Lebensdaten
1918 – 2007
Geburtsort
Sankt Andrä-Wördern (Niederösterrisch)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Diplomat ; Politiker ; österreichischer Bundespräsident ; UN-Generalsekretär
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118771000 | OGND | VIAF: 89613090
Namensvarianten
  • Watzlawik, Kurt (bis 1920)
  • Waldheim, Kurt Josef
  • Waldheim, Kurt
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Waldheim, Kurt, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118771000.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Walter-Wenzel Watzlawik (Václavik, n. 1920 Walter W.) (1889–1966), Dir. d. Knabenbürgerschule Wieselburg (Niederösterr.) , 1924 Bez.schulinsp. f. d. Bez. Tulln, Reg.rat, S d. Wenzel Watzlawik (Václavík) (1850–1914);
    M Josefine (1897–1965), T d. Josef Wilhelm Petrasch (* 1870), aus Klosterneuburg, u. d. Amalia Leitzinger (1878–1950), aus W.;
    B Walter ( 1974), Physiker, Gymn.prof. am Theresianum in W.;
    Wien 1944 Elisabeth (1922–2017), Magistra, Jur., päpstl. Orden Pro Ecclesia et Pontifice 1994, T d. Walter Ritschel ( 1962), Offz., später in d. Privatwirtsch., u. d. Hildegard Jahutka;
    1 S Gerhard (* 1948), Dr. iur., Bankmanager, 2 T Liselotte W.-Natural (* 1945, Pierre Natural, * 1944, Jur. in Genf, S d. Albert Natural, 1918–2002, lic. iur., Dipl., Schweizer Botschafter in China), Magistra, Dipl., Christa Karas-W. (* 1959, Othmar Karas, * 1957, Mag., Dr., Pol., 1995–99 Gen.sekr. d. ÖVP, MdEP, 2012–14 Vizepräs. d. Europ. Parl., Ehrenprof. Donau-Univ. Krems), Dr. iur., Jur., Goldschmiedin, Malerin, Künstlerin.

  • Biographie

    W. maturierte 1936 am humanistischen Zweig des Gymnasiums Klosterneuburg (1933 Mitgl. d. kath. Mittelschülerverbindung Comagena Tulln), trat im selben Jahr als Freiwilliger in das Österr. Bundesheer ein und musterte 1937 als Reserveleutnant der Kavallerie aus. 1937 / 38 besuchte er als externer Hörer die Konsularische Akademie in Wien, die er 1939 abschloß. Im Aug. 1938 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und nahm an der Besetzung der sudetendt. Gebiete der Tschechoslowakei teil (Ausmusterung Okt. 1938), anschließend begann er ein Studium der Rechtswissenschaft an der Univ. Wien. Von Aug. 1939 bis Mai 1945 Soldat in der Wehrmacht, nahm er u. a. teil am Angriff gegen Polen, an der Besetzung Frankreichs und am Angriff gegen die Sowjetunion. Im Dez. 1941 schwer verwundet, wurde er seit 1942 in Jugoslawien bzw. Griechenland eingesetzt. Nach Studienurlaub und der Beförderung zum Oberleutnant Ende 1942 diente er von Okt. 1943 bis Kriegsende als dritter Ordonnanzoffizier (03) in der Abteilung für Feindaufklärung (Ic / AO) des Oberkommandos der Heeresgruppe E. Noch 1944 wurde er in Wien mit der Arbeit „Die Reichsidee bei Konstantin Frantz“ zum Dr. iur. promoviert.

    1945 trat W. in den diplomatischen Dienst der Republik Österreich ein und wurde bereits Ende 1945 Sekretär bei Außenminister Karl Gruber (1909–95). Ein Entnazifizierungsverfahren aufgrund von Eintragungen in seinem Wehrstammbuch zur Mitgliedschaft in einer Reiterstandarte der SA und dem Nationalsozialistischen Dt. Studentenbund 1938 wurde 1946 vom Außenministerium niedergeschlagen. 1948–51 war W. Legationssekretär an der österr. Botschaft in Paris, dann bis 1955 als Legationsrat Leiter der Personalabteilung im Außenministerium, 1955 / 56 Ständiger Beobachter Österreichs bei den Vereinten Nationen und 1956–60 österr. Missionschef in Kanada. 1960 übernahm er die Leitung der Westabteilung in der Politischen Sektion des Außenministeriums und wurde 1962 politischer Direktor des Außenressorts. 1964–68 sowie 1970 / 71 war W. Österreichs Botschafter bei den Vereinten Nationen, 1968–70 als Parteiunabhängiger Außenminister in der ÖVP-Alleinregierung von Bundeskanzler Josef Klaus (1910–2001), wobei er die Paketlösung zur Südtirolfrage finalisieren konnte. 1971 unterlag er als Kandidat der ÖVP zur Bundespräsidentschaftswahl mit 47,2 % dem sozialistischen Amtsinhaber Franz Jonas (1899–1974). Kaum ein Dreivierteljahr später vom Sicherheitsrat der UNO zum Generalsekretär vorgeschlagen, war er 1972–81 der 4. UNO-Generalsekretär mit aktiver Unterstützung des SPÖ-Bundeskanzlers Bruno Kreisky (1911–90).

    1980 tauchten im US-Kongreß erste Gerüchte über W.s Nähe zu NS-Institutionen auf, wurden von ihm aber scharf zurückgewiesen. 1986 wurde W., nach einem höchst kontroversen Wahlkampf über seine Kriegsvergangenheit und Nähe zu NS-Organisationen, seine Erinnerungslücken in seinen Memoiren und seiner Rechtfertigung „Ich habe meine Pflicht getan“, erst in der Stichwahl (53,9 %) gegen den ehemaligen SPÖ-Gesundheitsminister Kurt Steyrer (1920–2007) (46,1 %) zum 9. Bundespräsidenten Österreichs gewählt. Der sozialistische Bundeskanzler Fred Sinowatz (1929–2008), ein Gegner der Kandidatur W.s, trat daraufhin zurück, sein Nachfolger wurde Franz Vranitzky (* 1937). In der Folge blieb W., der heftig sowohl vom World Jewish Congress und US-Medien (zuerst in d. New York Times) als auch in westeurop. und österr. Medien (in d. Wochenmagazin „profil“ mit d. 1. Titelgeschichte z. Wehrstammkarte) kritisiert wurde, in Westeuropa und den USA isoliert und erhielt keine Einladungen zu Staatsbesuchen. In den USA wurde er vom Justizministerium auf eine Watch-List gesetzt und erhielt Einreise-Verbot.

    1988 legte eine internationale Historikerkommission unter Leitung des Schweizers Hans-Rudolf Kurz (1915–90) und des dt. Militärhistorikers Manfred Messerschmidt (* 1926) ihren Bericht zur Kriegsvergangenheit W.s vor und betonte, daß dieser zwar kein Kriegsverbrecher sei, aber umfassend über die Kriegsgreuel am Balkan informiert war. Er habe in keinem Fall „gegen zweifellos erkanntes Unrecht Einspruch erhoben, Protest geführt oder Gegenmaßnahmen getroffen“. W. war in der westlichen diplomatischen Öffentlichkeit stigmatisiert, auch wenn die Vorwürfe, er sei Kriegsverbrecher gewesen, zurückgezogen wurden und der World Jewish Congress seine Kampagne einstellte. Selbst die Verwendung seiner UNO-Pension für eine Sozialstiftung änderte nichts. Für die österr. Gesellschaft führte diese heftige und tiefgehende Debatte um W. jedoch zur langsamen Erosion des bis dahin gültigen Selbstverständnisses, primär Opfer des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Die Mittäterrolle von Österreichern thematisierte seit 1991 v. a. Bundeskanzler Vranitzky. W. bekannte sein persönliches Versäumnis in seinem politischen Testament „… viel zu spät zu den NS-Verbrechen umfassend und unmißverständlich Stellung genommen“ zu haben, sah sich aber nach wie vor als Opfer einer internationalen und nationalen Verleumdungskampagne. Nach dem Verzicht auf eine erneute Kandidatur wirkte W. als Präsident der Österr. Liga für die Vereinten Nationen in Wien.

  • Auszeichnungen

    |u. a. Orden d. Krone Kg. Zvanomirs in Silber m. Eichenlaub (1942);
    Kriegsverdienstkreuz II. Kl. mit Schwertern (1944), I. Kl. mit Schwertern (1945);
    Dr. h. c. (Katholieke Univ. Leuven 1975);
    Dr. iur. h. c. (HU Berlin 1979);
    Groß-Stern d. Ehrenzeichens f. Verdienste um d. Rep. Österr. (1986);
    Ehrenmitgl. d. K. H. V. Welfia Klosterneuburg im ÖCV (1992);
    päpstl. Piusorden (1994);
    Julius Raab Ehrenmedaille in Gold f. „Botschafter d. Landes u. d. Wirtschaft“ (2004);
    Gr.offz.kreuz d. Ordens v. Oranien-Nassau;
    Gr. BVK;
    Kommandeur d. Ehrenlegion.

  • Werke

    |Der österr. Weg, Aus d. Isolation z. Neutralität, 1971;
    Der schwierigste Job d. Welt, Die Uno, die beste aller Chancen, 1979;
    Im Glaspalast d. Weltpol., 1985;
    Die Antwort, 1996;
    Nachlaß: Österr. Nat.bibl., Wien.

  • Literatur

    |K. Gruber (Hg.), K. W.s Kriegsj., Eine Dok., 1987;
    H. Born, Für d. Richtigkeit K. W., 1987;
    R. E. Herzstein, W., the missing years, 1988;
    S. Wiesenthal, Der Fall W., in: ders., Recht, nicht Rache, Erinnerungen, 1990, S. 380 ff.;
    R. Wodak u. a., Die „Kampagne“ u. d. Kampagne mit d. „Kampagne“, Die „W.-Affäre“, in: dies. u. a. (Hg.), „Wir sind alle unschuldige Täter!“, Diskurshist. Stud. z. Nachkriegs-antisemitismus, 1990, S. 59–120;
    K. Gruber u. a., Wir über W., Ein Mann, e. Ära im Urteil d. Mitbürger, 1992;
    R. Mitten, The politics of antisemitic prejudice, The W. phenomenon in Austria, 1992;
    E. M. Rosenbaum u. W. Hoffer, Betrayal, The untold story of the K. W. investigation and cover-up, 1992;
    Internat. Commission of Historians, H. R. Kurz u. a. (Hg.), The W. report, Submitted February 8, 1988 to Franz Vranitzky, authorized English translation of the unpublished German report, 1993;
    A. Khol u. a. (Hg.), Die Kampagne, K. W., Opfer oder Täter?, 1995;
    M. Gehler, Die Affäre W., Eine Fallstud. z. Umgang mit d. NS-Vergangenheit in d. späten achtziger J., in: R. Steininger u. ders. (Hg.), Österr. im 20. Jh., Bd. 2: Vom Zweiten Weltkrieg b. z. Gegenwart, 1997, S. 395–410;
    B. Cohen u. L. Rosenzweig, Le mystère W., 1986;
    J. D. Ryan, The United Nations under K. W., 1972–1981, 2001;
    B. Tóth u. H. Czernin (Hg.), 1986, Das J., d. Österr. veränderte, 2006;
    G. Tidl, W., Wie es wirkl. war, Die Gesch. e. Recherche, 2015;
    Dokumentarfilm: W.s Walzer, v. R. Beckermann, 2018.

  • Porträts

    |Photogrr. (BA, Bildarchiv).

  • Autor/in

    Oliver Rathkolb
  • Zitierweise

    Rathkolb, Oliver, "Waldheim, Kurt" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 304-306 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118771000.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA