Lebensdaten
wohl 1485 oder 1495 – 1525
Geburtsort
Bulgenbach bei Grafenhausen (Schwarzwald)
Sterbeort
Laufenburg/Rhein
Beruf/Funktion
Bauernführer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 119122723 | OGND | VIAF: 67268888
Namensvarianten
  • Müller von Bulgenbach, Hans (genannt)
  • Müller, Hans
  • Müller von Bulgenbach, Hans (genannt)
  • mehr

Quellen(nachweise)

Objekt/Werk(nachweise)

Orte

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Zitierweise

Müller, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119122723.html [19.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Die Quellen zu M.s Herkunft und Leben fließen spärlich. Andreas Lettsch, Notar des Klosters St. Blasien, berichtet aufgrund persönlicher Bekanntschaft, „Hans Müller von Bulgenbach“ habe als junger Mann als Landsknecht gedient und in Frankreich gekämpft. Ein Zinsrodel des Frauenklosters Berau erwähnt für Bulgenbach 1509-12 einen „Hans Müller“ mit seinen Abgaben. Ein Zinspflichtiger namens „Hans Müller“ begegnet in denselben Jahren auch im Nachbarort Brenden; ob Personen- oder nur Namensidentität besteht, muß offenbleiben.

    Faßbar wird M.s Gestalt erst mit seinem Engagement im Bauernkrieg. 1524, vor dem 15.8., wählten ihn die revoltierenden Stühlinger Bauern zu ihrem Hauptmann, der dem Haufen eine straffe militärische Organisation gab. Möglicherweise geht auch die gemeinsame Fahne auf ihn zurück, welche die österr. Farben weiß und rot, dazu wohl eine schwarze Inschrift zeigte. Von Anfang an war M. bemüht, den Stühlingern Verbündete zu gewinnen. Diesem Zweck dienten der Zug nach Waldshut, der Marsch durch das Gebiet nördlich der Wutach sowie dringende Mahnschreiben in den Klettgau. Nachdem die Stühlinger im Oktober ein mehrwöchiges Stillhalteabkommen und ein Schiedsgerichtsverfahren akzeptiert hatten, fand M. seit Mitte November ein neues Wirkungsfeld bei den Villinger Bauern im Brigachtal, dem „neuen Haufen“. Im Februar 1525 schloß er sich mit seinen Anhängern dem aus seinem Land vertriebenen Hzg. Ulrich von Württemberg an, doch verließ er ihn schon am 27.2. wegen rückständiger Soldzahlungen. Die aufsehenerregenden Aktionen hatten M. bald den Ruf eingetragen, Kopf und Seele des bäuerlichen Widerstands zu sein. Schon am 13.1.1525 befahl Erzhzg. Ferdinand von Österreich, nach ihm zu fahnden und ihn „ohne großes Aufsehen und im geheimen“ niederzuwerfen. Anfang April 1525 brach der Aufstand im Schwarzwald erneut aus; das Zentrum lag jetzt um Löffingen und Bonndorf, wo sich M. aufhielt. Gemeinsam mit dem Hegauer Haufen zwang er die umliegenden Städte und Gemeinden zum Anschluß, zog dann vor Radolfzell und folgte von dort dem Heer des Schwäb. Bundes nach Württemberg. Anfang Mai schwenkte M. mit den Schwarzwäldern jedoch ab und überquerte in einem 10tägigen Marsch, „als ob er König oder Kaiser wäre“, den Schwarzwald (14.5. in Kirchzarten), um gemeinsam mit den dortigen Haufen Freiburg zu belagern. Nachdem sich die Stadt am 24.5. vertraglich den Bauern verbunden hatte, kehrten die Schwarzwälder umgehend in ihre Heimat zurück und zogen erneut vor Radolfzell (18.6.), das seit Mitte Mai von den Hegauern belagert wurde. Daß sich die Lage inzwischen zuungunsten der Aufständischen verändert hatte, blieb M. nicht verborgen. Vergeblich mahnte er die Stadt Freiburg zur Hilfeleistung; dringend bat er, die Abmachungen des 1. Offenburger Vertrags vom 13.6.1525 auch auf den Schwarzwald auszudehnen. Am 1. und 2.7. wurden die Belagerer von Radolfzell in mehreren kleinen Schlachten, zuletzt bei Hilzingen, von einem österr. Entsatzheer geschlagen, der Hegau unterworfen. Am 12.7. kapitulierten die Stühlinger und Fürstenberger Bauern. M., der schon am 30.6. von Radolfzell abgezogen war, schlug sich offenbar nach Westen durch. Anfang Juli wurde er von oder in der Stadt Schaffhausen aufgegriffen und über mögliche Kontakte zu Schaffhauser Untertanen befragt, danach wieder freigelassen. Wenig später, vor dem 14.7., fiel er in die Hände des Ulrich v. Habsberg, Vogt von Laufenburg und Hauptmann der vier österr. Waldstädte am Rhein. Nach abermaligem längerem Verhör wurde M. Mitte August (nach einer Basler Quelle am 17.8.) 1525 mit dem Schwert „stehend“ hingerichtet.

    In den auf Seiten der Sieger geschriebenen Quellen erscheint M. als „verräterischer“, „böser aufrührerischer Bube“ und „hat viel Übel gestiftet“. Auffallend neutral charakterisiert ihn hingegen A. Lettsch als stattlich, redegewandt und geschickt; alle „fürchteten“ ihn. Die neuere Geschichtsschreibung sieht in M. „die eigentliche Triebkraft der Bewegung“ auf dem Schwarzwald und der Baar (G. Franz); ihm war es vor allem zuzuschreiben, daß aus einer örtlichen Revolte der Stühlinger der überterritoriale Bauernkrieg wurde. War M. 1524 „Hauptmann“ nur der Stühlinger Bauern, konnte er sich 1525 zu Recht „oberster Hauptmann auf dem Schwarzwald“ nennen und auch gegenüber den Führern der benachbarten Haufen eine Vorrangstellung geltend machen. M. zeichnete sich|durch unermüdlichen Einsatz und bedeutendes Organisationstalent aus; er war überzeugt von der Notwendigkeit einer großräumigen Zusammenarbeit zwischen den Haufen. Er hat freilich, wie im Falle von Freiburg, vertragliche Bindungen über-, das taktische Kalkül seiner Gegner unterschätzt. M. war kein innovativer, anstoßender Denker, doch griff er im Frühjahr 1525 die neuen, aus Oberschwaben kommenden Ideen zielsicher auf und gab mit ihnen der Erhebung im Schwarzwald ein geistiges, revolutionäres Profil. Die Stühlinger kämpften 1524 um die Wiederherstellung des „alten Rechts“, „darum man Brief und Siegel hat“. 1525 bekannten sich die Schwarzwälder, die sich jetzt „christliche Bruderschaft“ oder auch „heiliger evangelischer Haufen“ nannten, zum „göttlichen Recht“, ableitbar aus dem „ewigen heiligen reinen Wort Gottes“. Im Mai 1525, auf dem Höhepunkt der Bewegung, unterzeichnete M. einige seiner Schreiben mit einem dreifachen „Evangelium, Evangelium, Evangelium“. Das neue Selbstverständnis dokumentiert in komprimierter Weise der sog. „Artikelbrief', mit dem die Schwarzwälder am 8.5. die Stadt Villingen ultimativ zum Eintritt in die „christliche Vereinigung“ aufforderten. Seine Herkunft ist weiterhin umstritten, auch M. wurde als Verfasser erwogen. Die dem „Artikelbrief' beigefügten oder beizufügenden „Artikel“ waren nach neuerer Forschung eine Langfassung der oberschwäb. (Memminger) Bundesordnung, die folglich auch im Schwarzwald das eigentliche Grundgesetz der „christlichen Vereinigung“ bildete. Vielleicht waren diese „Artikel“ gemeint, wenn die Zeitgenossen von den „Zwölf Schwarzwälder Artikeln“ sprachen. Unklar bleibt eine mögliche Zuordnung des sog. „Verfassungsentwurfs“ zur Bewegung im Schwarzwald. Ein Zusammenhang mit dem „Artikelbrief' liegt nahe, da beide Schriftstücke den „weltlichen Bann“ vorsehen, den die Schwarzwälder bereits Anfang April anwandten. Unverkennbar stellten sich während des Juni 1525 bei M. Ernüchterung und Resignation ein; das revolutionäre, religiöse Bekenntnis wich dem Bemühen, über den 1. Offenburger Vertrag zu einer Verständigung mit den Obrigkeiten zu gelangen. Mit der Niederlage der Hegauer vor Radolfzell, die er freilich vor der entscheidenden Auseinandersetzung verlassen hatte, gab wohl auch M. die Sache des „gemeinen Mannes“ verloren. Daß er Anfang Juli nochmals einen Aufstand entfachen wollte, bleibt bloße Spekulation. – Gedenkstein in Bulgenbach an der Stelle, wo nach lokaler Tradition das 1911 abgebrannte Haus M.s stand (1962).

  • Quellen

    Qu. Chronik d. Andreas Lettsch, in: F. L. Mone, Qu.slg. d. bad. Landesgesch. II, 1854, S. 42-56; H. Schreiber (Hrsg.), Der dt. Bauernkrieg, gleichzeitige Urkk. u. Akten, 3 Bde., 1864-66; J. Strickler (Bearb.), Amtl. Slg. d. älteren Eidgenöss. Abschiede IV/1 a, 1873; ders. (Bearb.), Aktenslg. z. Schweizer. Ref.gesch. in d. J. 1521–32, I, 1878; F. L. Baumann (Hrsg.), Akten z. Gesch. d. Bauernkrieges aus Oberschwaben, 1877; K. Hartfelder, Urkundl. Btrr. z. Gesch. d. Bauernkrieges im Breisgau, in: ZGORh 34, 1882, S. 393-466; ders., Akten z. Gesch. d. Bauernkrieges in Süddtld., ebd. 39, 1885, S. 376-430; W. Stolze, Akten z. Gesch. d. Stühlinger Erhebung d. J. 1524, ebd. 81, 1929, S. 274-95; Heinrich Hugs Villinger Chron., hrsg. v. Ch. Roder, 1883; Fridolin Sichers Chron., hrsg. v. E. Götzinger, in: Mitt. z. vaterländ. Gesch., hrsg. v. Hist. Ver. d. Kt. St. Gallen 20, 1885; Basler Chroniken, VII, bearb. v. A. Bernoulli, 1915, S. 237-306.

  • Literatur

    Ch. Roder, Villingen u. d. obere Schwarzwald im Bauernkrieg, in: ZGORh 70, 1916, S. 321-416;
    W. Ellinger, Thomas Münzer, 1975;
    T. Scott, Reformation and Peasants' War in Waldshut and Environs, in: Archiv f. Ref.gesch. 69, 1978, S. 82-102, u. 70, 1979, S. 140-69;
    W. Duffner, Der ersten Aufruer ain Anfänger, Eine Erinnerung an H. M. v. B. u. d. Schwarzwälder Erhebung, in: Bad. Heimat 63, 1983, S. 561-66;
    G. Franz, Der dt. Bauernkrieg, 121984;
    G. Seebass, Art.brief. Bundesordnung u. Vfg.entwurf, Stud. zu drei zentralen Dokumenten d. südwestdt. Bauernkrieges, 1988;
    P. Blickle, Die Zwölf Artikel d. Schwarzwälder Bauern v. 1525, in: Ref. u. Rev., FS R. Wohlfeil z. 60. Geb.tag, hrsg. v. R. Postel u. F. Kopitzsch, 1989, S. 90-100;
    K. Herrmann, Auf Spurensuche, Der Bauernkrieg in Südwestdtld., 1991. – Eigene Archivstud. (Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Kaiserl. Kanzlei;
    Gen.landesarchiv Karlsruhe;
    StA Schaffhausen;
    Gemeindearchiv Grafenhausen/Staufen).

  • Autor/in

    Horst Buszello
  • Zitierweise

    Buszello, Horst, "Müller, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 397-398 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119122723.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA