Baum, Oskar
- Dates of Life
- 1883 – 1941
- Place of birth
- Pilsen (Böhmen, heute Plzeň, Tschechien)
- Place of death
- Prag
- Occupation
- Musikkritiker ; Theater- und Literaturkritiker ; Schriftsteller ; Essayist ; Musiklehrer ; Organist
- Religious Denomination
- jüdisch
- Authority Data
- GND: 118507443 | OGND | VIAF: 3261714
- Alternate Names
-
- Baum, Oskar
- Baum, Oscar
- Immerfrei
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Baum, Oskar
1883 – 1941
Musik-, Theater- und Literaturkritiker, Schriftsteller, Essayist
Der u. a. mit Max Brod (1884–1968), Felix Weltsch (1884–1964) und Franz Kafka (1883–1924) befreundete, früh erblindete Schriftsteller Oskar Baum war eng mit der kulturellen Tradition des deutschsprachigen Prags verbunden. In seinem Werk, das Romane, Erzählungen, dramatische Texte, Essays, Literatur- und Musikkritiken umfasst, thematisierte er neben der Blindheit und den Lebensmöglichkeiten der Blinden Fragen der Schuld, der Bekämpfung sozialen Unrechts, jüdische Problematiken und Geschlechterbeziehungen.
Dates of Life
Oskar Baum (InC) -
Author
→Viera Glosíková (Prag)
-
Citation
Glosíková, Viera, „Baum, Oskar“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118507443.html#dbocontent
Aufgewachsen in einer jüdischen, deutschsprachigen Familie in Pilsen (Böhmen, heute Plzeň, Tschechien), erblindete der von Geburt an sehbehinderte Baum 1894 vollständig und musste den Gymnasialbesuch in Pilsen nach der Prima abbrechen. Anschließend erhielt er eine Ausbildung im Israelitischen Blindeninstitut Hohe Warte in Wien, die er 1902 mit der staatlichen Lehramtsprüfung für Klavier und Orgelspiel abschloss. Baum übersiedelte im selben Jahr zu seinen Eltern nach Prag und wurde hier als Organist in der Jerusalemer Synagoge angestellt. Später wirkte er als Klavierlehrer und schrieb erste literarische Texte, die in Periodika erschienen. Seit 1903 schloss er Freundschaften mit Mitgliedern des „engeren Kreises“ (Max Brod), einem literarischen Zirkel, dem Max Brod (1884–1968), Franz Kafka (1883–1924), Felix Weltsch (1884–1964) und später Ludwig Winder (1889–1946) angehörten.
In seiner literarischen Produktion wurde Baum seit seiner Heirat 1907 von seiner Ehefrau unterstützt. Im Zentrum seines von Expressionismus und Fjodor Dostojewski (1821–1881) beeinflussten Prosawerks steht – mit erkennbar autobiografischen Zügen – die innere und äußere Welt von Blinden, die sich einen den Sehenden gleichwertigen Lebensweg zu erkämpfen suchen. Baum zeichnete die Blinden nicht als tragische Figuren, sondern thematisierte den durch Mitleid geprägten Umgang Sehender mit Blinden, der diese in eine ausweglose Lebensisolation bringe. Dieses Motiv durchzieht Baums Werk von den ersten Büchern – dem Novellenband „Uferdasein“ (1908) und dem Roman „Das Leben im Dunkeln“ (1909) – bis zu späteren Werken wie den Romanen „Die neue Wirklichkeit“ (1921), „Drei Frauen und ich“ (1928) und „Nacht ist umher“ (1929).
Zeitgenössische Rezensenten machten auf weitere Themenkreise von Baums Werk aufmerksam, die dieses für ein breites Lesepublikum anziehend gemacht hätten, so die Rolle des Zufalls im menschlichen Leben („Die Memoiren der Frau Marianne Rollberg“, 1912), die literarische Aufarbeitung von Vorurteilen gegenüber Minderheiten aller Art sowie von sozialen („Die Schrift, die nicht log“, 1931) und politischen Spannungen („Zwei Deutsche“, 1934). Auch die Assimilierung der Juden in den böhmischen Ländern („Die böse Unschuld“, 1913) und Parallelen zum barbarischen Umgang mit der jüdischen Bevölkerung in NS-Deutschland („Das Volk des harten Schlafs“, 1937) werden in Baums Romanen behandelt. Charakteristisch für seine Prosa sind darüber hinaus Elemente des leisen Humors, des Traums („Die verwandelte Welt“, 1919), des Phantastischen („Das Wunder“, 1920) und der Ironie, z. B. in dem Roman „Die Tür ins Unmögliche“ (1919), in dem eine neuzeitliche Erlöser-Figur die Schuld der Menschheit tragen will.
Baum, der 1922 eine Anstellung als Musikkritiker in der Redaktion der Zeitung „Prager Presse“ gefunden hatte, wo er bis zum Verbot ihrer Herausgabe im Dezember 1938 wirkte, erwarb auch Anerkennung als Förderer deutschsprachiger Schriftsteller in der Tschechoslowakei. 1922 gründete er mit Winder und Johannes Urzidil (1896–1970) in Prag den Schutzverband der deutschen Schriftsteller in der Tschechoslowakei, dem er von 1934 bis 1938 als Vorsitzender präsidierte. Als Prag 1933 zu einem Zentrum deutscher Exilanten wurde, engagierte sich Baum bei der Organisation von Hilfeleistungen für die Geflüchteten. Bereits seit dem Münchner Abkommen 1938 mit Veröffentlichungsverbot belegt, stellte der 1932 mit dem Tschechoslowakischen Staatspreis für deutschsprachige Literatur aus der Tschechoslowakei ausgezeichnete Baum zwei Wochen nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Prag im März 1939 im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren einen Ausreiseantrag, der abgelehnt wurde, obwohl ein Visum für Großbritannien vorlag. Sein Tod infolge einer Bauchoperation 1941 kam Baums Deportation in das Ghetto Theresienstadt zuvor, in das seine Ehefrau verbracht wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Baums Werk in Vergessenheit; er wurde in beiden deutschen Staaten und in der Tschechoslowakei lediglich als Mitgründer des engeren Prager Kreises erwähnt; seine Bücher galten weitgehend als verloren oder vergriffen. Ende der 1980er Jahre setzte eine Neubeschäftigung mit ihm ein, die zur Wiederauflage mehrerer Werke führte, von denen viele in andere Sprachen übersetzt wurden.
1910 | Mitglied der J. G. Herder-Vereinigung, Prag |
1922 | Mitbegründer des Schutzverbands der deutschen Schriftsteller in der Tschechoslowakei (mit Ludwig Winder und Johannes Urzidil) (Vorsitzender 1934–1938) |
1932 | Tschechoslowakischer Staatspreis für deutschsprachige Literatur aus der Tschechoslowakei |
Teilnachlässe:
Židovské muzeum, Prag. (Manuskripte, Vorträge, Hörspiele, viele Schriftstücke in Brailleschrift)
Israelische Nationalbibliothek, Jerusalem
Weitere Archivmaterialien:
Register der jüdischen Kultusgemeinden in den böhmischen Ländern, Prag.
Státní ústrední archiv Praha, Prag. (persönliche Unterlagen, Anträge)
Muzeum literatury, Prag. (Schriftstücke, Übersetzungen)
Židovské muzeum, Prag. (Bücher, Schriftstücke, Fotografien, Totenmaske)
Archiv hlavního mesta, Prag. (persönliche Unterlagen, Anträge, Wohnadressen)
Gedruckte Quellen:
Franz Kafka, Briefe 1902–1924, 1958.
Franz Kafka, Tagebücher 1910–1923, 1965.
Max Brod, Streitbares Leben. Autobiographie, 1960.
Prosa:
Uferdasein. Abenteuer und Tägliches aus dem Blindenleben von heute. Mit einem Geleitwort von Max Brod. Novellen, 1908. (Onlineressource)
Das Leben im Dunkeln, Roman, 1909.
Die Memoiren der Frau Marianne Rollberg. Roman, 1911.
Die böse Unschuld. Ein jüdischer Kleinstadtroman, 1913.
Die Gefahr. Novelle, in: Oskar Wiener (Hg.), Deutsche Dichter aus Prag, 1919, S. 43-54, Wiederabdr. als 4. Kapitel in: Nacht ist umher, 1929, Esperanto 1926.
Die Tür ins Unmögliche, Roman, 1919, Neuausg. 1988
Die verwandelte Welt, Roman, 1919.
Die neue Wirklichkeit, Roman, 1921.
Drei Frauen und ich, Roman, 1927.
Nacht ist umher. Mit einem Nachwort von Stefan Zweig. Roman, 1929.
Die Schrift, die nicht log. Roman, 1931.
Zwei Deutsche. Roman, 1934.
Das Volk des harten Schlafs. Roman 1937.
Das Volk des harten Schlafs. Roman über die Chasaren, 1937.
Dramen:
Das Wunder. Drama in drei Aufzügen. 1920. (Uraufführung 27.3.1920, Kammerspiele des Deutschen Landestheaters, Prag)
Der pünktliche Eros. Tragische Groteske, 1927. (Uraufführung 23.2.1927, Neues Deutsches Theater, Prag)
Unveröffentlichte und verschollene Werke:
Jugend auf Abwegen. Roman, 1937/38.
Die Mädchen von Prag. Roman, 1937/38.
Man reißt sich um Paul. Komödie, 1937/38.
Filmexposés:
Nächte mit einer Unbekannten.
Die Folgen einer heissen Nacht.
Hochzeit im Schlaf oder die Küsse der Toten.
Zwischen zwei Küssen.
Hoheit vergisst sich.
Max Brod, Der Prager Kreis, 1966, Neuausg. 2016.
Margarita Pazi, Fünf Autoren des Prager Kreises, 1978. S. 128–169.
Josef Mühlberger, Geschichte der deutschen Literatur in Böhmen 1900–1939, 1981, S. 251–256.
Jürgen Serke, Böhmische Dörfer. Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaft, 1987, S. 131–142.
Sabine Dominik, Oskar Baum (1883–1941). Ein Schriftsteller des „Prager Kreises“, 1988. (zu den Filmexposés siehe S. 375–378)
Wolfgang Jacobsen/Wolfgang Pardey (Hg.), Der Blinde als Kritiker. Texte zu Musik und Literatur. Oskar Baum, 2014. (P)
Viera Glosíková/Ilse Nagelschmidt/Kilian Thomas (Hg.), Mit der Schrift sehen. Der Prager deutsche Autor Oskar Baum, 2020. (P)
Gabriela Veselá, Česko-německá literární křižovatka [Tschechisch-deutscher literarischer Kreuzweg], 2020, S. 442–453.
Nachrufe:
Hugo Begmann, in: Mitteilungsblatt der Hitachdut Olej Germania we ole Austria, Tel Aviv (1941), Nr. 112, S. 5.
N. N., Oskar Baum gestorben, in: Jüdisches Nachrichtenblatt, Ausg. Wien, Bd. 3 v. 14.3.1941, S. 2.
Lexikonartikel:
N. N., Art. „Baum, Oskar“, in: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, hg. v. Archiv Bibliographia Judaica, Bd. 1, 1992, S. 398–404.
Reinhard Müller, Art. „Baum, Oskar“, in: Deutsches Literartur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert, Bd. 2, hg. v. Konrad Feilchenfeldt, 2001, Sp. 7.
Frank Raepke, Art. „Baum, Oskar“, in: Killy Literaturlexikon, hg. v. Wilhelm Kühlmann, Bd. 1, 22008, S. 362–364.
Peter Petersen, Art. „Oskar Baum“, in: Claudia Maurer Zenck/ders./Sophie Fetthauer (Hg.), Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, 2015. (P) (Onlineressource)
Fotografie, 17.11.1932, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv und Grafiksammlung, FO300052/07. (Onlineressource)
Fotografien, Gemälde v. Alfréd Justitz (1879–1934), 1933, u. Totenmaske, alles Židovské muzeum [Jüdisches Museum], Prag.