Brauer, Richard
- Lebensdaten
- 1901 – 1977
- Geburtsort
- Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg)
- Sterbeort
- Belmont bei Boston (Massachusetts, USA)
- Beruf/Funktion
- Mathematiker
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 117708550 | OGND | VIAF
- Namensvarianten
-
- Brauer, Richard Dagobert
- Brauer, Richard
- Brauer, Richard Dagobert
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Personen im NDB Artikel
- Cecil Nesbitt (1912–2001)
- Donald Lewis (1926–2015)
- Emmy Noether (1882–1935)
- Erhard Schmidt (1876–1959)
- Helmut Hasse (1898–1979)
- Hermann Weyls (1885–1955)
- Issai Schur (1875–1941)
- John Griggs Thompson (geb. 1932)
- Konrad Jacobs (1928–2015)
- Ludwig Bieberbach (1886–1982)
- Paul Diracs (1902–1984)
- Richard Bruck (1914–1991)
- Walter Feit (1930–2004)
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Brauer, Richard Dagobert
1901 – 1977
Mathematiker
Richard Brauer war einer der bedeutendsten Algebraiker des 20. Jahrhunderts. Er arbeitete zur Theorie der Algebren (z. B. Untersuchung einfacher Algebren, Einführung der „Brauergruppe“) und zur Darstellungstheorie (insbesondere modulare Darstellung endlicher Gruppen). Seit ca. 1950 widmete er sich der Charakterisierung einfacher Gruppen und legte damit die Grundlagen für die spätere Klassifizierung aller endlichen einfachen Gruppen.
Lebensdaten
Richard Brauer, MFO (InC) -
Autor/in
→Peter Ullrich (Koblenz)
-
Zitierweise
Ullrich, Peter, „Brauer, Richard“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/117708550.html#dbocontent

Brauer besuchte seit 1907 die Kaiser-Friedrich-Schule in Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg) und erhielt 1918 das Notabitur. Seine frühe wissenschaftliche Entwicklung wurde von seinem Bruder Alfred Brauer (1894–1985) angeregt. Nach einem anfänglichen Studium der Physik wechselte er zum Sommersemester 1919 zum Studium der Mathematik an die Universität Berlin, mit einem Auswärtssemester in Freiburg im Breisgau. Brauer stand mit Ludwig Bieberbach (1886–1982) und Erhard Schmidt (1876–1959) in engeren Kontakt. Den größten Einfluss übte Issai Schur (1875–1941) aus, der ihn im Juli 1925 mit einer Arbeit „Über die Darstellung der Drehungsgruppe durch lineare Substitutionen“ zum Dr. phil. promovierte. Anschließend erhielt Brauer eine Assistentenstelle an der Universität Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland), an der er sich 1927 für Mathematik habilitierte.
In den folgenden Jahren beschäftigte sich Brauer hauptsächlich mit Darstellungstheorie und der Theorie der Algebren über einem Grundkörper, damals auch hyperkomplexe Systeme genannt. Dabei kam er mit Emmy Noether (1882–1935) und Helmut Hasse (1898–1979) in Kontakt, mit denen er auch publizierte, etwa den nach den Dreien benannten Satz, dass jede rationale Divisionsalgebra zyklisch über ihrem Zentrum ist.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurde Brauer aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen. Obwohl er kaum Englisch konnte, erhielt er aufgrund seines wissenschaftlichen Renommees umgehend ein Angebot für eine einjährige Gastprofessur an der University of Kentucky. 1934/35 war er als Assistent Hermann Weyls (1885–1955) am Institute of Advanced Study in Princeton (Massachusetts, USA) tätig. Beide arbeiteten über die Darstellungstheorie von Lie-Gruppen und veröffentlichten auf der Basis von Paul Diracs (1902–1984) Theorie des Elektrons einen Aufsatz über „Spinors in 𝑛 Dimensions“ (American Journal of Mathematics 57 (1935), H. 2., S. 425–449). Dank Noethers Empfehlung erhielt Brauer 1935 eine Stelle als Assistant Professor an der University of Toronto (Ontario, Kananda), wo er, bis auf ein Gastsemester 1941 an der University of Wisconsin, bis 1948 blieb und zum Full Professor aufstieg. In Toronto wandte sich Brauer verstärkt der Darstellungstheorie endlicher Gruppen zu; insbesondere verfasste er die Arbeit „On Artin’s L-Series“, in der er eine von Emil Artin (1898–1962) aufgestellte Vermutung bewies und für die er 1949 den Colepreis der American Mathematical Society erhielt. 1948 wechselte er als Professor für Mathematik an die University of Michigan in Ann Arbor (Michigan, USA) und 1952 an die Harvard University in Cambridge (Massachusetts, USA), an der er bis zu seiner Pensionierung 1971 blieb. In dieser letzten Phase seiner Karriere verfasste er circa die Hälfte seiner insgesamt über 120 Publikationen.
In dieser Zeit widmete Brauer sich der Frage, wie sich einfache Gruppen charakterisieren lassen. Diese Forschungen wurden von seinem Schüler Walter Feit (1930–2004) mit John Griggs Thompson (geb. 1932) weitergeführt zu dem Ergebnis, dass alle endlichen Gruppen ungerader Ordnung auflösbar sind und damit entweder zyklisch von Primzahlordnung oder nicht einfach. Dieses Resultat wiederum gab Anlass zu der in den letzten Jahrzehnten erfolgten Klassifikation aller endlichen einfachen Gruppen.
Brauer trug Bedeutendes zu zahlreichen Gebieten der Mathematik bei, u. a. zur Algebrentheorie, zur Darstellungstheorie sowohl von endlichen als auch von Lie-Gruppen und der algebraischen und analytischen Zahlentheorie. Insbesondere löste er zentrale Probleme der Mathematik des 20. Jahrhunderts oder trug zumindest zu ihrer Lösung bei, wie der Satz von Brauer-Hasse-Noether, die Artinsche Vermutung über 𝐿-Reihen und die Klassifikation endlicher einfacher Gruppen. Darüber hinaus wirkte er durch zahlreiche Schülerinnen und Schüler, etwa seine mehr als 30 Doktorandinnen und Doktoranden wie Richard Bruck (1914–1991), Paul Fong, Donald Lewis (1926–2015), Cecil Nesbitt (1912–2001) und Warren Wong, auf die Mathematik des 20. Jahrhunderts.
1941/42 | Guggenheim Memorial Fellowship |
1945 | Mitglied der Royal Society of Canada |
1949 | Cole Prize der American Mathematical Society |
1954 | Mitglied der American Academy of Arts and Sciences |
1954 | Plenarvortrag auf dem International Congress of Mathematicians, Amsterdam |
1955 | Mitglied der National Academy of Sciences, USA |
1959/60 | Präsident der American Mathematical Society |
1962 | Plenarvortrag auf dem International Congress of Mathematicians, Stockholm |
1963 | Ehrenmitglied der London Mathematical Society |
1964 | korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen |
1968 | Hon. Dr., University of Waterloo (Ontario, Kanada) |
1969 | Hon. D. Sc., University of Chicago (Illinois, USA) |
1970 | Plenarvortrag auf dem International Congress of Mathematicians, Nizza |
1971 | National Medal of Science, USA |
1974 | Mitglied der American Philosophical Society |
1974 | Hon. D. Sc., University of Notre Dame (Indiana, USA) |
1975 | Hon. D. Sc., Brandeis University, Waltham (Massachusetts, USA) |
Teilnachlass:
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Zentralarchiv deutscher Mathematiker-Nachlässe, Cod. Ms. R. Brauer.
Paul Fong/Warren J. Wong (Hg.), Richard Brauer. Collected Papers, 3 Bde., 1980. (P)
Monografie:
Charles W. Curtis, Pioneers of Representation Theory. Frobenius, Burnside, Schur and Brauer, 1999.
Artikel:
J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 6, 1936, S. 313, Bd. 7a, 1956, S. 251 u. Bd. 8, 1998, S. 514 f.
Karl-Heinz Schlote, Art. „Brauer, Richard Dagobert“, in: Siegfried Gottwald/Hans-Joachim Ilgauds/ders. (Hg.), Lexikon bedeutender Mathematiker, 1990, S. 75.
James Alexander Green, Art. „Brauer, Richard Dagobert“, in: Frederic L. Holmes (Hg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. 17, 1990, S. 98–102.
Winfried Scharlau, Emmy Noether’s Contributions to the Theory of Algebras, in: Yuri Brudnyi/Michael Cwikel/Yoram Sagher (Hg.), Function Spaces, Interpolation Spaces, and Related Topics, 1999, S. 39–55.
Nachrufe:
James Alexander Green, Richard Dagobert Brauer, in: Bulletin of the London Mathematical Society 10 (1978), S. 317–342. (W, P)
Walter Feit, Richard D. Brauer, in: Bulletin of the American Mathematical Society (New Series) 1 (1979), H. 1, S. 1–20. (W)
Hans Rohrbach, Richard Brauer zum Gedächtnis, in: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 83 (1981), H. 3, S. 125–134. (W)
Charles W. Curtis, Richard Brauer. Sketches from His Life and Work, in: The American Mathematical Monthly 110 (2003), H. 8, S. 665–678. (P)
Fotografien, 1929–1970, Oberwolfach Photo Collection.
Fotografie, 1961, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Sammlung Voit: C. L. Siegel.