Lebensdaten
1925 – 2006
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Heidelberg
Beruf/Funktion
Humangenetiker
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Vogel, Friedrich

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Zitierweise

Vogel, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz137010.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Reinhold (1890–1944 ⚔), Bankbeamter, Major;
    M Ingrid Wahrenholz (1904–90);
    1951 Adelheid Kurth (1927–2003), Apothekerin;
    3 S Sebastian (* 1955), Rüdiger (* 1962), Tilman (* 1963), 1 T Christiane (* 1957).

  • Biographie

    Nach dem Abitur 1943 am Gymnasium „Zum Grauen Kloster“ in Berlin sowie Kriegsdienst und kurzer Gefangenschaft studierte V. 1946–48 an der Univ. Berlin und anschließend als einer der Gründungsstudenten an der FU Medizin. Mit einer Arbeit über Psychosomatik bei Ekzemen wurde er 1952 zum Dr. med. promoviert. 1953–62 war V. am MPI für vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie in Berlin tätig. Obwohl die Vererbungsforschung am Menschen durch die Verbrechen der NS-Zeit nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland nachhaltig diskreditiert war, entschied sich V. aufgrund der Theoriestärke des Fachs für eine Tätigkeit auf diesem Gebiet. 1957 habilitierte er sich an der FU Berlin für Humangenetik. Seit 1962 war er o. Professor für Humangenetik und Direktor des Instituts für Anthropologie und Humangenetik der Univ. Heidelberg (em. 1993).

    Als erstes beschäftigte sich V. mit der Mutabilität von Genen beim Menschen. Er ermittelte 1954 als erster die Mutationsrate beim Retinoblastom. Dabei wies er neben einer dominant erblichen Form dieser Tumorkrankheit eine klinisch identische nicht-erbliche Form nach. Außerdem untersuchte V. den Effekt des väterlichen Zeugungsalters auf die Häufigkeit spontaner Mutationen. 1954 begann er, sich mit der Genetik des normalen, unter Ruhebedingungen abgeleiteten Elektroenzephalogramms (EEG) zu beschäftigen. Er führte Untersuchungen an gesunden Zwillingen und Familien durch und konnte mehrere Varianten des normalen EEG abgrenzen, die einem einfachen Erbgang nach Mendel folgen.

    Er veröffentlichte 2000 „Genetics and the Electroencephalogram“, in dem genetische, klinische und neurophysiologische Aspekte zusammengeführt wurden.

    Seit 1959 befaßte V. sich mit der natürlichen Auslese im AB-Null-Blutgruppensystem. Anknüpfend an Max v. Pettenkofer (1818–1901) stellte er die Hypothese auf, daß die heutigen Unterschiede in der Verteilung der AB-Null-Blutgruppen in der Weltbevölkerung zumindest teilweise auf eine unterschiedliche Anfälligkeit gegenüber infektiösen Erkrankungen (z. B. Pocken und Cholera) zurückgehen.

    Im selben Jahr schuf er den Begriff „Pharmakogenetik“ und umriß dieses neue interdisziplinäre Gebiet. Nach Übernahme des Lehrstuhls in Heidelberg knüpfte V. an seine früheren Arbeiten zur Mutabilität an und machte das Problem der chemisch induzierten Mutationen zum zentralen wissenschaftlichen Thema des neuen Instituts. In seinem Arbeitskreis wurden in-vivo-Untersuchungen zur Mutagenität chemischer Stoffe an der männlichen und weiblichen Maus durchgeführt, deren Effekte auf Keimzellen und Körperzellen verglichen, der Einfluß des Säugerstoffwechsels berücksichtigt und die Belastung menschlicher Bevölkerungen durch chemische Mutagene mit statistischen Methoden erforscht. Bei der Interpretation der Befunde griff V.s Arbeitskreis auf Erfahrungen aus der Strahlengenetik zurück. Neben den theoretischen Auseinandersetzungen trieb V. in Heidelberg die Anwendung der Humangenetik voran. Bereits mit seinem Dienstantritt hatte er ein zytogenetisches Labor eingerichtet. Einige Jahre später kam ein molekulargenetisches Labor hinzu, in dem im Laufe der Jahre eine ganze Reihe monogen erblicher Krankheiten untersucht wurde. Seit Mitte der 1970er Jahre baute V. die genetische Beratung sowie die pränatale Diagnostik stark aus. Das Heidelberger Institut wurde zusammen mit der genetischen Beratungsstelle, die an diesem Institut angesiedelt war, die personell und materiell am besten ausgestattete humangenetische Einrichtung in der Bundesrepublik.

    Mit dem „Lehrbuch der allgemeinen Humangenetik“ (1961) nahm V. nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung des Fachs in Deutschland, weil er die Humangenetik klar von den Verirrungen der NS-Ideologie abhob. 1964 begründete er zusammen mit Fachkollegen die Fachzeitschrift „Humangenetik“ (seit 1976 „Human Genetics“), die dt. Humangenetikern den Zugang zur internationalen Fachwelt eröffnete. 1979 publizierte er mit Arno G. Motulsky (1923–2018) das enzyklopädische Lehrbuch „Human Genetics, Problems and Approaches“ (Neuaufl. 1986, 1996, zahlr. Überss.) und prägte so die Humangenetik international mit. Zu V.s Schülern zählen Thomas Cremer (* 1945), Gudrun Rappold (* 1954), Peter Propping (1942– 2016), Gunter Röhrborn (1931–2013), Engelhardt Schleiermacher (* 1935) und Traute M. Schroeder-Kurth (* 1930).

  • Auszeichnungen

    |Hans-Berger-Preis d. Dt. EEG-Ges. (1966);
    Gastprof. Delhi Univ. (1971);
    Mitgl. d. Leopoldina (1973) u. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1989);
    Fellow am Center for Advanced Study in Behavioral Sciences, Stanford (1976 / 77) u. am Wiss. Kolleg in Berlin (1983 / 84);
    BVK (1986);
    Dr. h. c. (FU Berlin 1988);
    Jacob-Henle-Medaille d. Med. Fak. d. Univ. Göttingen (1994);
    Ehrenmedaille d. Dt. Ges. f. Humangenetik (2003, mit A. G. Motulsky).

  • Werke

    |über 300 Art.;
    Genet. Fam.beratung, 1968 u. ö., engl., span., japan., ital., potugies. u. poln. Überss. (mit W. Fuhrmann);
    Chemical Mutagenesis in Mammals and Man, 1970 (Hg. mit G. Röhrborn);
    Ist unser Schicksal mitgeboren?, 1981 (mit P. Propping);
    Human Genetics, Proceedings of the 7th Internat. Congress Berlin 1986, 1987 (Hg. mit K. Sperling).

  • Literatur

    |P. Propping, in: Med. Genetik 1, 1995, S. 19;
    ders. u. C. R. Bartram, in: Human Genetics 120, 2007, S. 751–53;
    G. Rappold, My Last Visit with F. V., A Personal Remembrance, ebd., S. 749 f., K. Sperling, ebd., S. 755–57;
    Wi. 1991;
    Drüll, Heidelberger Gelehrtenlex. IV (L);
    – Mod. japan. Graphik aus d. Slg. V., hg. v. H. Gercke, Ausst.kat. Heidelberger Kunstver., 1998.

  • Porträts

    |Univ.archiv Heidelberg, Bildarchiv.

  • Autor/in

    Peter Propping †
  • Zitierweise

    Propping, Peter, "Vogel, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 16-17 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz137010.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA