Lebensdaten
1758 – 1838
Geburtsort
Waldenburg (Basel-Landschaft)
Sterbeort
Basel
Beruf/Funktion
Bürgermeister in Basel
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 139105727 | OGND | VIAF: 100413592
Namensvarianten
  • Wieland, Johann Heinrich
  • Wieland, Hans Heinrich
  • Wieland, Johann Heinrich, Edler von Hattstatt
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Orte

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Zitierweise

Wieland, Johann Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd139105727.html [19.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Wieland *)Zu Bd. XLII, S. 399.: Johann Heinrich W. stammte aus einer Baseler Familie, welche schon im 17. und 18. Jahrhundert der Stadt Basel eine Anzahl tüchtiger Männer geliefert hatte. Der Ahnherr Hans Konrad Wieland aus Mülhausen erhielt 1587 das Basler Bürgerrecht und bekleidete in seiner neuen Heimath die Stelle eines Stadtschreibers in der kleinen Stadt. Mehrere seiner Nachkommen traten in fremde Dienste, einem Zuge folgend, welcher der Familie bis in die jüngste Zeit eigen geblieben ist.

    Dem Studium der Theologie hingegen widmete sich Johann Heinrich W., der Vater des spätern Bürgermeisters, er wurde zuerst Pfarrer zu Rosenweiler bei Straßburg, bis er 1753 zum Prediger in dem jetzt basellandschaftlichen Städtchen Waldenburg ernannt wurde. 1760 erhielt er einen Ruf an die Petersgemeinde seiner Vaterstadt, welche Stelle er bis zu seinem 1769 erfolgten Tode bekleidete. Verheirathet war Pfarrer W. mit Dorothea Buxtorf, aus welcher Ehe am 14. Februar 1758 zu Waldenburg Johann Heinrich als das fünfte von sieben Kindern geboren wurde. Nach des Vaters Tod leitete die Mutter die Erziehung der Kinder, von denen Johann Heinrich für das Studium der Jurisprudenz und für den Staatsdienst bestimmt wurde. Nach Absolvirung des Gymnasiums|wurde der junge W. 1770 an der Basler Universität immatriculirt, welche Anstalt damals viel von ihrem frühern Ruhm eingebüßt hatte; mehr daher als die Fachprofessoren mögen auf den angehenden Juristen die Schriften und wol auch der persönliche Umgang des Philanthropen Isaac Iselin eingewirkt haben. In Basel erlangte W. den Grad eines Licentiaten, darauf begab er sich nach Genf und von da nach Colmar, wo er in der berühmten Kriegsschule des Dichters Gottlieb Konrad Pfeffel eine Anstellung als Privatsecretär gefunden hat. Dieser Aufenthalt in Colmar war für W. von der nachhaltigsten Bedeutung; Pfeffel wurde sein väterlicher Freund, und durch ihn lernte er eine Menge von Männern kennen, welche in den verschiedensten Stellungen thätig, an der Spitze der damaligen geistigen Bewegung standen.

    Was in Basel, Genf und Colmar begonnen worden war, fand in Göttingen, wo W. noch ein weiteres Jahr zubrachte, seinen Abschluß. Von der deutschen Universität kehrte er in seine Vaterstadt zurück, wo er in seinem vierundzwanzigsten Jahre die politische Laufbahn mit der Stelle eines Kanzlisten begann. Nicht ohne Einfluß auf die künftige Stellung Wieland's ist es gewesen, daß in dem nämlichen Jahre nach dem Tode Iselin's Peter Ochs als Rathsschreiber die Leitung der Kanzlei übernahm. 1786 wurde W. Schultheiß des Gerichts, als welcher er in dem aus zwölf Beisitzern bestehenden Civilgericht den Vorsitz führte, wenn das Streitobject den Werth von wenigstens zehn Pfund betrug. Um dieselbe Zeit erlangte er auch den Grad eines Doctor juris und vermählte er sich mit Valeria Weiß, einer Verwandten von Peter Ochs. Allein schon nach zwei Jahren starb die Gattin, sodaß 1790 W. sich zum zweiten Male verheirathete und zwar mit Maria Schweighauser, der Tochter des Rathsherrn Johannes Schweighauser, Besitzers einer angesehenen Buchdruckerei. Zu diesem seinem Schwiegervater trat W. in die engsten Beziehungen, obschon im Laufe der Zeit die politischen Ansichten der Beiden wesentlich auseinander gingen. Die Ehe mit Maria Schweighauser war eine überaus glückliche. Gesunder Humor und heitere Lebenslust gehörten zu den hauptsächlichsten Eigenschaften der Ehefrau, welche sie bis in ihr hohes Alter — sie starb erst 1851 — bewahrt hat. Ruhig und gelassen nahm sie das Ungemach des Lebens auf und verstand es, Widerwärtigkeiten dem Gatten aus dem Wege zu schaffen, so daß er mit ganzer Kraft den Pflichten seiner Stellung und seines Amtes obliegen konnte. Aus dieser Ehe sind fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, hervorgegangen.

    Neun Jahre bekleidete W. die Stelle eines Schultheißen, während welcher Zeit er sich im Verein mit Peter Ochs und Lukas Le Grand um das Basler Schulwesen und seine Verbesserung sehr verdient gemacht hat, dann wurde ihm 1795 vom Rathe das Amt eines Stadtschreibers von Liestal übertragen, welches für eine der begehrtesten Staatsstellen galt. Auch erhielt W. in der kleinen Landstadt die beste Einsicht in die Denkweise der Unterthanen zu einer Zeit, da sich die Folgen der französischen Revolution allenthalben in der Schweiz anfingen bemerklich zu machen. Liestal war stets ein Ort gewesen, wo freiere revolutionäre Anschauungen einen fruchtbaren Boden gefunden hatten. Zwar waren die politischen Zustände im Kanton Basel nicht schlimmer und nicht besser als in den übrigen Kantonen mit Zunftregiment. Ein erbliches Patriciat bestand nicht; allein dennoch befanden sich fast alle einflußreichen Aemter in den Händen verhältnißmäßig weniger, durch Industrie und Handel reich gewordener Familien. Dem Mittelstand wurden im allgemeinen die Schul- und Pfarrstellen überlassen, und den Handwerkern räumte man allerdings ohne gesetzliche Normirung einige Landvogteien ein, um sie bei guter Laune zu erhalten. Auch wurde durch eine schützende Gesetzgebung dafür gesorgt, daß die Leute bei ihrem Gewerbe so viel verdienten, als nöthig war, um sich und die Ihrigen ordentlich|durchzubringen. Eine höhere Bildung in französischem Geiste fand sich nur in den vornehmern Kreisen; die Universität wurde vernachlässigt und zum guten Theil dazu benützt, um jüngere Söhne anständig zu versorgen. In der Kirche, wo früher die alte Orthodoxie und der Pietismus sich bekämpft hatten, hatte letzterer den Sieg davongetragen und schickte sich nun an, auch über seinen neuen Gegner, den Rationalismus, Meister zu werden. Die Landschaft war von jeder Theilnahme an dem politischen Leben ausgeschlossen, sie war durch die Stadt vollkommen bevormundet, wobei jedoch nicht verschwiegen sein soll, daß von oben herab manche Verbesserung in der wirthschaftlichen Lage des Bauernstandes erstrebt und durchgeführt wurde.

    Unter solchen Umständen wurde es dem französischen Directorium, das allerdings nicht von reinen Absichten geleitet war, nicht schwer, den Umsturz der alten Eidgenossenschaft durchzusetzen, besonders da an manchen Orten und so gerade auch in Basel eine Anzahl jüngerer für die neuen Ideen begeisterter Männer den Wünschen des Nachbarlandes in weitgehender Weise entgegenkam. Zu diesen Freunden der Neuerungen gehörte auch Johann Heinrich W. Die Revolution des Kantons Basel vollzog sich auf ruhige Weise, indem die bisher regierenden Behörden einsahen, daß die Forderung des Landvolkes, welches politische Gleichheit und eine auf der Kopfzahl beruhende Repräsentativverfassung begehrte, auf die Dauer nicht könne abgeschlagen werden. So wurde ohne wesentliche Anwendung von Gewalt eine neue den Wünschen des Landes sowol als denjenigen der liberalen Stadtbürger entsprechende Verfassung eingeführt mit einer Nationalversammlung an der Spitze, die freilich nur ein sehr kurzes Leben fristete, indem schon nach wenigen Wochen im April 1798 auch in Basel die helvetische Einheitsverfassung eingeführt wurde.

    Während der Zeit der Bewegung in den ersten Wochen des Jahres war W. nicht besonders hervorgetreten. Seine Briefe zeigen, daß er die alte Regierung auf dem Laufenden erhielt und einer den Wünschen des Landes entsprechenden Verfassung das Wort redete. Er mahnte voll Besorgniß, man solle die nöthigen Verbesserungen nicht mehr hinausschieben, da sonst die Bewegung einen gefährlichen Charakter annehmen und eine unerwünschte Einmischung des Auslandes eintreten dürfte. Auch in Liestal selbst hat W. einen sehr wohlthätigen mäßigenden Einfluß ausgeübt. Nachdem nun aber die Revolution den Sieg davongetragen hatte, betheiligte sich der ehemalige Stadtschreiber von Liestal auf das lebhafteste an dem Gang der Dinge. Am 2. Februar wurde W. von seinen Mitbürgern zum Mitglied der Basler Nationalversammlung gewählt, als solcher gehörte er dem Justiz- und dem Constitutionscomité an, wozu noch einige weniger wichtige Aemter kamen. Sodann wurde W. im Verein mit Peter Ochs und Wernhard Huber zu den französischen Generalen Brune und Schauenburg gesandt, sowie in die Kantone Bern, Solothurn und Freiburg, um einerseits die Generale von dem Gedanken einer Theilung der Schweiz abzubringen und andrerseits die westlichen Kantone für die Annahme der helvetischen Verfassung zu gewinnen, wodurch allein unter den vorhandenen Umständen die Schweiz zu retten war. Die Bemühungen der Basler Gesandtschaft waren von Erfolg gekrönt, indem Brune das Theilungsproject aufgab. Auch fanden die Basler in Solothurn und in Lausanne eine sehr sympathische Aufnahme.

    Wol als eine Anerkennung für die geleisteten Dienste ist es zu betrachten, wenn W. am 2. April zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt wurde; als solcher hielt er am 18. April eine Rede, in welcher er unverhohlen seiner Freude über den neuen Zustand der Dinge Ausdruck verlieh und die Regierungsgeschäfte den helvetischen Behörden abtrat.

    Auch bei den Wahlen nach Einführung der neuen Verfassung wurde W. zu Ehren gezogen, indem ihm die Stelle eines Präsidenten der Basler Verwaltungskammer übertragen wurde. Es war dies keine leichte Stelle, die den gewissenhaften Mann und aufrichtigen Eidgenossen in die schwierigste Lage versetzen und ihn mehr als einmal in seinen revolutionären Ueberzeugungen wankend machen mußte; denn die Hand Frankreichs lag schwer auf dem Lande, und auch Basel hatte viel zu leiden und endlich stellte sich gar bald deutlich genug heraus, daß die neue helvetische Verfassung in vielen Dingen zu radical und unhistorisch vorgegangen war, und daß eine Modification derselben, die aber Frankreich nicht zugab, höchst nothwendig gewesen wäre. Ein Glück war es für W., daß er in Licentiat Schmid einen Regierungsstatthalter in Basel zur Seite hatte, dessen geistige und ethische Eigenschaften außer Zweifel standen. Hauptsächlich war die Ausscheidung des Staatsgutes von dem Gemeindevermögen mit vielen Schwierigkeiten verbunden, und die versuchten Uebergriffe der helvetischen Regierung erschwerten W. seine Thätigkeit so sehr, daß er in einem Briefe sagt, er sei noch bei keinem Amte demüthiger geblieben als in dieser Stellung. Trotz alledem aber ist W. auf seinem Posten geblieben, bis er 1801 zum Regierungsstatthalter des Kantons Basel ernannt wurde, welche Stelle er jedoch nicht sehr lange bekleidete, da er am 28. October 1801 zum helvetischen Senator gewählt wurde; später gehörte er zu den Notabeln, welche die sogenannte zweite helvetische Verfassung zu berathen hatten, und schließlich wurde er im Sommer 1802 helvetischer Finanzminister, welche Beamtungen ihn zwangen, zu Ende des Jahres 1801 nach Bern überzusiedeln.

    Aus den Briefen, die W. damals nach Basel schrieb, sieht man, daß er infolge der schweren Schicksale, die sein Vaterland in den letzten Jahren betroffen hatten, seine Ideen und Anschauungen über Politik einer gründlichen Revision unterzogen hatte. Er hielt zwar immer noch fest an den Haupterrungenschaften der Revolution und trat allen Gelüsten nach Wiederherstellung der alten Aristokratie und Oligarchie entschieden entgegen. Allein die Durchführung absoluter Einheit auf Kosten der Kantone fand in ihm keinen Befürworter mehr und er wünschte einen Zustand herbei, der den Kantonen eine größere Selbstständigkeit gewähren sollte, ohne daß die Centralgewalt zur Bedeutungslosigkeit hinuntergedrückt würde.

    In diesem Sinn und Geist, der ihm mehrfach die heftigsten Vorwürfe von links und rechts zugezogen hat, arbeitete W. in Bern als Senator und zuletzt als helvetischer Finanzminister. Bei der allerorts sich erhebenden Contrerevolution, der sich im September auch Basel angeschlossen hatte, und die W. durchaus nicht gebilligt hat, sah er keinen andern Ausweg als die Vermittlung des ersten Consuls, die ja dann auch eintrat und W. aus seiner peinlichen Lage von seiner „Galeere“, wie er sich selbst ausdrückt, befreite. Im Frühling 1803 kehrte er nach Basel zurück, um als Mitglied der Regierungscommission den Uebergang von der Helvetik zu der Vermittlungsverfassung durchführen zu helfen.

    Während der Mediationszeit bekleidete W. die Stelle eines Staatsschreibers in Basel. Das Amt war ein sehr wichtiges, gerade in jenen Jahren der Mediation, da es sich für die Kantone darum handelte, nach den Stürmen der Revolution wieder in ein ruhiges Fahrwasser zurückzukehren, und zugleich Frankreich gegenüber diejenige Gefügigkeit an den Tag zu legen, welche das Land allein vor völliger Annexion retten konnte. W. galt stets als ein Anhänger der neuen Ordnung der Dinge, und die Aristokraten haben ihm nie seine Betheiligung an der Revolution ganz verziehen; allein er war ein Mann der Mitte geworden, weshalb auch, als im J. 1812 die Stelle eines Bürgermeisters|neu zu besetzen war, er an diesen höchsten Posten seiner Vaterstadt berufen wurde. Zwanzig Jahre lang hat er dieses Amt bekleidet. Als Bürgermeister von Basel, als Vertreter dieses Standes auf der Tagsatzung, als Gesandter der Eidgenossenschaft in Paris und Wien hat W. dem engern und weitern Vaterlande große Dienste geleistet. Stets trat er auf als eine vermittelnde Natur, er suchte auch jetzt, ohne seine Jugendideale zu verleugnen, den Forderungen der geänderten Zeit gerecht zu werden. Er ist auch jetzt noch ein eifriger Verfechter einer ansehnlichen Centralgewalt gegenüber den rückschrittlichen Forderungen, wie sie hauptsächlich von den aristokratischen Ständen ausgingen, er steht ein für die politische Gleichberechtigung aller Schweizer, für die Erhaltung der neuen Kantone und für die Neutralität der Schweiz im Kampfe der europäischen Großmächte.

    Als nach der Schlacht von Leipzig die zu Zürich versammelte Tagsatzung die Neutralität des Landes beschloß, war W. als Vertreter Basels sehr eifrig dafür, und wurde nun auch mit dem Luzerner Vincenz Rüttimann zu Napoleon abgesandt, um ihm den Beschluß der Tagsatzung zu unterbreiten und zugleich einige Modifikationen in dem Verhältniß der Schweiz zu Frankreich herbeizuführen. Hauptsächlich sollte der Rücktritt vom Continentalsystem begründet und eine Aenderung des französischen Werbesystems erzielt werden. Die Aufnahme der Gesandten in Paris war eine äußerst freundliche, und ihren Wünschen wurde Rechnung getragen. Am 12. December 1813 fand die Audienz bei Napoleon statt, bei welcher Gelegenheit W. dem Kaiser versicherte, die Schweiz sei niemals einiger gewesen als jetzt. Da aber Napoleon bei dieser Unterredung noch keine ausdrücklichen Zusicherungen bezüglich der Neutralität der Schweiz gab, so erhielten die Gesandten nachträglich noch eine solche sowol durch Caulaincourt als auch mittelbar durch den Kaiser selbst. W. wurde auch in Paris in seiner Meinung bestärkt, daß in der Schweiz alles geschehen sollte, damit die Neutralität des Landes aufrecht erhalten bleibe; allein seine Vorstellungen fanden bei dem Landammann und bei der Tagsatzung nicht die gewünschte Berücksichtigung, und noch in Paris erfuhr der Basler Bürgermeister den Rückzug der schweizerischen Armee und den darauf erfolgten Einmarsch der Alliirten.

    Mit schwerem Herzen kehrte W. in den letzten Tagen des Jahres 1813 in seine Heimath zurück, wo unterdessen mit der Umgestaltung der Dinge durch Abschaffung der Mediationsverfassung begonnen worden war. Anfangs Januar 1814 stattete er in Zürich Bericht ab über seine Pariser Sendung, begab sich dann wieder nach Basel, wo man mit der Revision der Kantonsverfassung beschäftigt war. Er suchte dabei der Reaction soviel als möglich entgegenzutreten, was ihm auch in manchen Stücken gelungen ist. Auch in der eidgenössischen Conferenz zu Zürich, die an Stelle der Tagsatzung für die Uebergangszeit getreten war, that W. sein möglichstes, um die Forderungen der Altgesinnten einzudämmen, weshalb er auch das unbedingte Zutrauen der Kantone Waadt und Aargau, die in ihrer Existenz so sehr bedroht waren, besaß. Als dann diese Conferenz im April zu einer Tagsatzung der neunzehn Kantone sich erweiterte, wurde W. zum Mitglied der Commission erwählt, welche eine neue Verfassung entwerfen und zugleich mit den fremden Ministern unterhandeln sollte, wobei in erster Linie die Wiedervereinigung der durch die Franzosen der Schweiz entrissenen Landestheile zur Sprache kam. Daneben trat W. mit Nachdruck für eine Vergrößerung des Kantons Basel durch Bestandtheile des ehemaligen Bisthums ein, da er von dem gewiß richtigen Satze ausging, es liege durchaus im Interesse Basels ein seiner Größe und Bedeutung entsprechendes Landgebiet um sich zu besitzen. Wenn schließlich auch nach den Bemühungen Wieland's in|Wien nicht mehr für Basel erreicht worden ist, so ist dies jedenfalls nicht seine Schuld.

    Mit Eifer befürwortete W. bei den Verfassungsberathungen eine ansehnliche Centralgewalt, für welchen Standpunkt er jedoch nur die neuen Kantone gewinnen konnte, da sowol die Demokratien der innern Schweiz als die Aristokratien allzu zähe an dem Föderativsystem festhielten, und auch die fremden Minister sich für dasselbe aussprachen. Vergeblich war auch der Versuch Wieland's, das Verbot von Sonderbünden zwischen den einzelnen Kantonen in die Verfassung zu bringen, auch in diesem Punkte siegte die absolute Kantonalsouveränetät. Trotz alledem fand der Entwurf bei der Mehrheit der Kantone heftigen Widerspruch, sodaß die Tagsatzung eine neue Commission ernennen mußte, welche die nöthigen Abänderungen an dem Entwurfe vorschlagen sollte, um denselben den renitenten Kantonen mundgerecht zu machen. Auch in dieser Commission hat sich W. als wahren Patrioten gezeigt, indem er den weitgehenden Forderungen verschiedener Kantone, welche nur ihren eignen Vortheil und nicht das Wohl der Gesammtheit im Auge hatten, mit Entschiedenheit entgegentrat. Schließlich wurde der so modificirte Entwurf von der Mehrheit der Kantone angenommen, indem die Ansprüche der einzelnen Stände gegen einander einem Schiedsgericht vorbehalten wurden. Wenn auch in Basel W. der Vorwurf nicht erspart blieb, er habe den Aristokraten und den Urschweizern zu viel Zugeständnisse gemacht, so hatte er doch das volle Zutrauen der neuen Kantone sich erhalten, was sich hauptsächlich dann zeigte, daß er mit Bürgermeister Hans v. Reinhard aus Zürich und Staatsrath v. Montenach aus Freiburg zum Vertreter der Eidgenossenschaft am Wiener Congreß gewählt wurde.

    Im September 1814 reiste W. nach Wien, wo er wiederum mit seinen liberalen Ansichten auf große Schwierigkeiten stieß. Die Wünsche der aristokratischen Kantone, die auf eine völlige Herstellung der früheren Zustände hinzielten, schienen ihrer Verwirklichung entgegenzugehen dank der Zustimmung der Mehrzahl der in Wien versammelten Diplomaten, und in der Schweiz selbst konnte jeden Augenblick der Bürgerkrieg ausbrechen. Dazu war die Instruction der Tagsatzung äußerst unbestimmt. Die Schweizer Gesandten sollten den Monarchen für das bewiesene Wohlwollen danken, sollten die Anerkennung der Neutralität des Landes und seiner Verfassung verlangen und ohne jegliche persönliche Voreingenommenheit dem Congreß die Territorialstreitigkeiten der verschiedenen Kantone zur Entscheidung vorlegen; endlich sollten sie eine zweckmäßige Grenze des Landes zu erlangen suchen. Von dem Congreß wurde nun eine Commission zur Verhandlung mit der Schweiz aufgestellt, welcher Stein für Rußland, Humboldt für Preußen, Wessenberg für Oesterreich und Stewart für England angehörten, Capodistria wurde Referent derselben. Auf ihn setzte W. hauptsächlich seine Hoffnungen, die dahin gingen, daß die Commission alle Streitfragen der Schweiz entscheiden möchte, da die Kantone nicht im Stande waren, selbst diese wichtigen Entscheide zu treffen und dadurch die Ruhe im Lande herzustellen. Zu befürchten war, daß, wenn der Congreß nicht eingreife, der innere Krieg ausbreche und die Vernichtung der Selbständigkeit der neuen Kantone herbeiführe. Bei diesen seinen Bestrebungen stieß aber W. auf den heftigsten Widerspruch von Seiten Montenach's.

    Die Verhandlungen über alle Punkte so auch über das Schicksal der ehemals graubündnerischen Landschaften Veltlin, Chiavenna und Bormio zogen sich ungemein in die Länge; Specialgesandtschaften einzelner interessirter Kantone thaten das ihrige, um den eidgenössischen Gesandten ihre Aufgabe noch zu erschweren, so daß W. zu Ende December 1814 auf dem Punkte war, nach Zürich zurückzukehren, und nur durch die Bitten Laharpe's von diesem Schritte|abgehalten wurde. Er suchte dann die viele Mußezeit dadurch auszufüllen, daß er jeden Morgen eine lateinische Stunde nahm und sich in Cäsar's Bellum Gallicum vertiefte.

    Unter solchen Umständen, als der Congreß sich im Februar aufzulösen drohte, war die Nachricht von dem Erscheinen Napoleon's in Frankreich von der heilsamsten Wirkung gerade auch für die Schweiz, da man einen Vorstoß des Kaisers gegen dieses Land allgemein erwartete. Jetzt wurde auch in der schweizerischen Specialcommission mit neuem Eifer gearbeitet, und es wurden die von Capodistria aufgestellten Grundsätze, die im großen und ganzen mit Wieland's Ansichten übereinstimmten, angenommen. Man erhielt die Anerkennung der Verfassung durch die Großmächte, die Zusicherung der Neutralität, den neuen Kantonen wurde ihr Besitzstand gewährleistet und die Ansprüche der alten sollten mit Geld befriedigt werden. Am 31. März 1814 reisten W. und Montenach von Wien ab; einige Tage später folgte ihnen Reinhard nach. Als sie nach Zürich kamen, fanden sie eine durch Napoleon's Rückkehr bewirkte Einigkeit im Lande vor, die sie in Staunen setzte. Man rüstete, um die Grenzen zu besetzen, wobei die aristokratischen Kantone auf einen Anschluß an die Alliirten und ein offensives Vorgehen gegen Frankreich rechneten, während die übrigen nur eine Vertheidigung der eignen Grenzen im Auge hatten. Bürgermeister W. war natürlich der letzteren Ansicht, drang jedoch mit derselben bei der Tagsatzung nicht durch. Immerhin suchte er der Kriegspartei so viel als möglich entgegenzutreten und von den fremden Gesandten möglichst weitgehende Zusicherungen inbetreff des Durchmarsches der alliirten Truppen zu erhalten.

    W. wurde Mitglied einer Commission, die mit den Vertretern der Mächte wegen der von diesen unbedingt verlangten Defensivverbindung unterhandeln sollte. Auch da mußte er freilich einsehen, daß er seinen bisherigen Standpunkt nicht lange behaupten konnte, was ihm allerdings in Basel den Vorwurf allzu großer Nachgiebigkeit zugezogen hat. Auch war er nicht im Stande, durch persönliches Erscheinen in Basel seine Mitbürger zu bewegen, diese Convention mit den Alliirten anzunehmen. Außer Basel verwarfen dieselbe noch Waadt und Tessin; da jedoch alle andern Kantone sich dafür erklärten, so mußte sich auch diese Minorität fügen.

    Daß bei den weiteren diplomatischen Verhandlungen zur Zeit des zweiten Pariser Friedens W. nicht mehr in den Vordergrund trat, erscheint bei der zunehmenden Reaction sehr begreiflich, war er es doch hauptsächlich gewesen, der den Bestand der neuen Kantone mit Erfolg vertheidigt hatte und der allenthalben für die liberalen Ideen eingetreten war.

    Der letzte Abschnitt von Wieland's öffentlicher Thätigkeit (1815—1832) galt besonders dem innern Ausbau seiner engern Heimath Basel. Stets bekleidete er das Amt eines Bürgermeisters, und als solcher war er eifrig bemüht um die Reorganisation des Schulwesens und der Universität, der Polizei und des Justizwesens. Daneben war W. trotz seinem hohen Alter ungemein thätig und ließ sich vielleicht mehr als gut war, mit Verwaltungsgeschäften überladen. Seinen Kanton vertrat er alle zwei Jahre auf der Tagsatzung, und wenn Basel auch noch in den zwanziger Jahren seinen liberalen Traditionen treu geblieben ist, so darf auch dies als ein Verdienst Wieland's angesehen werden. Immerhin ist nicht zu verkennen, daß es ihm wie so manchem seiner Gesinnungsgenossen ergangen ist, für die sich anbahnende Bewegung hatte er kein Verständniß mehr, und als die Stürme der Julirevolution sich auch im Kanton Basel geltend machten, stand er denselben rathlos gegenüber. Den Forderungen der Landschaft nach politischer Gleichberechtigung, die er 33 Jahre früher gebilligt hatte, konnte er nicht mehr gerecht werden, so daß, nachdem es schon zu blutigen Kämpfen|zwischen Stadt und Land gekommen war, er im Februar 1832 sich zum Rücktritt von seinen öffentlichen Aemtern entschloß.

    Schwere Heimsuchungen brachen damals über den durch den Gang der Dinge gebeugten alten Mann herein. Sein ältester Sohn Johannes, ein hervorragender Officier, starb in demselben Jahre aus Gram über den unglücklichen Verlauf des Kampfes zwischen Stadt und Land, und am 3. August 1833 fiel von einer feindlichen Kugel getroffen, bei dem Rückzüge von Liestal, sein zweiter Sohn August. Vollkommen zurückgezogen lebte nun Johann Heinrich W. bis 1838, in welchem Jahre am 4. Mai ihm der Tod ein sanftes Ende bereitet hat.

    • Literatur

      Vgl. Ochs, Geschichte der Stadt u. Landschaft Basel, Bd. 8. — Briefe von Bürgermeister Johann Heinrich Wieland aus den Jahren 1797—1803, mitgetheilt durch Karl Wieland in den Beiträgen zur vaterländ. Geschichte, Bd. 6. — Bürgermeister Johann Heinrich Wieland in den Jahren 1813 bis 1815, von Karl Wieland, im Basler Taschenbuch auf das Jahr 1863.

  • Autor/in

    Albert Burckhardt-Finsler.
  • Zitierweise

    Burckhardt-Finsler, Albert, "Wieland, Johann Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 44 (1898), S. 785-792 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139105727.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA