von Harigs sprachspielerischer Poetik, in der insbesondere die Mittel der Permutation und des Anakoluth zur Anwendung gelangen, ist der Familienroman „Sprechstunden“ (1971). Er gilt neben Gerhard Rühms (geb. 1930) und Helmut Heißenbüttels (1921–1996) Großprojekten als dritter Versuch, in Romanform das mimetisch-realistische Dogma zu brechen und plädiert für deutsch-französische Verständigung. Als Lehrbuch angelegt, handelt der Roman in 78 Lektionen von einer Sprachfamilie, die im Text – dabei andere Texte collagierend, eigene Textbausteine permutierend – entsteht, wobei Harig aufklärerische, im Trend der Zeit liegende sprach- und ideologiekritische Intentionen verfolgte.
Vor dem Hintergrund dieser Programmatik, die Harig später als mehrfacher Poetik-Dozent vorstellte, ist auch seine seit Mitte der 1960er Jahre entfaltete vielfältige Hörspielproduktion zu verstehen, aufgrund der er zu den Begründern des Neuen Hörspiels, der O-Ton-Bewegung, gezählt wird. Seine Hörspiele über Konrad Adenauers Begräbnis-Feierlichkeiten („Staatsbegräbnis 1“, 1969) und der Auschwitz-Text „Ein Blumenstück“ (1968) machten ihn zu einem der herausragenden Repräsentanten dieser literarischen Form.
Harigs Poetik des (Sprach-)Spiels fand in einer Poetik der Erinnerung und des Eingedenkens seine Erweiterung. In seiner Prosa griff er seit den 1980er Jahren auf autobiografisches Material zurück. Im Mittelpunkt von Harigs Erzählwerk, das auch als Resultat eines Missbehagens über die ausschließlich experimentelle Literatur der Stuttgarter Schule entstand, steht seine autobiografische Romantrilogie: Das Buch über seinen Vater „Ordnung ist das ganze Leben“ (1986), die Verarbeitung von Kindheit und Jugend während Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg „Weh dem, der aus der Reihe tanzt“ (1990) und seine Behandlung des Kriegsendes und der Entwicklung Nachkriegsdeutschlands in den 1950er Jahren in „Wer mit den Wölfen heult, wird Wolf“ (1996). Eine Art Coda stellt der Band „Und wenn sie nicht gestorben sind“ (2002) dar, in dem Harig eine Reihe teils zuvor publizierter Texte zusammenstellte, die an Freunde, Kollegen, Weggefährten und Verwandte erinnern. Als „Satyrspiel“ bezeichnete Harig seinen Band „Kalahari“ (2007), der auf dem Hintergrund einer Freundschaftsgeschichte die wechselvolle Geschichte deutsch-französischer Begegnungen im 20. Jahrhundert schildert.
Harig fasste sein eindrucksvolles Gesamtwerk von 2004 bis 2014 in einer zehnbändigen „Gesamtausgabe“ zusammen. Seit 2019 vergibt das Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes jährlich das Ludwig-Harig-Stipendium für Nachwuchsautoren und -autorinnen. 2025 wurde in Sulzbach an der Saar die Ludwig-Harig-Gesellschaft e. V. gegründet, die sich der Verbreitung und Erforschung seines Œuvres widmet.
1962 | Mitglied im Collège de Pataphysique, Paris |
1966 | Kunstpreis des Saarlandes |
1972 | Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland (Bundesrepublik) |
1972 | Stipendiat der Internationale des Arts Paris |
1974 | Stipendiat des Berliner Senats |
1975 | Stipendiat des Berliner Kunstpreises |
1977 | Kunstpreis der Stadt Saarbrücken (erneut 1999) |
1979 | Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt (weiterführende Informationen) |
1982 | Literaturpreis der Universitätsstadt Marburg und des Landkreises Marburg-Biedenkopf |
1983 | Deidesheimer Turmschreiber |
1983 | Stipendiat der Villa Massimo, Rom |
1985 | Mitglied der Freien Akademie der Künste, Mannheim |
1985 | Raben-Preis für kreative Kritik des Haffmans Verlag |
1985 | Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz |
1987 | Hörspielpreis der Kriegsblinden für „Drei Männer im Feld“ |
1987 | Dr. h. c., Universität des Saarlandes, Saarbrücken |
1987 | Heinrich-Böll-Preis für Literatur der Stadt Köln |
1987 | Mainzer Stadtschreiber |
1993 | Ehrenprofessor, Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Saarlandes |
1994 | Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg |
1994 | Ehrenbürger der Stadt Sulzbach an der Saar |
2005 | Preis der Frankfurter Anthologie |
seit 2019 | Ludwig-Harig-Stipendium für Nachwuchsautoren und -autorinnen des Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes (jährlich) (weiterführende Informationen) |
2023 | Gedenkplakette am Geburtshaus, Schlachthofstraße, Sulzbach (Saarland) |
2025 | Ludwig-Harig-Gesellschaft e. V. |
Nachlass:
Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar.
Lyrik:
Zustand und Veränderungen, 1963.
Hundert Gedichte. Alexandrinische Sonette, Terzinen, Couplets und andere Verse in strenger Form, 1988.
Prosa:
Reise nach Bordeaux, 1965.
Sprechstunden für die deutsch-französische Verständigung und die Mitglieder des Gemeinsamen Marktes. Ein Familienroman, 1971.
Allseitige Beschreibung der Welt zur Heimkehr des Menschen in eine schönere Zukunft, 1974.
Die saarländische Freude. Ein Lesebuch über die gute Art zu leben und zu denken, 1977, Neuausg. 1982, Taschenbuchausg. 1983.
Der kleine Brixius. Eine Novelle, 1980.
Rousseau. Der Roman vom Ursprung der Natur im Gehirn, 1978, Neuausg. 1981, 1998.
Ordnung ist das ganze Leben. Roman meines Vaters, 1986, Neuaufl. 1987, Taschenbuchausg. 1989 u. ö.
Weh dem, der aus der Reihe tanzt. Roman, 1990.
Wer mit den Wölfen heult, wird Wolf. Roman,, 1996.
Und wenn sie nicht gestorben sind. Aus meinem Leben, 2002.
Kalahari. Ein wahrer Roman, 2007.
Wie die Wörter tanzen lernten. Eine erlebte Poetik, mit Bildern v. Franz Zauleck, 2009.
Essays:
Das Rauschen des sechsten Sinnes. Reden zur Rettung des Lebens und der Literatur, 1985.
Begleitessay zu Vercors Das Schweigen des Meeres, 1999.
Hörspiele:
Stilübungen. 99 Variationen über ein Thema von Raymond Queneau, SR 1957, Regie: Albert Carl Weiland.
Das Geräusch, SDR 1963, Regie: Oskar Nitschke, als Buch 1965.
Das Fußballspiel, SR/SWF 1966, Regie: Heinz Hostnig, Komposition: Enno Dugend/Helmut Fackler, als Buch 1967.
Starallüren, SR/SDR1966, Regie: Heinz Hostnig, Komposition: Heinrich Konietzny, als Buch 1967.
Ein Blumenstück, SR/HR/SDR/SWF 1968, Regie: Hans Bernd Müller, als Buch 1969.
Max Bense/Ludwig Harig, Der Monolog der Terry Jo, SR/RB 1968, Regie: Klaus Schöning.
Staatsbegräbnis 1, SR/WDR 1969, Regie: Johann M. Kamps, als Buch 1969.
Entstehung einer Wortfamilie, BR/WDR 1972, Regie: Heinz Hostnig.
Staatsbegräbnis 2, SR/WDR 1973, Regie: Ludwig Harig.
Ein Blumenstück, NDR/WDR 1979, Regie: Heinz Hostnig.
Simplicius Simplicissimus (nach Grimmelshausen), SFB/WDR 1984, Regie: Heinz Hostnig, Komposition: Espe, als Buch 1997.
Drei Männer im Feld, WDR 1986, Regie: Hans Gerd Krogmann. (auch Sprecher)
Amol is gewen a Jiddele, WDR 1988, Regie: Norbert Schaeffer, Komposition: Espe.
Übersetzungen:
Eugen Helmlé/Ludwig Harig, Raymond Queneau, Heiliger Bimbam. Roman, 1965.
Raymond Queneau, Hunderttausend Milliarden Gedichte. 1984.
Henriette Beese/Ludwig Harig/Helmut Scheffel, Marcel Proust, Werke. Frankfurter Ausgabe. Werke I, Bd. 2: Nachgeahmtes und Vermischtes, 1989.
Herausgeberschaft:
Christoph Buchwald/Ludwig Harig, Jahrbuch der Lyrik, 2000.
Werkausgabe:
Gesamtausgabe, 10 Bde., 2004–2014.
Bibliografie:
Werner Jung, Bibliographie Ludwig Harig 1950–2012, 2013.
Monografien und Sammelbände:
Gerhard Sauder/Gerhard Schmidt-Henkel (Hg.), Harig lesen, 1987.
Petra Lanzendörfer-Schmidt, Die Sprache als Thema im Werk Ludwig Harigs. Eine sprachwissenschaftliche Analyse literarischer Schreibtechniken, 1990.
Alfred Diwersy (Hg.), Wörterspiel – Lebensspiel. Ein Buch über Ludwig Harig, 1993.
Heinz Ludwig Arnold (Hg.), Ludwig Harig (Edition Text+Kritik 135), 1997. (P)
Benno Rech (Hg.), Sprache fürs Leben, Wörter gegen den Tod. Ein Buch über Ludwig Harig, 1997. (P)
Werner Jung, „Du fragst, was Wahrheit sei?“. Ludwig Harigs Spiel mit Möglichkeiten, 2002.
Uta Kutter/Guntram Zürn (Hg.), Im Anfang war das Wort. Literarisches Porträt. Ludwig Harig zum Achtzigsten, 2010.
Klaus Brill/Benno Rech/Thomas Störmer (Hg.), EntdeckerMagazin 002. Ludwig Harig. Aus dem Leben eines Luftkutschers, 2012.
Nachrufe:
Michael Krüger, Nachruf auf Ludwig Harig, in: Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz 69 (2018), S. 51–53.
Tilla Fuchs, Der Luftkutscher. Zum Tod des Schriftstellers Ludwig Harig, in: Deutschlandfunk v. 6.5.2018. (P) (Onlineressource)
Ulrich Rüdenauer, Der Luftschiffer, in: Die Zeit v. 7.5.2018. (Onlineressource)
Thomas Steinfeld, Ludwig Harig ist tot, in: Süddeutsche Zeitung v. 7.5.2018. (Onlineressource)
Dokumentarfilm:
Ludwig Harig (1927–2018). Sprachspieler und Erzähler des 20. Jahrhunderts. Ein Dokumentarfilm in zwei Teilen v. Karl Prümm/Herbert Stand, 2017, Landesinstitut für Pädagogik und Medien, Saarland.
Fotografien, Nachlass, Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar.