Lebensdaten
1857 – 1939
Geburtsort
Stralsund
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Warenhausbesitzer
Konfession
mehrkonfessionell
Namensvarianten
  • Wertheim, Georg

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Zitierweise

Wertheim, Georg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140772.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Abraham (1819–91), Kaufm., S d. Joseph Lewin (Cohn) (1793–1863), aus Salzwedel (?), Kaufm. in Anklam, u. d. Freide (Frieda) Brahm ( 1846);
    M Ida (1830–1918, jüd.), Geschäftsfrau, T d. Wolf Loeser Wolff (1802–65), Rentier in Prenzlau, u. d. Liebe Meyer ( v. 1918);
    8 Geschw u. a. B Hugo (1856–83), Wilhelm (1859–1934), Franz (1863–1933), Wolf (1867–1940), alle Warenhausbes., Mitgesellschafter u. Geschäftspartner v. W.;
    1906 Ursula (1885–1975 / 76, 2] Arthur Lindgens, 1899–1976, Dr. iur., Prokurist, Justiziar), Geschäftsfrau, T d. Max(imilian) Gilka (1850–1933), Rr.gutsbes., u.d. Clara Röhll, S Albrecht (1910–98, Brigitte Broese, 1908–2009, T d. Paul Broese, 1859–1927, Dr. med., Geh. Sanitätsrat), Kaufm., T Ursula (1907–89, Douglas Froeb, 1909–94, in New York, USA);
    E Ursula (1947–80), Dr. med., zuletzt in Mexiko.

  • Biographie

    W. wuchs in Stralsund auf; den Besuch der höheren Schule mußte er aus finanziellen Gründen mit der Obersekunda 1872 abbrechen. Anschließend ging er mit seinem älteren Bruder Hugo bei einem Onkel in Berlin, bei „Wolff & Apolant“, in die kaufmännische Lehre. Nach Stralsund zurückgekehrt, übernahm W. 1876 mit Hugo maßgeblich die Leitung des 1875 von seinen Eltern gegründeten Kurz-, Manufaktur- und Posamentierwarenladens „A. Wertheim“.

    W. führte die zu dieser Zeit aufkommenden neuen Geschäftsprinzipien mit Festpreisen, Barzahlung und Umtauschrecht ein. Die Waren wurden ohne Zwischenhandel von den Produzenten erworben und günstig angeboten. Das Geschäft wurde bald vergrößert, 1884 eröffnete W. eine erste Filiale in Rostock. Das laufend erweiterte Sortiment mit industriell massenweise produzierten Waren fand schnellen Absatz. Mit einem Geschäft in der Rosenthaler Straße etablierte sich W. 1885 in Berlin, seit 1890 betrieb er ein weiteres Geschäft mit der inzwischen eingeführten Bezeichnung „Warenhaus“ am Moritzplatz in der Luisenstadt (Berlin-Kreuzberg). 1894 eröffnete W., inzwischen unterstützt durch seine Brüder Wilhelm, Franz und Wolf, die Mitgesellschafter und Geschäftspartner waren, in der Oranienstr. 53 / 54 in einem von dem Architekten Alfred Messel (1853–1909) eigens konzipierten Gebäude mit großen Schaufenstern, Gasbeleuchtung und großzügigen Innenhöfen ein großes Warenhaus. 1913 wurde hier der Betrieb zugunsten eines weiteren, moderneren Hauses am Moritzplatz aufgegeben, das Gebäude wurde noch als Produktionsstätte genutzt, im 2. Weltkrieg zerstört und später abgerissen. 1897 wurde an der Leipziger Straße 111 der erste Abschnitt eines größeren Warenhauses eingeweiht, das wieder von Messel ausgeführt und u. a. von César Klein (1876–1954) und August Gaul (1869–1921) ausgestattet wurde. Bis in die 1920er Jahre wurde dieser Bau erweitert, wobei der vertikal gegliederte Eckbau unmittelbar am Leipziger Platz (1904) dem Ensemble die stadträumliche Fassung gab.

    Ein Streit unter den Brüdern führte 1908 zu Wolfs Ausscheiden. Die formale Liquidation des gesamten Unternehmens, bis dahin eine OHG, und der umgehende Rückerwerb durch die drei älteren Brüder führte zu negativer öffentlicher Berichterstattung und weiteren antisemitischen Anfeindungen, die es seit dem Entstehen der Betriebsform Warenhaus gegen W. und andere Unternehmen wie „Hermann Tietz“ und „A. Jandorf & Co.“ gegeben hatte. Um diese Angriffe zu mindern, suchte W. auch den Kontakt zu Ks. Wilhelm II., der 1910 das Warenhaus „A. Wertheim“ am Leipziger Platz besuchte – dessen erster Besuch eines Warenhauses überhaupt.

    Das Warenhaus am Leipziger Platz (im 2. Weltkrieg weitgehend zerstört, 1955 abgerissen), das sich zum größten und wahrscheinlich umsatzstärksten Europas entwickelte, stellte für W. das Kernstück seines Lebenswerks dar: 1931 ließ er sich von Emil Orlik (1870–1932) mit der Ansicht dieses Gebäudes porträtieren. 1930 wurde das letzte Warenhaus des Unternehmens in Breslau eröffnet. Wertheim gehörte zu den fünf großen dt. Warenhausunternehmen der ausgehenden Weimarer Republik. Zugleich war der Warenhausbetrieb nur ein Teil eines weitverzweigten Konzerns, zu dem verschiedene Aktiengesellschaften gehörten, u. a. mit umfangreichem Immobilienbesitz. Sämtliche Anteile befanden sich bis 1933 im Familienbesitz.

    Nach 1933 sah sich W. erneut massiven antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Auf Empfehlung des Vertreters der „Deutschen Bank“, Emil Georg v. Stauß (1877–1942), schenkte er seine Aktien 1934 seiner als nichtjüd. geltenden Ehefrau Ursula. Nach dem Tod seiner beiden Brüder Franz 1933 und Wilhelm 1934 übernahm er den größten Teil ihrer Aktien und übertrug sie ebenfalls seiner Frau. Dennoch wurde das Unternehmen weiterhin als „jüdisch“ eingestuft. Die jüd. Mitarbeiter des Unternehmens mußten entlassen und der Name in „Allgemeine Warenhandelsgesellschaft A.G. für Handelsbeteiligungen“ (AWAG) geändert werden. Am 1. 1. 1937 mußte W. offiziell aus seinem Geschäft ausscheiden, das er schon zuvor nicht mehr hatte betreten dürfen. Nach Einflußnahme von Stauß ließen sich W. und seine Frau Ursula im Dez. 1938 scheiden. Auf Stauß’ Einwirken hin hatte der Wertheim-Konzern zuvor Grundstücke in der Voßstraße verkauft, die für die Errichtung der Neuen Reichskanzlei genutzt wurden. Ein Teil der Familie W.s emigrierte in die USA, einige Familienangehörige wurden in Auschwitz ermordet.

    W.s Witwe, seit 1941 verheiratet mit Arthur Lindgens, verkaufte nach Kriegsende die Mehrheit ihrer Anteile am Unternehmen, dessen Besitz im sowjet. besetzten Teil Berlins verstaatlicht wurde, an den Hertie-Konzern, der unter dem Namen „Wertheim“ in West-Berlin und der Bundesrepublik neue Warenhäuser eröffnete. Die beiden letzten Häuser dieses Namens in Berlin existierten noch einige Zeit nach dem Verkauf des Hertie-Konzerns an Karstadt 1994 weiter. Die seit 2001 von Familienangehörigen erhobenen Entschädigungsansprüche wurden gerichtlich als teilweise berechtigt anerkannt, der Karstadt-Konzern einigte sich in einem Vergleich mit der Familie.

  • Literatur

    |A. Wiener, Das Warenhaus, Kauf-, Geschäfts-, Büro-Haus, 1912;
    P. Stürzebecher, Warenhäuser, in: K. K. Weber u. P. Güttler, Berlin u. seine Bauten, T. VIII, Bd. A, Bauten f. Handel u. Gewerbe, hg. v. Architekten- u. Ing.-Ver. zu Berlin, 1978, S. 1–28;
    ders., Das Berliner Warenhaus, Bautypus, Element d. Stadtorganisation, Raumsphäre d. Warenwelt, 1979;
    K. Strohmeyer, Warenhäuser, 1980;
    R. Gellatley, An d. Schwelle d. Moderne, Warenhäuser u. ihre Feinde in Dtld., in: P. Alter (Hg.), Im Banne d. Metropolen, Berlin u. London in d. zwanziger J., 1993;
    S. Ladwig-Winters, Wertheim, Ein Warenhausuntern. u. seine Eigentümer, 1997;
    dies., Wertheim, Gesch. e. Warenhauses, 1997;
    dies. u. E. Fischer, Die Wertheims, Gesch. e. Fam., 2007;
    O. Ossmann, „Arisierung“ u. „Wiedergutmachung“ u. d. unbek. Gesch. d. Kaufhausimperiums Wertheim n. 1945, in: C. Biggeleben u. a. (Hg.), „Arisierung“ in Berlin, 2007, S. 315–35;
    R. Habel, Alfred Messels Wertheimbauten in Berlin, 2009;
    Qu BA Berlin-Lichterfelde.

  • Porträts

    |Gem. v. E. Orlik, 1931 (Berlin, Jüd. Mus.).

  • Autor/in

    Simone Ladwig-Winters
  • Zitierweise

    Ladwig-Winters, Simone, "Wertheim, Georg" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 857-858 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140772.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA