Lebensdaten
1665 – 1727
Geburtsort
Mühlhausen (Thüringen)
Sterbeort
Gotha
Beruf/Funktion
Philologe ; Pädagoge ; Rektor des Gymnasiums Illustre in Gotha
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 117448672 | OGND | VIAF: 790339
Namensvarianten
  • Vockerodt, Godofredus
  • Vockerodt, Gothofredus
  • Vockerodt, Gottfried
  • mehr

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Zitierweise

Vockerodt, Gottfried, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117448672.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit 1392 mit d. Schmiedemeister Heinrich Folkenrot in M. nachweisbarer Fam.;
    V Sebastian (1627–1711), Bes. d. Antonius-Mühle u. Ratsherr in M.;
    M Judith, T d. Sebastian Stieler, Ratsherr in M.;
    Ov Johannes ( 1682), Mag., 1649 Lehrer am Gymn. u. Organist in M., 1655 Subkonrektor am Gymn. u. Kantor, 1662 Pfarrer in Grabe, 1667 an St. Nikolaus, 1681 Diakon an St. Blasien in M. (s. R. Eitner, Biogr.-bibliogr. Qu.lex. d. Musiker u. Musikgelehrten X, 1904);
    7 B, 4 Schw (alle v. 1689);
    1) Halle/Saale 1691 Helena (1674–99), T d. Johann (Gottfried) Gotthilf Stützing (1643–82), Pfänner, Ratskammerschreiber in Halle, u. d. Anna Sophia Olearius, 2) Mühlhausen 1700 Elisabeth Sophia (1678–1739), T d. Christian Her(t)zog (1653–1725), aus Tennstedt, Med., fürstl. sächs. Kammerdiener, erwarb 1692 d. Hofapotheke in G., Insp. d. Waisenhauses ebd., mit V. Vf. d. „Mumiographia medica, oder Ber. v. ägypt. Mumien“, 1716, franz. Übers. 1718 (s. Apotheker-Biogr. Erg.bd. II; W), u. d. Anna Martha Döhnel (1663–1720);
    1 S aus 1) Johann Gotthilf (1693–1755), Jur., Beamter, Geh. Kab.rat Friedrich d. Gr. (s. Zedler), 1 T aus 1) Magdalena Elisabeth ( 1718 Albrecht Christian Meckbach, aus M., Advokat), 11 K aus 2) (4 früh †), S aus 2) u. a. Johann August (* 1702), Jur., Student 1718 in Halle, 1720 in Jena, 1726 wieder in G., Ludwig Christian (1705–36), Theol., Philol., Student 1723 in Erfurt, 1725 in Halle, 1728 Informator am Pädagogium in Halle, 1732 Konrektor an d. Saldrischen Schule in Brandenburg/Havel, 1733 Vertr. d. Sup. in Berlin (s. Zedler), T aus 2) Elisabeth Marie ( 1721 Christian Meusel, Arzt in Grimma);
    Gvm d. 1. Ehefrau Johannes Olearius (1611–84), ev. Theol., Oberhofprediger, Gen.sup. in Weißenfels, Kirchenlieddichter (s. ADB 24; BBKL VI), Gvv d. 2. Ehefrau Elias Döhnel ( 1676), Apotheker in G.;
    Vt Johann Arnold (1655–1720), 1681 Kantor am Gymn. in Herford.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Gymnasiums in Mühlhausen immatrikulierte sich V. 1683 an der Univ. Jena, disputierte 1687 zum Magister und unterrichtete danach Latein, Hebräisch, Metaphysik und Logik. 1689 trat er eine Stelle als Konrektor am Gymnasium in Halle/Saale an. Hier lernte er August Hermann Francke (1663–1727) kennen, der seit Jan. 1692 im nahen Glaucha Pfarrer war und mit dem ihn später ein intensiver Briefwechsel verband. 1693 wechselte V. als Konrektor und Professor der Abschlußklasse Selecta an das Gymnasium Illustre in Gotha und wurde 1694 zum Rektor befördert. Unter Hzg. Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1676–1732) und dessen Oberhofprediger Heinrich Fergen (1643–1708) war der Gothaer Hof gegenüber der umstrittenen pietistischen Bewegung vergleichsweise tolerant. Mit Johann Hieronymus Wiegleb (1664–1730) fand neben V. ein weiterer als Pietist bekannter Theologe Anstellung. Unter V. wurde das Gymnasium Illustre zu einem frühen Versuchsfeld für pietistische Pädagogik. An der Schule kursierten anonyme Erbauungsschriften, abends hielten Schülergruppen im Coenobium, dem Internat, geistliche Zusammenkünfte nach dem Vorbild der in Gothaer Bürgerhäusern stattfindenden pietistischen Konventikel ab. Die nach Aussagen von Schülern allgegenwärtige Frage nach dem Seelenheil, verbunden mit rigoroser Kritik von V. und Wiegleb an aus ihrer Sicht unmoralischem Verhalten führte zeitweise zu innerschulischen Spannungen. Zu einer Untersuchung kam es, als der Selbstmordversuch eines Schülers bekannt wurde. Forderungen von Bürgermeister, Stadrat und Landständen nach einer Amtsenthebung V.s blieben ohne Wirkung. In seiner Amtszeit verzeichnete das Gymnasium wachsende Schülerzahlen. 1708 waren 925 Schüler eingeschrieben, davon 161 von außerhalb des Herzogtums, u. a. aus Frankfurt/M., Marbach, Lemgo, Halberstadt, Stuttgart und Berlin sowie aus Dänemark, Schweden und England. V. führte Neuerungen wie den Unterricht moderner Sprachen ein, zeitweise durch Muttersprachler wie Pierre Joseph Bardin aus Paris und Carolus Rali Dadichi (1694–1734) aus Aleppo. Zu den bekannten, von V. geprägten Absolventen gehört u. a. der Orientalist und Theologe Johann Heinrich Callenberg (1694–1760), Gründer des Institutum Judaicum et Muhammedicum, dem Zentrum der Hallenser Judenmission.

    Überregionale Bekanntheit erlangte V. mit seinen 1697 in „Mißbrauch der freyen Künste“ publizierten Thesen zum Adiaphora-Streit. In der Behandlung der freien Künste, v. a. von Musik, Komödie und Tanz, durch die luth. Orthodoxie sah er eine Ursache religiöser Indifferenz und verurteilte die sog. „Mitteldinge“ als Beförderung „heydnischen Unwesens“. Es sei Mißbrauch der Kunst, würde diese um ihrer selbst willen betrieben werden. In Antwortschreiben gegen die spöttischen Erwiderungen von Johann Beer (1655–1700) verteidigte V. 1698 seine Position ausführlich. In der Fortführung der Kontroverse 1699 / 1700 gegen Albrecht Christian Rotth (1651–1701) entwickelte V. den zentralen Gedanken, daß Freude an den „Mitteldingen“ dem Bekehrungserlebnis und somit der Heiligung entgegenstehe. In einer 1710 anonym veröffentlichten Schrift mokierte sich Johann Philipp Slevogt (1649–1727) über V.s ausufernden, von Affekten geprägten Stil. Sdzuj attestiert V. Position zu den „Mitteldingen“ eine danach nicht wieder erreichte Verbissenheit“. Parallel zu der überregional geführten Adiaphora-Kontroverse übten V. und sein pietistischer Kollege Wiegleb in Gotha scharfe Kritik an der bei einigen Schülern üblichen Praxis, sich durch Mitarbeit in der Hofkapelle ein Zubrot zu verdienen. V.s umfangreiche Gelehrtenbibliothek wurde nach seinem Tod im Rahmen einer Auktion verkauft.

  • Werke

    Weitere W u. a. Wiederholetes Zeugnüs d. Warheit, 1698;
    Auffgedeckter vergönneter Lust- u. Mitteldings Betrug, 1698;
    Erleuterte Auffdeckung d. Betrugs, 1699;
    Sieg d. Wahrheit, 1700;
    Mumiographia medica, oder Ber. v. Egypt. Mumien“, 1716 (mit Ch. Hertzog).

  • Quellen

    |Forsch.bibl. Gotha; Thür. StA Gotha; StadtA Gotha; – Briefe: Forsch.bibl. Gotha, Nachlaß Ernst Salomon Cyprian; Staatsbibl. Preuß. Kulturbes. Berlin, Hss.abt., Nachlaß August Hermann Francke; Franckesche Stiftungen, Studienzentrum August Hermann Francke, Archiv u. Bibl.; – zur Bibl.: Catalogus bibliothecae Vockerodtianae, 1729 (Auktionskat.).

  • Literatur

    |Ch. F. Schulze, Gesch. d. Gymn. zu Gotha, 1824, S. 188–96;
    Paul Vockerodt, Vom Mühlhäuser Geschl. V., in: Mühlhäuser Gesch.bll. 27, 1927, S. 191–209;
    Th. Wotschke, G. V. in seinen Briefen an August Hermann Francke, ebd. 28, 1929, S. 46–82;
    G. Busch, Die Beer-V.-Kontroverse im Kontext d. frühen mitteldt. Oper, Oder Pietist. Opern-Kritik als Zeitzeichen, in: Das Echo Halles, Kulturelle Wirkungen d. Pietismus, hg. v. R. Lächele, 2001, S. 131–70;
    R. Bayreuther, Der Streit zw. Beer u. V., Zur Physiognomie d. Musikauffassung im Spannungsfeld v. pietist. Kunstkritik u. antipietist. Polemik, in: Johann Beer, Schriftst., Komp. u. Hofbeamter 1655–1700, in: Btrr. z. Internat. Beer-Symposium in Weißenfels Okt. 2000, hg. v. F. van Ingen, 2003, S. 285–303;
    R. B. Sdzuj, Adiaphorie u. Kunst, Studien z. Geneal. ästhet. Denkens, 2005;
    I. Scheitler, Der Streit um d. Mitteldinge, Menschenbild u. Musikauffassung b. G. V. u. seinen Gegnern, in: Alter Adam u. Neue Kreatur, hg. v. U. Sträter, Bd. 2, 2009, S. 513–30;
    Ch. Köhler, Andreas Wilke u. G. V., zwei namhafte Rektoren d. Gothaer Gymn., in: Gotha macht Schule, Bildung v. Luther bis Francke, hg. v. S. Salatowsky 2013, S. 21–30;
    S. Salatowsky, Was soll man wissen? Ratke, Reyher u. V. über d. Wert d. Philos.unterr., ebd., S. 61–88;
    M. Rieger, Eine pietist. Ausbildungsstätte? Der Streit um d. Gymn. Illustre um 1700, ebd., S. 88–95;
    Jöcher;
    Zedler;
    MGG²;
    RGG⁴.

  • Autor/in

    Miriam Rieger
  • Zitierweise

    Rieger, Miriam, "Vockerodt, Gottfried" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 1-2 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117448672.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA