Brauer, Richard

Lebensdaten
1901 – 1977
Geburtsort
Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg)
Sterbeort
Belmont bei Boston (Massachusetts, USA)
Beruf/Funktion
Mathematiker
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 117708550 | OGND | VIAF
Namensvarianten

  • Brauer, Richard Dagobert
  • Brauer, Richard
  • Brauer, Richard Dagobert

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Zitierweise

Brauer, Richard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117708550.html [02.10.2025].

CC0

  • Brauer, Richard Dagobert

    1901 – 1977

    Mathematiker

    Richard Brauer war einer der bedeutendsten Algebraiker des 20. Jahrhunderts. Er arbeitete zur Theorie der Algebren (z. B. Untersuchung einfacher Algebren, Einführung der „Brauergruppe“) und zur Darstellungstheorie (insbesondere modulare Darstellung endlicher Gruppen). Seit ca. 1950 widmete er sich der Charakterisierung einfacher Gruppen und legte damit die Grundlagen für die spätere Klassifizierung aller endlichen einfachen Gruppen.

    Lebensdaten

    Geboren am 10. Februar 1901 in Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg)
    Gestorben am 17. April 1977 in Belmont bei Boston (Massachusetts, USA)
    Grabstätte Mount Auburn Cemetery in Cambridge (Massachusetts, USA)
    Konfession jüdisch
    Richard Brauer, MFO (InC)
    Richard Brauer, MFO (InC)
  • 10. Februar 1901 - Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg)

    Ostern 1907 - September 1918 - Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg)

    Schulbesuch (Abschluss: Notabitur)

    Kaiser-Friedrich-Schule

    September 1918 - November 1918 - Berlin

    ziviler Hilfsdienst

    Militär

    Februar 1919 - April 1919 - Charlottenburg

    Studium (Zwischensemester)

    TH

    1919 - 1925 - Berlin; 1920 Freiburg im Breisgau; seit 1920 Berlin

    Studium der Mathematik und Physik

    Universität

    Juli 1925 - März 1926 - Berlin

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1925 - 1933 - Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland)

    Assistent

    Universität

    1927 - Königsberg

    Habilitation für Mathematik

    Universität

    September 1933 - Königsberg

    Entlassung; Entzug der Lehrbefugnis

    Universität

    Ende Oktober 1933 - 1934 - Lexington (Kentucky, USA)

    Emigration; seit November 1933 Gastprofessor

    University of Kentucky

    1934 - 1935 - Princeton (Massachusetts, USA)

    Institute of Advanced Study

    1935 - 1948 - Toronto (Ontario, Kanada)

    Assistant Professor für Mathematik, dann Associate Professor, zuletzt Full Professor

    University of Toronto

    1941 - 1941 - Madison (Wisconsin, USA)

    Gastprofessor

    University of Wisconsin

    1948 - 1952 - Ann Arbor (Michigan, USA)

    Full Professor für Mathematik

    University of Michigan

    1952 - 1971 - Cambridge (Massachusetts, USA)

    Full Professor für Mathematik; seit 1967 Perkins Professor (1959–1963 Head of the Department of Mathematics)

    Harvard University

    17. April 1977 - Belmont bei Boston (Massachusetts, USA)

    alternativer text
    Richard Brauer, MFO (InC)

    Brauer besuchte seit 1907 die Kaiser-Friedrich-Schule in Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg) und erhielt 1918 das Notabitur. Seine frühe wissenschaftliche Entwicklung wurde von seinem Bruder Alfred Brauer (1894–1985) angeregt. Nach einem anfänglichen Studium der Physik wechselte er zum Sommersemester 1919 zum Studium der Mathematik an die Universität Berlin, mit einem Auswärtssemester in Freiburg im Breisgau. Brauer stand mit Ludwig Bieberbach (1886–1982) und Erhard Schmidt (1876–1959) in engeren Kontakt. Den größten Einfluss übte Issai Schur (1875–1941) aus, der ihn im Juli 1925 mit einer Arbeit „Über die Darstellung der Drehungsgruppe durch lineare Substitutionen“ zum Dr. phil. promovierte. Anschließend erhielt Brauer eine Assistentenstelle an der Universität Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland), an der er sich 1927 für Mathematik habilitierte.

    In den folgenden Jahren beschäftigte sich Brauer hauptsächlich mit Darstellungstheorie und der Theorie der Algebren über einem Grundkörper, damals auch hyperkomplexe Systeme genannt. Dabei kam er mit Emmy Noether (1882–1935) und Helmut Hasse (1898–1979) in Kontakt, mit denen er auch publizierte, etwa den nach den Dreien benannten Satz, dass jede rationale Divisionsalgebra zyklisch über ihrem Zentrum ist.

    Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurde Brauer aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen. Obwohl er kaum Englisch konnte, erhielt er aufgrund seines wissenschaftlichen Renommees umgehend ein Angebot für eine einjährige Gastprofessur an der University of Kentucky. 1934/35 war er als Assistent Hermann Weyls (1885–1955) am Institute of Advanced Study in Princeton (Massachusetts, USA) tätig. Beide arbeiteten über die Darstellungstheorie von Lie-Gruppen und veröffentlichten auf der Basis von Paul Diracs (1902–1984) Theorie des Elektrons einen Aufsatz über „Spinors in 𝑛 Dimensions“ (American Journal of Mathematics 57 (1935), H. 2., S. 425–449). Dank Noethers Empfehlung erhielt Brauer 1935 eine Stelle als Assistant Professor an der University of Toronto (Ontario, Kananda), wo er, bis auf ein Gastsemester 1941 an der University of Wisconsin, bis 1948 blieb und zum Full Professor aufstieg. In Toronto wandte sich Brauer verstärkt der Darstellungstheorie endlicher Gruppen zu; insbesondere verfasste er die Arbeit „On Artin’s L-Series“, in der er eine von Emil Artin (1898–1962) aufgestellte Vermutung bewies und für die er 1949 den Colepreis der American Mathematical Society erhielt. 1948 wechselte er als Professor für Mathematik an die University of Michigan in Ann Arbor (Michigan, USA) und 1952 an die Harvard University in Cambridge (Massachusetts, USA), an der er bis zu seiner Pensionierung 1971 blieb. In dieser letzten Phase seiner Karriere verfasste er circa die Hälfte seiner insgesamt über 120 Publikationen.

    In dieser Zeit widmete Brauer sich der Frage, wie sich einfache Gruppen charakterisieren lassen. Diese Forschungen wurden von seinem Schüler Walter Feit (1930–2004) mit John Griggs Thompson (geb. 1932) weitergeführt zu dem Ergebnis, dass alle endlichen Gruppen ungerader Ordnung auflösbar sind und damit entweder zyklisch von Primzahlordnung oder nicht einfach. Dieses Resultat wiederum gab Anlass zu der in den letzten Jahrzehnten erfolgten Klassifikation aller endlichen einfachen Gruppen.

    Brauer trug Bedeutendes zu zahlreichen Gebieten der Mathematik bei, u. a. zur Algebrentheorie, zur Darstellungstheorie sowohl von endlichen als auch von Lie-Gruppen und der algebraischen und analytischen Zahlentheorie. Insbesondere löste er zentrale Probleme der Mathematik des 20. Jahrhunderts oder trug zumindest zu ihrer Lösung bei, wie der Satz von Brauer-Hasse-Noether, die Artinsche Vermutung über 𝐿-Reihen und die Klassifikation endlicher einfacher Gruppen. Darüber hinaus wirkte er durch zahlreiche Schülerinnen und Schüler, etwa seine mehr als 30 Doktorandinnen und Doktoranden wie Richard Bruck (1914–1991), Paul Fong, Donald Lewis (1926–2015), Cecil Nesbitt (1912–2001) und Warren Wong, auf die Mathematik des 20. Jahrhunderts.

    1941/42 Guggenheim Memorial Fellowship
    1945 Mitglied der Royal Society of Canada
    1949 Cole Prize der American Mathematical Society
    1954 Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
    1954 Plenarvortrag auf dem International Congress of Mathematicians, Amsterdam
    1955 Mitglied der National Academy of Sciences, USA
    1959/60 Präsident der American Mathematical Society
    1962 Plenarvortrag auf dem International Congress of Mathematicians, Stockholm
    1963 Ehrenmitglied der London Mathematical Society
    1964 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
    1968 Hon. Dr., University of Waterloo (Ontario, Kanada)
    1969 Hon. D. Sc., University of Chicago (Illinois, USA)
    1970 Plenarvortrag auf dem International Congress of Mathematicians, Nizza
    1971 National Medal of Science, USA
    1974 Mitglied der American Philosophical Society
    1974 Hon. D. Sc., University of Notre Dame (Indiana, USA)
    1975 Hon. D. Sc., Brandeis University, Waltham (Massachusetts, USA)

    Teilnachlass:

    Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Zentralarchiv deutscher Mathematiker-Nachlässe, Cod. Ms. R. Brauer.

    Paul Fong/Warren J. Wong (Hg.), Richard Brauer. Collected Papers, 3 Bde., 1980. (P)

    Monografie:

    Charles W. Curtis, Pioneers of Representation Theory. Frobenius, Burnside, Schur and Brauer, 1999.

    Artikel:

    J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 6, 1936, S. 313, Bd. 7a, 1956, S. 251 u. Bd. 8, 1998, S. 514 f.

    Karl-Heinz Schlote, Art. „Brauer, Richard Dagobert“, in: Siegfried Gottwald/Hans-Joachim Ilgauds/ders. (Hg.), Lexikon bedeutender Mathematiker, 1990, S. 75.

    James Alexander Green, Art. „Brauer, Richard Dagobert“, in: Frederic L. Holmes (Hg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. 17, 1990, S. 98–102.

    Winfried Scharlau, Emmy Noether’s Contributions to the Theory of Algebras, in: Yuri Brudnyi/Michael Cwikel/Yoram Sagher (Hg.), Function Spaces, Interpolation Spaces, and Related Topics, 1999, S. 39–55.

    Nachrufe:

    James Alexander Green, Richard Dagobert Brauer, in: Bulletin of the London Mathematical Society 10 (1978), S. 317–342. (W, P)

    Walter Feit, Richard D. Brauer, in: Bulletin of the American Mathematical Society (New Series) 1 (1979), H. 1, S. 1–20. (W)

    Hans Rohrbach, Richard Brauer zum Gedächtnis, in: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 83 (1981), H. 3, S. 125–134. (W)

    Charles W. Curtis, Richard Brauer. Sketches from His Life and Work, in: The American Mathematical Monthly 110 (2003), H. 8, S. 665–678. (P)

    Fotografien, 1929–1970, Oberwolfach Photo Collection.

    Fotografie, 1961, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Sammlung Voit: C. L. Siegel.

  • Autor/in

    Peter Ullrich (Koblenz)

  • Zitierweise

    Ullrich, Peter, „Brauer, Richard“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/117708550.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA