Lebensdaten
erwähnt 1543, gestorben 1549
Geburtsort
Blankenburg-Derenburg
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
brandenburgischer Hoffaktor
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 138381453 | OGND | VIAF: 89930246
Namensvarianten
  • Michael
  • Michael von Derenburg
  • Michel von Derenburg
  • mehr

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Zitierweise

Michel von Derenburg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd138381453.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    B Jobst, Geschäftsmann in Hildesheim;
    Merle, T d. Joseph aus Schleusingen;
    K, u. a. Löb, Geschäftsmann in Hannover.

  • Biographie

    M. stammte aus der jüdischen Gemeinde Derenburg bei Halberstadt, dem Hauptort der Herrschaft der Grafen v. Regenstein (Rheinstein). Er war jahrzehntelang an wechselnden Plätzen Mitteldeutschlands als Geldverleiher aktiv, ohne daß der Beginn dieser Tätigkeit genauer bestimmt werden könnte. Seine Finanzmittel nahm er bei einer Vielzahl oft kleiner Geldgeber auf. Größere Geschäfte scheint er zunächst mit den Harzgrafen und den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg getätigt zu haben, als deren „Hofdiener“ er firmierte. Zeitweilig wohnte er mit Frau und Kindern in Hannover, wo er ein Haus besaß. Seit etwa 1530 werden u. a. Darlehen an die Grafen v. Regenstein und Gf. Gebhard v. Mansfeld verzeichnet. Als M.s Landesherren werden nun auch der Landgraf von Hessen – der ihn 1530 als „fürstlichen Diener“ bestallte –, der Pfalzgraf, der Markgraf von Ansbach und die Grafen von Henneberg genannt. M. reiste viel umher, wohnte in Schleusingen, Rothenstadt (Oberpfalz) und Schwabach und hielt sich aus Anlaß von Geschäften auch in Prag, Wien, Liegnitz, Posen und Wilna auf. 1535 nahm auch Kg. Ferdinand I. bei M. ein Darlehen von 2000 Gulden gegen Schuldverschreibungen auf. 1538 ließ M. sich in Fürth nieder, nachdem er von Mgf. Georg von Brandenburg-Ansbach einen Geleitbrief auf neun Jahre für sich und seine Familie erhalten hatte. Mit dem Grafen Ulrich v. Regenstein kam es seit etwa dieser Zeit zu einer heftigen Auseinandersetzung um von M. angeblich abgetretene Schuldbriefe des Grafen, die ein „Junker Wolff Schlesinger“ unter Androhung einer Fehde von diesem einzutreiben versuchte. M. wurde verdächtigt, selbst jener Junker zu sein und versucht zu haben, seinen Gläubiger durch Gewaltandrohung und Feuerlegen zu erpressen. Er wurde deswegen 1540 vor ein kaiserliches Gericht geladen, erschien aber nicht. Einem Antrag des Grafen, M. in die Acht zu erklären, wurde nicht entsprochen. Die Auseinandersetzungen vor dem Reichskammergericht zogen sich noch längere Zeit|hin, ohne daß es zu einer abschließenden Entscheidung gekommen wäre.

    Unmittelbar nach der Wiederzulassung jüdischer Händler und Geldverleiher in der Mark Brandenburg durch den luxusliebenden, stets verschuldeten Kf. Joachim II. (1542) kam M. nach Berlin und wirkte dort in den Jahren 1543-49 als erster brandenburg. Hofjude. Rasch gewann er das besondere Vertrauen des Kurfürsten, der seinem „Diener und Getreuen“ ein Haus am früheren Kornmarkt schenkte, weil er hoffte, mit seiner Hilfe von seinen Schulden loszukommen. 1544 erlaubte der Kurfürst M., der sich nun in Frankfurt/Oder niedergelassen und dort ebenfalls ein stattliches Haus erworben hatte, daselbst Geschäfte zu machen. Als M.s Frau von Frankfurter Bürgern bezichtigt wurde, einen Brunnen vergiftet zu haben, intervenierte Joachim II. und befahl der Stadt, M., seine Familie und sein Haus vor allem „Aufruhr und Schaden“ zu schützen. 1546 unternahm er einen – wohl nicht ganz uneigennützigen – Versuch, in der Auseinandersetzung M.s mit den Grafen v. Regenstein zu vermitteln, deren Lehnsherr er war. Er übernahm selbst die Regensteinsche Schuld von 20 000 Gulden, wozu ihm allerdings M. nochmals 5000 Gulden vorstrecken mußte. Dieses Darlehen wurde nie zurückgezahlt. M. scheint beim Kurfürsten stets ein offenes Ohr für phantasievolle Projekte gefunden zu haben. So soll von ihm auch die Idee eines mit Hilfe des Stettiner Handelshauses der Loitz durchzuführenden riesigen Ochsenhandels mit der Walachei stammen, der aber – u. a. wegen M.s hoher Provisionsforderungen – fehlschlug.

    Am 23.4.1549 wurde M. auf einer Reise von Lebus nach Berlin, wo er dem Kurfürsten einen hohen Geldbetrag überbringen wollte, unweit von Frankfurt/Oder überfallen und nach Sachsen entführt. Wenig später konnte er befreit werden. Seine Entführer wurden festgenommen und am 17.5. in Torgau hingerichtet. Am selben Tag erlitt M. bei einem Sturz auf der Treppe seines Berliner Hauses einen tödlichen Unfall. In der M. nicht wohlgesonnenen Bevölkerung scheint man angesichts dieses Zusammentreffens allerlei abergläubische Erwägungen angestellt zu haben. Der Kurfürst, der M.s praktische Talente als Finanzberater und Geldbeschaffer hoch geschätzt hatte, sah nach dessen Tod in seinen Erben nur lästige Gläubiger. Im April 1551 wurden M.s Frau und seine Kinder ausgewiesen. Die Familie ging unter Mitnahme des größten Teils ihrer Habe und ohne Erstattung eines „Abzugsgeldes“ nach Prag. M.s Sohn Löb wurde wegen angeblichen Betruges einige Zeit in Berlin festgehalten, konnte dann aber fliehen und ist später in Hannover nachweisbar. In den Jahren 1558/59 tätigte M.s Witwe neuerlich Geldgeschäfte mit dem Kurfürsten.

    Als der „reiche Michel“ hat M., der gelegentlich 12spännig und mit einer Entourage von Dienern gereist sein soll, seine Zeitgenossen – unter ihnen Luther – durch den offen zur Schau getragenen Pomp seines Auftretens beeindruckt. Sein Reichtum scheint aber geringer gewesen zu sein, als man vermutete. Jedenfalls waren für Kf. Joachim II. christliche Geldgeber noch weitaus wichtiger. Wertvoll war M. für seine fürstliche Klientele vor allem aufgrund seiner weitreichenden Beziehungen als Berater und Vermittler hoher Kreditsummen. Die im Gefolge einiger seiner finanziellen Transaktionen geführten Prozesse beschäftigten die Gerichte noch Jahrzehnte nach seinem Tode.

  • Literatur

    W. Heise, Die Juden in d. Mark Brandenburg bis 1571, 1932;
    H. Rachel, J. Papritz u. P. Wallich, Berliner Großkaufleute u. Kapitalisten I, 1934, Neuausg. 1967, S. 274-88;
    H. Schnee, Die Hoffinanz u. d. moderne Staat I, 1953, S. 23-38, II, 1954, S. 11 f., 316 f., III, 1955, S. 178, V, 1965, S. 110 f.;
    Enc. Jud. 1971.

  • Autor/in

    Hans Jaeger
  • Zitierweise

    Jaeger, Hans, "Michel von Derenburg" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 440-441 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd138381453.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA