Fischer, Oskar
- Lebensdaten
- 1923 – 2020
- Geburtsort
- Asch (Böhmen, heute Aš, Tschechien)
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Politiker ; Außenminister der DDR
- Konfession
- konfessionslos
- Normdaten
- GND: 137456603 | OGND | VIAF
- Namensvarianten
-
- Fischer, Oskar
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Fischer, Oskar
1923 – 2020
Politiker, Außenminister der DDR
Oskar Fischer begann seine politische Karriere 1947 in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und wurde zeitlebens von Erich Honecker (1912–1994) gefördert. Als Außenminister der DDR von 1975 bis 1990 diente er treu seinem Förderer, ohne in der Phase der Ausweitung internationaler Kontakte und der multilateralen Einbindung der DDR in den 1970er und 1980er Jahren eigene außenpolitische Ideen zu verfolgen.
Lebensdaten
Oskar Fischer, Imago Images (InC) -
Autor/in
→Hermann Wentker (Berlin)
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Zitierweise
Wentker, Hermann, „Fischer, Oskar“ in: NDB-online, URL: https://www.deutsche-biographie.de/137456603.html#dbocontent

Herkunft und Ausbildung
Fischer, familiär geprägt in einem kommunistischen Arbeitermilieu, besuchte seit 1929 die fünfjährige Volksschule, seit 1934 die dreijährige Bürgerschule, die er 1937 abschloss. Im Juli 1937 begann er eine Lehre bei der Schneiderei Roßbach in Asch (Böhmen, heute Aš, Tschechien), die er 1940 beendete. Im November 1936 wurde er Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands, nach dessen Verbot von Anfang 1937 bis 1938 Mitglied des Deutschen Jugendbunds mit Sitz in Aussig (Böhmen, heute Ústí nad Labem, Tschechien). 1938 ging Fischer auf Anordnung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPČ) mit seiner Familie in die Tschechoslowakei, wo er am Bau der Befestigungen bei Beroun nahe Prag mitarbeitete. Nach der Annexion des Sudetenlands durch das Deutsche Reich kehrte die Familie nach Asch zurück; unmittelbar danach wurden Fischer und sein Vater verhaftet. Fischer wurde aufgrund der Fürsprache seines Lehrmeisters nach einem Tag wieder entlassen und musste sich danach täglich bei der Gestapo melden; in dieser Zeit unterstützte er den kommunistischen Widerstand mit der Schleusung von Emigranten, Verteilung von Flugblättern und Geldsammlungen für Inhaftierte.
Krieg und Gefangenschaft
Fischer arbeitete bis November 1941 als Schneidergehilfe, wurde am 1. Dezember 1941 zur Wehrmacht eingezogen und von März 1942 bis Juni 1943 als Schütze und Kompanieschneider in Frankreich, dann bis 1944 in der Sowjetunion, Polen und Rumänien eingesetzt. Am 6. Mai 1945 geriet er bei Breslau (Niederschlesien, heute Wrocław, Polen) in sowjetische Kriegsgefangenschaft, die er u. a. in Lagern in Polozk (Sowjetunion, heute Polazk, Belarus) und Witebsk (Sowjetunion, heute Wizebsk, Belarus) verbrachte, wo er als Bau- und Waldarbeiter, zuletzt in einem Verpflegungsmagazin arbeitete und die von Antifa-Komitees geleiteten Abendkurse besuchte. Im Juli 1946 aus der Kriegsgefangenschaft in die Tschechoslowakei entlassen, kam er in das Lager Pardubin (Böhmen, heute Pardubice, Tschechien) und arbeitete im Steinbruch und im Schotterwerk in Beroun bei Prag.
Anfänge in der SBZ als FDJ-Funktionär
Im September 1946 gelangte Fischer mit seiner Familie im Rahmen eines Kadertransfers zur Stärkung der Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone mit einem Transport von Antifaschisten nach Spremberg bei Cottbus, wo er im November 1946 der SED beitrat. Bis zu seiner Wahl zum Kreisvorsitzenden der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Spremberg im Juli 1947 arbeitete er bei der 1. Textilgenossenschaft Spremberg.
Als hauptamtlicher FDJ-Funktionär machte Fischer schnell Karriere, wurde im Januar 1949 Organisationssekretär in dem Landesverband Brandenburg der FDJ und im Mai dessen Landesvorsitzender. Gefördert durch den FDJ-Vorsitzenden Erich Honecker (1912–1994), wurde er nach dem Besuch der Landesparteischule in Schmerwitz bei Potsdam 1950 Sekretär beim Zentralrat der FDJ und parallel dazu 1949/50 Mitglied der SED-Landesleitung Brandenburg und 1950 des Landtags in Potsdam. Nach mehreren Auslandsreisen als FDJ-Delegierter erfolgte im Oktober 1951 seine Wahl zum FDJ-Vertreter im Büro des kommunistischen Weltbunds der Demokratischen Jugend (WBDJ) in Budapest und 1952 in das Sekretariat des Verbands als Verantwortlicher für die Organisationsabteilung. Fischers Auslandserfahrungen wurden ergänzt durch längere Aufenthalte in Rumänien (1953) und Polen (1955) sowie Reisen in die Sowjetunion, nach China, in die Tschechoslowakei, nach Bulgarien, Österreich, Finnland, Schweden und Dänemark.
Karriere im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten
Im Oktober 1955 trat Fischer auf eigenen Wunsch als Abteilungsleiter in das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) ein und wurde, offensichtlich mit Protektion Honeckers, im Dezember 1955 Botschafter in Bulgarien. Da er nicht über die nötigen außenpolitischen Kenntnisse verfügte, wurde er zu einem Fernstudium an die Akademie für Staat und Recht delegiert. In seinem Amt in Sofia wachte er eng über die Parteidisziplin, v. a. während des Ungarn-Aufstands im Herbst 1956.
Auf Beschluss des SED-Sekretariats 1959 aus Sofia abberufen, fungierte Fischer im MfAA als Leiter der 3. Europäischen Abteilung, wurde 1960 Sektorenleiter in der Abteilung Internationale Verbindungen beim Zentralkomitee (ZK) der SED und von April 1962 bis Juli 1965 an die Parteihochschule nach Moskau delegiert. Auch dort zeigte er sich einsatzfreudig und linientreu, schloss seinen Kurs 1965 als Diplom-Gesellschaftswissenschaftler mit Auszeichnung ab und wurde nach seiner Rückkehr 1965 einer der sieben Stellvertreter des Außenministers. Mit dem Wechsel an der Spitze der SED von Walter Ulbricht (1983–1973) zu Honecker 1971 verbesserte sich Fischers Position, sichtbar mit seiner Wahl zum ZK-Mitglied ohne vorherige Kandidatenzeit im Juni 1971. Im MfAA wurde er 1973 Staatssekretär und Ständiger Stellvertreter des Ministers Otto Winzer (1902–1975), dem er nach dessen Rücktritt im Januar 1975 nachfolgte.
Außenminister
Als Außenminister war Fischer in die Machtstrukturen von Partei und Staat eingebunden und unterhielt engen Kontakt zu seinem Förderer Honecker. Er war jedoch von wesentlichen außenpolitischen Entscheidungen ausgeschlossen, v. a. zu den deutsch-deutschen Beziehungen, die Honecker, der in Fischer lediglich den für deren Durchführung Verantwortlichen sah, zur Chefsache erklärte. In seine Amtszeit fiel der Ausbau der multilateralen Einbindung der DDR in die Vereinten Nationen und die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), deren Schlussakte im August 1975 in Helsinki von Honecker unterzeichnet wurde. Fischer hatte an den vorbereitenden Treffen im Rahmen der Abstimmung innerhalb der Warschauer-Pakt-Staaten mitgewirkt. An den KSZE-Folgetreffen in Belgrad (1977/78), Madrid (1980–1983) und Wien (1986–1989) sowie an der Konferenz über Vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa in Stockholm (1984–1986) nahm Fischer jeweils mit einer Eröffnungserklärung teil, ebenso wie an den jährlichen Vollversammlungen der Vereinten Nationen. Hinzu kam die Konsolidierung und Ausweitung der internationalen Kontakte Ost-Berlins in den 1970er und 1980er Jahren zu den westlichen Staaten, dem Nahen Osten und den Ländern des globalen Südens, auch zu den Philippinen unter Ferdinand Marcos (1917–1989) und dem Iran unter Schah Reza Pahlavi (1919–1980). Das MfAA wurde in dieser Zeit insbesondere mit dem Ausbau der Beziehungen zu Afrika – einem Schwerpunkt der DDR-Außenpolitik – betraut. Fischer reiste in den 1970er und 1980er Jahren wiederholt dorthin und begleitete Honecker auf dessen Afrikareisen im Februar und im November 1979.
Fischer konnte sich nach Honeckers erzwungenen Rücktritt am 18. Oktober 1989 in seinem Amt halten, ab November im Ministerrat unter Hans Modrow (1928–2023). Bis zuletzt überzeugter Verfechter der deutsch-deutschen Zweistaatlichkeit, schied er nach der Wahl der neuen Regierung infolge der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 im April 1990 aus dem Amt. Nach 1991 war er Mitglied des Ältestenrats der PDS/Die Linke, zog sich aber fast völlig aus der Öffentlichkeit zurück.
1959 | Medaille für die sozialistische Zukunft unserer Jugend |
1959 | Verdienstmedaille der DDR |
1960 | Ehrennadel 45 Jahre WBDJ |
1960 | Artur-Becker-Medaille in Gold |
1965 | Ehrennadel 20. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945 |
1967 | Ehrennadel der DSF in Gold |
1969 | Verdienstmedaille der NVA in Silber (1974 in Gold) |
1969 | Orden Banner der Arbeit – Stufe I |
1970 | Erinnerungsmedaille der UdSSR anlässlich des 100. Geburtstags Lenins |
1970 | Jubiläumsmedaille der Ungarischen Volksrepublik |
1971 | Ehrennadel der Liga für Völkerfreundschaft |
1971 | Ehrenbürger der Stadt Spremberg (Niederlausitz) |
1971 | Ehrenurkunde und Jubiläumsabzeichen 20 Jahre wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit DDR - UdSSR |
1972 | Orden der Volksrepublik Bulgarien III. Klasse |
1973 | Ehrenmedaille 25 Jahre Junge Pioniere |
1973 | Medaille für ausgezeichnete Leistungen im Festivalaufgebot der FDJ |
1973 | Orden Polarstern der Mongolischen Volksrepublik |
1973 | Vaterländischer Verdienstorden in Gold (1979 Ehrenspange) |
1974 | Jubiläumsmedaille zum 25. Gründungstag des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe |
1974 | Medaille für Verdienste um die Freundschaft der Völker |
1975 | Erinnerungsabzeichen 25 Jahre Ministerium für Staatssicherheit der DDR |
1975 | Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland in Gold |
1975 | Ehrendiplom 25 Jahre Weltbund der Demokratischen Jugend |
1975 | Erinnerungsmedaille 50 Jahre Kommunistische Partei der Tschechoslowakei |
1979 | Medaille 30. Jahrestag der DDR |
1983 | Karl-Marx-Orden |
1983 | Orden des Roten Arbeiterbanners der UdSSR |
1983 | Ehrentitel Verdienter Angehöriger der NVA |
Nachlass:
Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin, Nachlass Fischer NL 70. (v. a. Fotografien)
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, SAPMO, DY 30/9 3224 u. DDR, DC 20/7 958. (Kaderakten)
Die Hauptaufgaben der Leninschen Außenpolitik und ihre Verwirklichung durch das ZK der KPdSU, 1973.
Dringendste Aufgabe: Gefahr eines Nuklearkrieges bannen. Standpunkt der DDR auf der UNO-Sondertagung, Grundsatzerklärung, 1982.
Die militärische Konfrontation in Europa verringern. Die Beziehungen zwischen den Staaten politisch wieder berechenbar machen. Standpunkt der DDR auf der Stockholmer Konferenz. Grundsatzerklärung von Oskar Fischer über die DDR-Friedenspolitik, 1984, engl. 1984, franz. 1984, span. 1984.
Rede des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten des Deutschen Demokratischen Republik, Oskar Fischer, vor der Plenartagung des Wiener KSZE-Folgetreffens, 1987.
Monografien:
Rudolf Nitsche, Diplomat im besonderen Einsatz. Eine DDR-Biographie, 1994, bes. S. 75–78.
Horst Grunert, Für Honecker auf glattem Parkett. Erinnerungen eines DDR-Diplomaten, 1995, bes. S. 182–184.
Benno-Eide Siebs, Die Außenpolitik der DDR 1976–1989. Strategien und Grenzen, 1999, v. a. S. 96–98.
Hermann Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen. Die DDR im internationalen System, 2007, bes. S. 384 f.
Oliver Dürkop, Oskar Fischer. Diplomat des Sozialismus. Zweitdienstältester Außenminister Deutschlands, 2025. (P)
Aufsätze und Lexikonartikel:
N. N., Art. „Fischer, Oskar“, in: Jürgen Radde, Der diplomatische Dienst der DDR. Namen und Daten, 1977, S. 40.
Regina Villavencio, Was macht eigentlich Oskar Fischer, in: Monika Zimmermann (Hg.), Was macht eigentlich …? 100 DDR-Prominente heute, 1994, S. 65–67.
Helmut Müller-Enbergs, Art. „Fischer, Oskar“, in: ders./Jan Wiegohls/Dieter Hoffmann/Andreas Herbst/Olaf W. Reimann (Hg.), Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biographien, Bd. 1, 2006, S. 250 f. (Onlineressource)
Ingrid Muth, Art. „Fischer, Oskar“, in: Siegfried Bock/Ingrid Muth/Hermann Schwiesau (Hg.), DDR-Außenpolitik. Ein Überblick. Daten, Fakten, Personen, Bd. 3, 2010, S. 303 f.
Artikel über Oskar Fischer in: Neues Deutschland. Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. (zugangsbeschränkt)
Früherer DDR-Außenminister Oskar Fischer ist tot, Nachruf, in: Zeit Online v. 3.4.2020.
Langjähriger DDR-Außenminister Oskar Fischer gestorben. Nachruf, in: Süddeutsche Zeitung v. 3.4.2020. (P)
Fotografien, 1954–1989, Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs. (Onlineressource)