Lebensdaten
1825 – 1909
Geburtsort
Stuttgart
Sterbeort
Friedrichshafen
Beruf/Funktion
württembergischer Ministerpräsident
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118734261 | OGND | VIAF: 27866488
Namensvarianten
  • Mittnacht, Hermann (bis 1887)
  • Mittnacht, Hermann Karl
  • Mittnacht, Hermann Freiherr von (seit 1887)
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Zitierweise

Mittnacht, Hermann Freiherr von (seit 1887), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118734261.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Franz Jakob M. (1781-1849), Oberfinanzrat u. Vermessungsdir., S d. Johann Michael, Förster aus Reisfeld b. Mergentheim, u. d. Eva Katherine Bender;
    M Magdalene (1791–1829), T d. Heinrich Sulzbeck, würzburg. Obristwachtmeister, u. d. Magdalene Brunbauer;
    Ellwangen 1854 Angelika (1835–1910), T d. Franz Bucher (1798–1859), Gymnasialrektor in Ellwangen, u. d. Caroline Härlin (1808–88);
    2 S, 2 T.

  • Biographie

    Nach einer freudlosen Kindheit, die ihn „berechnend kalt von Gemüt“ (A. Schäffle) werden ließ, studierte M. in Tübingen und Heidelberg die Rechte. 1854 wurde er in Ellwangen Oberjustizassessor, 1856 Staatsanwalt. Ohne eigentliches politisches Interesse – die Bewegung von 1848 hatte ihn völlig unberührt gelassen – errang er 1861 im Oberamt Mergentheim, der Heimat seiner Väter, ein Abgeordnetenmandat. Zwar scheiterte er in der Kammer mit seinem Plan, eine Partei der Mitte zwischen regierungstreuen Konservativen und entschiedenen Demokraten zu bilden; seine überlegene Kompetenz und abgewogene Sachlichkeit verschafften ihm jedoch bald einen ausgezeichneten Ruf. Der Leiter der württ. Politik, Außenminister Friedrich v. Varnbüler, ebnete ihm den weiteren Weg. Unter seinem Einfluß wurde M., der seit 1862 Stadtrichter in Stuttgart war, 1865 Obertribunalrat, 1867 Departementchef im Justizministerium, 1868 schließlich Justizminister. Obschon er in dieser Zeit mit dem großdeutschen Standpunkt sympathisierte, vermied er doch in der Frage der nationalen Einigung jede offene Festlegung. Dies sowie seine konfessionelle Toleranz (vielleicht sogar Indifferenz) befähigte den Katholiken im luth. geprägten Württemberg nach den Siegen der preuß. Waffen auch für höhere Aufgaben. Von Kg. Karl wurde M. am 2.9.1870 zum Präsidenten des Geheimen Rats und damit zum Nachfolger Varnbülers als leitender Minister ernannt. Nach der maßgeblich von ihm betriebenen Schaffung eines verantwortlichen Staatsministeriums (1876), die die Entmachtung des Geheimen Rats und die Herauslösung der Regierung aus dem persönlichen Regiment des Monarchen bedeutete, führte er auch offiziell den Titel eines Ministerpräsidenten. 1873 übernahm er zusätzlich das Amt des Außenministers, das Justizressort gab er 1878 auf.

    M.s Pragmatismus und realpolitische Einsicht bewährten sich besonders in den Verhandlungen von 1870 über den Beitritt Württembergs zum entstehenden Deutschen Reich. Mit Rücksicht auf die Empfindlichkeiten des Königspaars und die antiborussische Haltung der (linksliberalen) Volkspartei bemühte er sich, einen bedingungslosen Anschluß zu vermeiden. Es gelang ihm schließlich, wichtige Reservatrechte auszuhandeln, ehe Württemberg am 25.11.1870 als letztes Glied seinen Beitritt erklärte. Auch als Bevollmächtigter zum Bundesrat, wo er bald überragende Autorität genoß, hütete M. eifersüchtig die Rechte der Einzelstaaten im allgemeinen und Württembergs im besonderen. Im Lande selhst, wo er sich auf die Unterstützung der gouvernementalen Landespartei wie der (nationalliberalen) Deutschen Partei stützen konnte, regierte M. über Jahrzehnte völlig unangefochten. Erst als 1895 die Volkspartei einen triumphalen Wahlerfolg feierte und mit dem Zentrum eine neue politische Kraft auftrat, geriet seine Position ins Wanken. Der Ministerpräsident stellte sich indes sofort auf den Boden der Tatsachen und betrieb fortan die von ihm zuvor verschleppte Verfassungsreform. Weil er jedoch Forderungen des Zentrums (u. a. nach Wiederzulassung von Männerklöstern) nicht erfüllte, versagte ihm dieses zusammen mit den Privilegierten die Zustimmung zur Reform, wodurch sie im Dezember 1898 zu Fall gebracht wurde. Als Spätfolge dieses Mißerfolgs erklärte M. am 6.11.1900 (genehmigt 9. 11.) seinen Rücktritt vom Amt des Regierungschefs. Im nachfolgenden Monat verlor er auch sein Mergentheimer Abgeordnetenmandat an einen Zentrumsvertreter. Mit Bismarck verbanden M. auch über dessen Rücktritt hinaus Bande höchsten gegenseitigen Respekts und eine Art Seelenverwandtschaft. M. war zwar kein schöpferischer Politiker, er führte Württemberg jedoch „geräuschlos durch die Zeiten“ (W. Lang, 1884), ehe das Land im Jahrzehnt vor dem 1. Weltkrieg von einer ungeheuren industriellen Dynamik erfaßt wurde. So bezeichnet M.s Name gleichermaßen ein politisches System wie eine ganze Ära württ. Geschichte. Er steht für Kontinuität und Selbstbehauptung des jungen Königreichs in der Bismarckzeit, aber auch für Stagnation und das Ausbleiben überfälliger Reformen.|

  • Auszeichnungen

    Ehrenbürger v. Mergentheim u. Stuttgart (1900);
    Dr. iur. h. c. (Tübingen 1877);
    Schwarzer Adlerorden;
    bayer. St. Hubertus-Orden.

  • Werke

    Erinnerungen an Bismarck, 1904;
    Erinnerungen an Bismarck, NF (1877–89), 1905;
    Rückblicke, 1909, ⁴1909 (P).|

  • Nachlass

    Nachlaß (Privatbes.) seit 1945 verschollen.

  • Literatur

    W. Seefried, M. u. d. dt. Frage bis z. Reichsgründung, 1928;
    W. Wolz, Württemberg im Bundesrat unter d. Ministerium M., 1935;
    L. Gammerdinger, M., e. Versuch, 1937;
    ders., M. u. Bismarck, 1938;
    R. Menzinger, Verfassungsrevision u. Demokratisierungsprozeß im Kgr. Württemberg, 1969;
    G. H. Kleine, Der württ. Ministerpräs. Frhr. H. v. M. (1825-1909), 1969 (P);
    H. Philippi, Das Kgr. Württemberg im Spiegel d. preuß. Gesandtschaftsberr. 1871-1914, 1972;
    H. Brandt, Parlamentarismus in Württemberg 1819-1870, 1987;
    Persönlichkeiten d Verwaltung 1648-1945, hrsg. v. K. Jeserich u. H. Neuhaus, 1991 (P);
    BJ 14, S. 60-76.

  • Autor/in

    Klaus-Jürgen Matz
  • Zitierweise

    Matz, Klaus-Jürgen, "Mittnacht, Hermann Freiherr von" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 589-590 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118734261.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA