Bangemann, Martin
- Dates of Life
- 1934 – 2022
- Place of birth
- Wanzleben (heute Wanzleben-Börde bei Magdeburg)
- Place of death
- Saint-Vincent-la-Châtre (Département Deux-Sèvres, Frankreich)
- Occupation
- Bundesminister ; Parteivorsitzender ; EU-Kommissar ; Rechtsanwalt
- Religious Denomination
- evangelisch
- Authority Data
- GND: 120084287 | OGND | VIAF
- Alternate Names
-
- Bangemann, Martin Andreas
- Bangemann, Martin
- Bangemann, Martin Andreas
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Bangemann, Martin Andreas
1934 – 2022
Bundesminister, Parteivorsitzender, EU-Kommissar, Rechtsanwalt
Martin Bangemann war als Parlamentarier im Bundestag und im Europäischen Parlament aktiv, übernahm 1984 das Amt des Bundeswirtschaftsministers und 1985 den FDP-Vorsitz. 1989 wechselte er zurück nach Brüssel, war für ein Jahrzehnt Mitglied der EU-Kommission und hatte sowohl an der Eingliederung der früheren DDR in den Europäischen Binnenmarkt als auch an der Privatisierung der Telekommunikation und dem Aufstieg der europäischen Telekommunikationsindustrie großen Anteil.
Dates of Life
Martin Bangemann, Imago Images (InC) -
Author
→Jürgen Frölich (Bonn)
-
Citation
Frölich, Jürgen, „Bangemann, Martin“ in: NDB-online, URL: https://www.deutsche-biographie.de/120084287.html#dbocontent
Bangemann kam mit seiner Familie zu Kriegsende nach Ostfriesland, 1955 erhielt er in Emden das Abitur. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Tübingen, seit 1958 in München, wo er das Studium 1960 mit dem Ersten juristischen Staatsexamen abschloss. In München absolvierte er das Referendariat und wurde nach dem Zweiten juristischen Staatsexamen 1962 mit einer rechtsphilosophischen Arbeit 1964 zum Dr. iur. promoviert. Er wurde zunächst als Anwalt in Stuttgart tätig, ließ sich bald in Metzingen als Rechtsanwalt nieder und wurde Ende der 1960er Jahre als Strafverteidiger von Tübinger APO-Sympathisanten bekannt. Bereits vorher bei einer studentischen Vorfeld-Organisationen der FDP aktiv und seit 1963 FDP-Mitglied, wurde Bangemann mit Beginn der sozial-liberalen Ära Mitglied des baden-württembergischen FDP-Landesvorstands und der innerparteilichen Programmkommission, wo er das im Oktober 1971 verabschiedete neue Parteiprogramm, die nachmals berühmten Freiburger Thesen mitformulierte.
Mit der Bundestagswahl 1972 zog Bangemann über die Landesliste in den Bundestag ein, der ihn 1973 in das Europäische Parlament entsandte. Dem linken Parteiflügel zugerechnet, wurde er, seit 1974 baden-württembergischer Landesvorsitzender, auf Vorschlag des neuen FDP-Parteivorsitzenden Hans-Dietrich Genscher (1927–2016) im selben Jahr als Nachfolger Karl-Hermann Flachs (1929–1973) zusätzlich zum Generalsekretär gewählt. Überraschend trat Bangemann in dieser Position für eine offenere Koalitionspolitik ein, die sich im Vorfeld der baden-württembergischen Landtags- und der Bundestagswahl 1976 in der Koalitionsfrage nicht zugunsten der SPD festlegen sollte. Da dies innerparteilich ohne Mehrheit blieb, trat Bangemann bereits 1975 als Generalsekretär zurück.
In der Folgezeit wandte sich Bangemann stärker europapolitischen Fragen zu und wurde 1977 erneut in das Europäische Parlament entsandt, nachdem er 1976 großen Anteil am organisatorischen Zusammenschluss der liberalen Parteien innerhalb der Gemeinschaft unter dem Namen ELD(R), der späteren ALDE, hatte. Bangemann war führend an der programmatischen Vorbereitung für die erste Direktwahl des Europäischen Parlaments beteiligt, für die er 1979 der FDP-Spitzenkandidat war. Er sicherte seiner Fraktion den Beitritt französischer Parlamentarier aus der Partei des Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing (1927–2020) und setzte deren Spitzenkandidatin Simone Veil (1927–2017) als Parlamentspräsidentin durch. Das so gewachsene Gewicht der Liberalen Fraktion nutzte Bangemann als Fraktionsvorsitzender geschickt, etwa um im Einklang mit Bundesaußenminister Genscher (Genscher-Colombo-Initiative) die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft (EG) in Richtung einer politischen Union und deren Erweiterung um die neuen Demokratien im südwestlichen Teil des Kontinents voranzutreiben oder die Rechte des Europäischen Parlaments aufzuwerten.
Der Verlust seines Mandats durch das Scheitern der FDP an der 5%-Klausel bei der Europawahl 1984 führte für Bangemann überraschenderweise zu einem Karriereschub, da er unmittelbar darauf die Nachfolge Otto Graf Lambsdorffs (1926–2009) als Bundeswirtschaftsminister im zweiten Kabinett Helmut Kohls (1930–2017) antrat. Damit war Bangemann zugleich Favorit für die Nachfolge Genschers im FDP-Vorsitz, den er Anfang 1985 übernahm. Es gelang ihm, v. a. da er nicht direkt mit der koalitionspolitischen „Wende“ der Partei von 1982 verbunden war, die FDP landes- und bundespolitisch in den Wahlergebnissen zu stabilisieren, kulminierend im Erfolg bei der Bundestagswahl Anfang 1987. Weniger geschickt agierte der als eigenwillig geltende und einer staatlichen Industriepolitik nicht generell abgeneigte Bangemann wirtschaftspolitisch, was auch innerparteiliche Kritik insbesondere des marktwirtschaftlichen Flügels um Lambsdorff hervorrief.
Bangemann, enttäuscht über seinen zurückgehenden innerparteilichen Rückhalt, strebte bald eine Rückkehr nach Brüssel in die Europäische Kommission an, verzichtete Anfang 1989 auf seine Regierungs- und Parteiämter und wurde in der zweiten EU-Kommission von Jacques Delors (1925–2023) einer der Vizepräsidenten mit der Zuständigkeit für Binnenmarkt und Industrie. Dies war bei den kurz darauf einsetzenden Umwälzungen in Osteuropa eine Schlüsselposition, die Bangemann zur raschen Eingliederung der gerade mit der Bundesrepublik vereinigten DDR in den EU-Binnenmarkt nutzte. In der dritten Delors-Kommission wechselte seine Zuständigkeit 1993 zur Informations- und Telekommunikationstechnologie unter Beibehaltung der Industriepolitik, die er auch unter dem Kommissionspräsidenten Jacques Santer (geb. 1937) ab 1995 behielt. Hier stellte Bangemann wichtige Weichen für die Privatisierung der Telekommunikation innerhalb der EU; er befürwortete deren Ausbau zu einem Bundesstaat. Nach dem geschlossenen Rücktritt der Kommission Santer im Zuge von Korruptionsvorwürfen im März 1999 kündigte Bangemann, der von den Vorwürfen nicht direkt betroffen war, seinen umgehenden Wechsel als Berater zum spanischen Telekommunikations-Konzern Telefónica an. Dies führte zu öffentlichen Auseinandersetzungen und zu gerichtlichen Prüfungen über die Rolle Bangemanns und von EU-Kommissaren allgemein nach deren Ausscheiden aus dem Amt, worauf Bangemann seinen beruflichen Wechsel um ein Jahr verschob. Die EU führte aus diesem Anlass einige Jahre später einen Verhaltenskodex für EU-Kommissare ein. Bangemanns Tätigkeit in Madrid endete bereits 2001, anschließend zog er sich auf seinen westfranzösischen Landsitz zurück.
1983 | Dr. h. c., Université de Lille |
1988 | Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich |
1989 | Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1989 | Thomas-Dehler-Preis der FDP |
1989 | Bayerischer Verdienstorden |
1989 | Großkreuz des Ordens des Infanten Dom Henrique (Portugal) |
1993–1999 | Honorarprofessor, Universität Lausanne |
1999 | Reinhold-Maier-Medaille der Reinhold-Maier-Stiftung |
Teilnachlass:
Archiv des Liberalismus, Gummersbach, ÜP 46/2014.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Koblenz, Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 2. und 3. Kabinett Kohl. (Onlineressource)
Bilder und Fiktionen in Recht und Rechtswissen, 1964. (Diss. iur.)
Grundwerte liberaler Politik, in: Kurt Sontheimer (Hg), Möglichkeit und Grenzen liberaler Politik, 1975, S. 55–73, wieder abgedr. in: Walter Scheel/Otto Graf Lambsdorff (Hg.), Freiheit in Verantwortung, 1998, S. 87–102.
Martin Bangemann/Roland Bieber, Die Direktwahl, Sackgasse oder Chance für Europa?, 1976, 21979.
Kurs ’87. Auf die F.D.P. kommt es an, 1985.
Arbeitsmarkt der Zukunft. Plädoyer für eine offene Gesellschaft, 1987.
Liberale Wirtschaftspolitik, in: Wolfgang Mischnick (Hg.), Verantwortung für die Freiheit. 40 Jahre F.D.P. 1989, S. 285–296.
Mut zum Dialog. Wege zur europäischen Industriepolitik, 1992.
Herausgeberschaft:
Die Abgeordneten Europas, 1984.
Claudia Strohbecke, Die Arbeit der F.D.P.-Abgeordneten im Europäischen Parlament seit der ersten Direktwahl 1979, 1993.
Albrecht Rothacher, Die Kommissare. Vom Aufstieg und Fall der Brüsseler Karrieren. Eine Sammelbiographie der deutschen und österreichischen Kommissare seit 1958, 2012, S. 131–140.
Lexikonartikel:
Walter Henkels, Art. „Martin Bangemann“, in: ders., Neue Bonner Köpfe, 1982, S. 33–36.
Bernd Löffler, Art. „Martin Bangemann“, in: Ulrike Nikel (Hg.), Politiker der Bundesrepublik Deutschland. Persönlichkeiten des politischen Lebens seit 1949 von A bis Z, 1985, S. 26.
Uwe Andersen, Art. „Bangemann, Martin“, in: Udo Kempf/Hans-Georg Merz (Hg.), Kanzler und Minister 1949–1998. Biographisches Lexikon der deutschen Bundesregierungen, 2001, S. 117–120.
Christiane Reinecke, Art. „Bangemann, Martin“, in: Rudolf Vierhaus/Ludolf Herbst (Hg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949–2002, 2002, S. 34 f.
Festschrift:
Wolfgang Knapp/Paul Weissenberg/Lothar Mahling (Hg.), Liber Amicorum Amico Librorum. Festschrift zum 65. Geburtstag, Privatdruck 1999. (P)
Fotografien, 1975–1990, Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs. (Onlineressource)