Lebensdaten
1872 – 1932
Geburtsort
Dimokur (Böhmen)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
österreichischer Außenminister
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118677659 | OGND | VIAF: 95176476
Namensvarianten
  • Czernin von und zu Chudenitz, Ottokar Theobald Otto Maria Graf
  • Czernin von und zu Chudenitz, Ottokar Graf
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Zitierweise

Czernin von und zu Chudenitz, Ottokar Graf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118677659.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Theobald (1836–93), k. k. GR, Herr auf Dimokur u. Winar, S des Ottokar (1809–86), Hofrat b. der Allgemeinen Hofkammer, u. der Rosine (1815–74), T des Generalmajors Jos. Maria Graf v. Colloredo-Waldsee (1773–1815) u. der Rosina Maria Hartmann, Gfn. v. Klarstein;
    M Anna Maria (1850–1924), T des Otto Gf. v. Westphalen zu Fürstenberg (1807–56), preußischer Gesandter in Petersburg (1840), u. der Christiane (1824–80), T des Karl Wilhelm Ernst Frhr. v. Canitz u. Dallwitz ( 1850, s. NDB III); Urgroßonkel väterlicherseits Joh. Rud. (1757–1845), gestaltete seine Güter zu Mustergütern, legte Kupferstich- u. Gemäldesammlungen an, hatte die Hofsammlung u. das Hoftheater unter sich, das Burgtheater erlebte unter ihm als Intendanten u. dem Dramaturgen Schreyvogel, den er später verdrängte, eine Blüte, er gründete u. förderte zahlr. Schulen, Kunst- u. Wohltätigkeitsanstalten, Ritter des Ordens v. Goldenen Vließ (s. ÖBL), Franz Gf. v. Colloredo-Waldsee ( 1859), österr. Diplomat (s. NDB III);
    Heřmanmĕstec 1897 Maria Gfn. Kinsky v. Wchinitz u. Tettau (1878–1945), T des Fürsten Ferdinand (1834–1904, s. BJ X, Tl. 1904) u. der Marie Prn. v. u. zu Liechtenstein;
    4 S, 2 T.

  • Biographie

    Nach Absolvierung der deutschen Universität in Prag begann C. 1895 die diplomatische Laufbahn an der österreichisch-ungarischen Botschaft in Paris. 1899 ging er als Geschäftsträger nach Den Haag, wurde aber 3 Jahre später in die Disponibilität versetzt. In den nächsten Jahren widmete er sich ab 1903 als Abgeordneter des böhmischen Landtages innenpolitischen Fragen. Als ein Verfechter alt-konservativer Ideen und als ein Verteidiger des „monarchischen Prinzips“, das heißt der Staatsautorität gegenüber dem demokratischen Parlamentarismus, bekämpfte er auf das Entschiedenste die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes und trat mit dem Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand in Verbindung. Als einer seiner engsten Berater übte C. zeitweise einen nicht unerheblichen Einfluß aus. Im Sinne neu-ständischer Ideen arbeitete C. an einer Rekonstruktion des Adels als politisch tragende Schicht und bemühte sich um einen Zusammenschluß des konservativen und verfassungstreuen Großgrundbesitzes. Im Februar 1912 wurde er lebenslängliches Herrenhausmitglied und im Oktober des nächsten Jahres auf Wunsch des Erzherzogs Franz Ferdinand wieder in den aktiven Dienst berufen und als Gesandter nach Bukarest entsandt, wo er die Monarchie bis zum Kriegseintritt Rumäniens im August 1916 vertrat.

    Als Kaiser Karl nach seiner Thronbesteigung neue Männer in seine Umgebung berief, in vielen Fällen solche, die seinem Onkel Erzherzog Franz Ferdinand nahe gestanden hatten, da ernannte er C. im Dezember 1916 zum Minister des Äußeren, womit auch der Vorsitz im Ministerrat verbunden war. In letzterer Eigenschaft übte C. einen bedeutenden, nicht immer konsequent zielstrebigen Einfluß auf die Innenpolitik aus, ja, er dachte eine Zeitlang selbst daran, den Posten eines österreichischen Ministerpräsidenten zu übernehmen. Die Lage im Inneren, vor allem die Verschärfung der wirtschaftlichen Situation, waren auch der Grund, daß C. auf baldmöglichste Beendigung des Krieges drängte, wobei ihm als Voraussetzung erschien, daß Deutschland gegen Kompensationen im Osten (Polen) Elsaß und Belgien freigab. Die ablehnende Haltung Deutschlands sowie die mangelnde Verständigungsbereitschaft der Ententemächte ließen C. Bemühungen scheitern. Die Haltung der Entente wie auch die enge militärische und wirtschaftliche Verflechtung der Mittelmächte beraubten C. aber auch jeder Hoffnung auf einen Separatfrieden. - Bei den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk traten die Gegensätze zwischen den Verbündeten erneut zu Tage. Während Deutschland (Ludendorff) auch im Osten einen „Frieden mit Profit“ anstrebte, bemühte sich die österreichische Delegation unter C. Führung, so schnell als möglich den ersehnten „Brotfrieden“ zu erlangen. Hierbei gewährte C. der Ukraine Zugeständnisse, die eine leidenschaftliche Reaktion der Polen gegen Österreich hervorriefen und C. Position bereits erschütterten, bevor noch die Affaire mit dem Sixtus-Brief am 19.4.1918 seinen Sturz herbeiführte. Nach dem Zusammenbruch gehörte C. von 1920-23 dem neugebildeten österreichischen Nationalrat an. - Zweifellos sehr begabt, geistig ungeheuer lebhaft und ideenreich, selbstbewußt und nicht ohne Ehrgeiz, ließ sich C. fast ausschließlich von plötzlichen Eingebungen leiten, mit denen er nicht selten das Richtige traf. „Aber die stürmische Hast, mit der er sich neuen Eindrücken hingab, brachte in seine Politik auch das Element großer Unstetigkeit, die sich gegenüber den Feinden, noch ungünstiger aber gegenüber dem Bundesgenossen und in der Einstellung zu den jeweiligen Erfolgsmöglichkeiten oder Verzichtforderungen geltend machte“ (Glaise-Horstenau).

  • Werke

    Österreichs Wahlrecht u. Parlament, Prag 1905;
    Politische Betrachtungen, ebenda 1908;
    Zur Erhaltung d. Reichseinheit, in: Österr. Rdsch. 28, 1911, S. 327-32;
    Im Weltkriege, 1919;
    mehrere Ztg.art. u. a.: Neues Wiener Journal v. 8.5. u. 11.12.1927, Neue Freie Presse v. 10.7.1927, Pester Lloyd v. 10.12.1927.

  • Literatur

    Österr.-ungar. Rotbuch, Diplomatische Aktenstücke betr. d. Beziehungen Österreich-Ungarns zu Rumänien in d. Zeit v. 27.7.1914 bis 27.8.1916, 1916;
    A. Demblin, C. u. d. Sixtus-Affaire, 1920;
    Prince Sixt de Bourbon, L'offre de la paix séparée de l'Autriche, Paris 1920;
    Menschen u. Menschenwerk, hrsg. v. Arpád Keitner, 1924, S. 157 ff. (P);
    V. Naumann, Profile, 1925;
    R. Fester, Die Politik Kaiser Karls u. d. Wendepunkt d. Weltkrieges, 1925;
    K. Wortmann, O. C. u. d. Westmächte im Weltkrieg, in: HV 14. Jg., 1929, S. 199-252;
    E. v. Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, 1929 (P);
    A. Gf. Polzer-Hoditz, Kaiser Karl, 1929 (P);
    K. Frhr. v. Werkmann, Dtld. als Verbündeter, 1931 (P);
    F. Funder, Vom Gestern ins Heute, 1952;
    R. Kiszling, Erzhzg. Franz Ferdinand v. Österreich-Este, 1953;
    A. Spitzmüller, „… u. hat auch Ursach es zu lieben“, 1955;
    J. Ch. Allmayer-Beck, Min.präs. Baron Beck, 1956;
    R. A. Kann, Count O. C. and Archduke Francis Ferdinand, in: Journal of Central European Affairs 16, Boulder, Col. 1956, S. 117-45:|Encyclopaedia Italiana, Rom 1929-39, XII, S. 208 (weitere L);
    The Encyclopaedia Britannica VI, London 1950, S. 967.

  • Porträts

    17 Phot. (Bildarchiv d. Nat.bibl. Wien).

  • Autor/in

    Johann Christoph Allmayer-Beck
  • Zitierweise

    Allmayer-Beck, Johann Christoph, "Czernin von und zu Chudenitz, Ottokar Graf" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 458-460 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118677659.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA