Lebensdaten
1777 – 1835
Geburtsort
Gießen
Sterbeort
Straßburg
Beruf/Funktion
Mediziner ; Geburtshelfer ; Anatom ; Pathologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 100369979 | OGND | VIAF: 47107253
Namensvarianten
  • Lobstein, Johann Friedrich der Jüngere
  • Lobstein, Johann Friedrich
  • Lobstein, Johann Friedrich der Jüngere
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Zitierweise

Lobstein, Johann Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100369979.html [26.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Michael (1740–94), Prof. d. Theol. in G., 1777-90 1. Pfarrer u. Sup. in Butzbach, dann Pfarrer u. Prof. am Gymnasium in St. (s. L), S d. Joh. Anton (s. Gen. 1);
    M Christiane (1755–1830), T d. Joh. Christian Diez (1719–84), 1. Stadtpfarrer u. Prof. d. Theol. in G., u. d. Joh. Charlotte Salomea Rambach;
    Ov Joh. Friedrich d. Ä. (s. 1);
    B Franz (1780–1855), Advokat, Musiktheoretiker;
    - Landau 1826 Caroline Louise, T d. Medizinalrats Dr. med. Friedrich Pauli in Landau u. d. Marie Louise Schmidt;
    1 S.

  • Biographie

    Als Dreizehnjähriger an der Univ. Straßburg eingeschrieben, durchlief L. ein philosophisches Grundlagenstudium von zwei Jahren und wechselte dann an die Ecole spéciale de médecine zum Fachstudium über. Schon 1796 wurde L. vom Professorenkollegium zum Prosektor der Anatomie gewählt. Im selben Jahr und wiederum 1799 diente er als Militärarzt bei der Rheinarmee. 1802 veröffentlichte er seine Dissertation und erhielt nach der Abschlußprüfung 1803 das „Certificat de capacité“, das dann in ein Doktordiplom umgewandelt wurde. 1804 wurde L. „Chef des traveaux“ der Anatomie, 1805 Geburtshelfer am Bürgerspital und Professor an der Hebammenschule. 1819 erhielt er den ersten Lehrstuhl für Pathologische Anatomie in Straßburg, wurde Direktor des Pathologisch-anatomischen Museums und 1821 Professor für Innere Medizin und Klinik. Diese drei Professuren hat L. bis an sein Lebensende vorbildlich versehen und Berufungen nach Marburg (1803) und Heidelberg (1823) ausgeschlagen.

    L. verfaßte ein „Handbuch der Hebammenkunst“ (1827) und gab 1802-14 Berichte über obstetrische Beobachtungen am Bürgerspital heraus. Um den Studenten die Möglichkeit zur regelmäßigen praktischen Unterweisung in Geburtshilfe zu geben, gründete er eine eigene Privat-Entbindungsanstalt. Seine wissenschaftlichen Beiträge aber fußen weitgehend auf anatomischen Grundlagenforschungen.

    Es hatte bisher den Anschein, L. wäre als klinischer Lehrer der Inneren Medizin in deren romantischen Irrtümern befangen gewesen. Ausgehend von den neuristischen Thesen Pinels, Cullens und des Brownianismus, jedoch ebenfalls beeinflußt von dem lokalistisch-anatomischen Denken Laënnec's und Bichat's suchte er die Entstehung von Krankheiten und deren Pathologie zu verstehen. Wiewohl auch er an der These festhielt, alle Vorgänge im Organismus würden bis in die feinsten Gewebe vom Einfluß der Nerven gesteuert und die „Hypersthenie“ sei ein Übermaß an Nervenkraft, das die Arbeit der Organe krankhaft verändere, blieb dies bei ihm keine Spekulation, vielmehr suchte er nach einer anatomischen Grundlage. Dem sind die Forschungen zu danken, deren Ergebnisse er 1823 in „De Nervi Sympathetici humani fabrica, usu et morbis“ niederlegte (engl. 1831). Mit dieser Schrift leistete er einen wesentlichen Beitrag zur Kenntnis des vegetativen Nervensystems. Im ersten Abschnitt gibt er in Fortsetzung von Bichat's deskriptiver Arbeit eine genaue Beschreibung des Nervus sympathicus, seiner Ganglien und Abzweigungen. Im zweiten gelangt er mit Hilfe der vergleichenden Anatomie zu dessen physiologischen Funktionen; Erkenntnisse, die im wesentlichen noch heute zutreffen. Der dritte Abschnitt gibt eine Übersicht über die Krankheiten, die aus dem Nerven und der gestörten Funktion seiner Ganglien entstehen. Hier, „in der Pathologie des Sympathischen Nervensystems gebührt ihm die Ehre, die Bahn gebrochen zu haben“ (Tiedemann).

    Aus dem bescheidenen und ungeordneten Bestand an anatomischen Präparaten, die sein Onkel Joh. Friedrich und Johann Hermann hinterlassen hatten, schuf L. eine der reichhaltigsten pathologisch-anatomischen Sammlungen Europas, die gegen 1830 offiziell die Bezeichnung „Musée d'Anatomie Pathologique“ erhielt. In Erweiterung von Bichat's Zielsetzung stellte er für die pathologisch-anatomische Forschung drei Forderungen auf: 1. Untersuchung der anatomischen Strukturveränderungen eines Organs; 2. dessen physiologische Überprüfung, wie und wodurch die organische Veränderung zustande kam; 3. die Klärung der Zusammenhänge zwischen der veränderten Organstruktur und den Symptomen und anormalen Vorgängen am lebenden Organismus (Vues générales sur l'anatomie pathologique, in: Journal complémentaire du dictionnaire des sciences méd. II, 3, 1818, S. 311). In diesem Sinne ist sein unvollendeter, auf 4 Bände angelegter „Traité d'anatomie pathologique“ (2 Bde., 1829/33, dt. 1834 f., mit Atlas) verfaßt, das bedeutendste Fachbuch seiner Epoche. Es beschränkte sich nicht auf den Leichenbefund, sondern versuchte pathophysiologische Vorgänge in die Darstellung einzubeziehen. Deshalb spricht er sich in der Einleitung auch für Tierversuche aus. Im 1. Band (Allgemeine Pathologie) prägte er den Begriff „Pathogenie“, dessen Synonym „Pathogenese“ gebräuchlicher geworden ist. Der 2. Band, der lediglich die Spezielle Pathologie der Stützgewebe und des Gefäßsystems behandelt, enthält die erste Beschreibung der „Osteogenesis imperfecta tarda“, die auch heute noch wie von L.|„Osteopsathyrose“ genannt und nach ihm als „Lobstein Syndrom“ bezeichnet wird. Im Abschnitt über die Gefäßkrankheiten wies L. bereits bei der einfachen Arteriektasie Wandveränderungen des Gefäßes nach und sprach bei der von ihm so benannten Arteriosklerose von einer „Ossifikation der Arterien“.

    Seine Eigenbeobachtungen sind so zahlreich, daß nach ihm außerdem ein vom retroperitonealen Gewebe ausgehendes Sarkom und die Plazenta mit „Insertio velamentosa“ benannt sind, ferner die auf die Schleimhäute beschränkte Gelbsucht Neugeborener und das Ganglion splanchnicum.

    In der Frage der Krebsentstehung (Bd. I) konnte sich L., zunächst in den Theorien seiner Zeit befangen, von den alten humoralpathologischen Vorstellungen nicht lösen. Dennoch enthielten seine Hypothesen neue Gesichtspunkte für die weitere Entwicklung der Geschwulstlehre: Zwar teilte er, Laënnec's Gedanken folgend, die Geschwülste in homöoplastische und heteroplastische ein, hielt aber mit Hunter die Lymphe für ihrer aller Ursprung. Indesen ließ er sie doch aus einem Lymphmolekül hervorgehen und zunächst wie einen Embryo als eigenes Gebilde wachsen, ein Gedanke, der später auf die Zellentstehung der Tumoren übertragen wurde. Auch stellte er eine chemische Untersuchung der Krebsmasse an. Trotz solcher humoralen Gedanken war er der erste, der den Stoff der Allgemeinen Pathologie systematisch nach dem anatomischen Charakter der krankhaften Veränderungen aufgegliedert hat; sein Werk beeinflußte noch Karl v. Rokitansky.

    Mit seinem umfassenden medizinischen Wissen verband L. eine gediegene klassische Bildung, schöngeistige Interessen und die Beschäftigung mit Geschichte und den Naturwissenschaften. Seine Sammlungen aus dem klassischen Altertum, darunter 6 000 Münzen, waren bedeutend, sein freilich nicht umfangreicher Briefwechsel mit Goethe blieb weitgehend unbekannt.|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Leopoldina (1821);
    Kreuz d. Ehrenlegion (1834).

  • Werke

    Weitere W u. a. Essay sur la nutrition du Foetus, 1802 (dt. 1804);
    Observations d'accouchemens recueillies à la salle des accouchées de l'hôpital civil de Strasbourg, März 1802 - Dez. 1814;
    Fragment d'anatomie physiologique sur l'organisation de la matrice dans la l'espèce humaine, 1803;
    Mémoire sur l'ossification des artères, Mém. de la Société d' agriculture et des sciences et arts, 1811;
    Essai d'une nouvelle théorie des maladies, fondée sur les anomalies de l'innervation, 1835. - W-Verz.
    in: J.-E. Dezeimeris, Dictionnaire historique de la médecine III, 2, 1837, S. 467-70.

  • Literatur

    F. Tiedemann, Rezension v. L.s Arbeit „De nervi Sympathetici…“, in: Heidelberger Jbb. d. Lit. 17, 1824, Nr. 8, S. 113;
    Ed. v. Siebold, Versuch e. Gesch. d. Geburtshilfe II, 1845, S. 722 f.;
    Ed. Lobstein, J. F. L., d. Gründer d. Anatom.-Patholog. Mus., s. Leben u. Wirken, 1878;
    J. Wolff, Die Lehre v. d. Krebskrankheiten v. d. ältesten Zeiten b. z. Gegenwart, 1929, S. 82, 100 ff.;
    Reallex. d. Med. u. ihrer Grenzgebiete IV, 1971, S. L 148 s. v. - Zu V Joh. Michael:
    ADB 19;
    W. Diehl, Der Fall L. u. F. Ch. Lauckhard, in: Hess. Chronik 10, 1921, H. 3/4.

  • Porträts

    Büste (Straßburg, Patholog. Inst. d. Univ.).

  • Literatur

    zu 1) u. 2) ADB 19;
    F. Wieger, Gesch. d. Med. u. ihrer Lehranstalten in Straßburg v. J. 1497 b. z. J. 1872, 1885;
    R. v. Töply, Gesch. d. Anatomie, in: Th. Puschmann, M. Neuburger u. J. Pagel, Hdb. d. Gesch. d. Med. II, 1903, S. 274-76;
    H. Chiari, Gesch. d. patholog. Anatomie d. Menschen, ebd., S. 517 f., 530 ff.;
    F. Helfreich, Gesch. d. Chirurgie, ebd. III, 1905, S. 65 ff. u. 95;
    J. Schäfer, Die Ärztefam. Lobstein u. ihre Bedeutung f. d. Fortentwicklung d. Heilkde., Diss. Düsseldorf 1939;
    BLÄ.

  • Autor/in

    Markwart Michler
  • Zitierweise

    Michler, Markwart, "Lobstein, Johann Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 738-740 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100369979.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Lobstein: Johann Friedrich L. der Jüngere, Arzt, Neffe von Johann Friedrich L. dem Aelteren, ist am 8. Mai 1777 in Gießen geboren. Sein Vater, der im J. 1775 als Professor der Theologie aus Straßburg i. E. nach Gießen berufen worden war, kehrte 1790 mit seiner Familie in seine Vaterstadt zurück und starb hier, ein Opfer seiner religiösen Ueberzeugung, in den Kerkern der Revolution. — Mit glänzenden Geistesgaben, besonders mit einer seltenen Gedächtnißkraft ausgestattet und voll Eifer für die Wissenschaft hatte L. bereits in seinem 15. Lebensjahre sich diejenigen Kenntnisse angeeignet, welche ihn befähigten, sich dem speciellen Studium der Medicin zu widmen, leider aber wurde ein regelmäßiger Studiengang dadurch unterbrochen, daß er, nach kaum einjährigen Arbeiten, gezwungen wurde, als Elève en chirurgie der Rheinarmee zu folgen. Erst gegen Ende des Jahres 1793, nach Durchbrechung der Weißenburger Linien, war ihm vergönnt nach Straßburg zurückzukehren und seine Studien wieder aufzunehmen. Vorzugsmeise interessirte ihn die Anatomie, und seine eigenen Arbeiten auf diesem Gebiete fanden in dem Lehrkörper der Facultät eine solche Anerkennung, daß er 1798 zum Prosector und alsbald zum Director des anatomischen Theaters (Chef des Travaux anatomiques) ernannt wurde. — Im J. 1892 erlangte er nach Vertheidigung seiner ausgezeichneten Arbeit „Essai sur la nutrition du foetus“ An. X (deutsch 1804) die Doctorwürde, 1804 begann er seine Vorlesungen über Anatomie und 1806 wurde er zum ersten Geburtshelfer am Bürgerhospitale in Straßburg und zum Lehrer an der daselbst bestehenden Hebammenschule des Departements du Bas-Rhin ernannt. — Mit dem Studium der Anatomie verband er zoologische und vergleichend-anatomische Forschungen, eine besondere Aufmerksamkeit aber wandte er der pathologischen Anatomie zu und die reiche Gelegenheit, welche ihm für Gewinnung Pathologisch-anatomischer Präparate geboten war, gab ihm den Gedanken ein, ein pathologisches Museum zu begründen. — Der Eifer, mit welchem er diesen Gedanken ausführte und die Erfolge seiner Bemühungen, die Herstellung einer für jene Zeit überaus reichen und werthvollen Sammlung pathologisch-anatomischer Präparate, lenkten die Aufmerksamkeit Cuvier's auf ihn, und auf Veranlassung dieses großen Gelehrten wurde in Straßburg im J. 1819 ein Lehrstuhl für pathologische Anatomie begründet, L. auf denselben berufen und ihm gleichzeitig das Directorat des Museums übertragen. Zwei Jahre später wurde er noch zum Professor der medicinischen Klinik ernannt und allen diesen Aufgaben wurde er, neben einer nicht unbedeutenden litterarischen und praktischen Thätigkeit als Arzt, mit ungeschwächtem Eifer bis kurz vor seinem im J. 1835 erfolgten Tode gerecht. — Unter den zahlreichen, theils monographisch, theils in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichten Arbeiten Lobstein's nehmen die auf dem Gebiete der anatomisch-physiologischen und der pathologisch-anatomischen Forschung die erste Stelle ein.|Unter den der ersten Gruppe angehörigen Schriften verdienen vorzugsweise die auf die Anatomie und Physiologie des Foetus und der weiblichen Geschlechtsorgane gerichteten Untersuchungen — vor Allem die obengenannte, als Inauguraldissertation veröffentlichte Arbeit „Ueber die Ernährung (bez. Bildung) des Foetus", demnächst einige bereits früher „Ueber die Gefäße des Nabelstranges“ und „Ueber die Lage der Hoden im Unterleibe des Foetus und das Herabsteigen derselben“ (beide in den Archives de l'art des accouchemens, 1801), später „Ueber den Kreislauf im Foetus“ (in Magasin encyclopédique, 1804) und „Ueber den Bau des Uterus“ (ebendort) erschienene Arbeiten, sowie eine größere Schrift „De nervi sympathetici humani fabrica, usu et morbis“, 1823, hervorgehoben zu werden. — Eine seiner ersten und interessantesten pathologischanatomischen Arbeiten liegt in dem „Mémoire sur l'ossification des artères“ (in Mém. de la Soc. d'agriculture et des sciences et arts, 1811, auch besonders erschienen) vor; daran knüpfen sich als Vorläufer seines großen Handbuches der pathologischen Anatomie die in dem Journ. complémentaire du dictionnaire des sciences méd. 1818 II. 3, 311 erschienenen „Vues générales sur l'anatomie pathologique“, in welchen er im Anschlusse und im Geiste seines großen Vorgängers Bichat die Grundsätze und Ziele der pathologisch-anatomischen Forschung in folgenden drei Thesen: 1) „l'analyse anatomique de l'organe echangé dans sa structure"; 2) „l'examen physiologique de cet organe tendant à découvrir comment et par quel mécanisme le changement organique a pu s'effectuer"; 3) „Les relations qui existent entre les organes altérés dans leur structure et, les phénomènes vitaux ou ce qu'on appelle ordinairement les symptomes et les phénomènes de la maladie“ niedergelegt und erörtert hat. — Von diesem Standpunkte ist denn auch das zuvor erwähnte Handbuch der pathologischen Anatomie, „Traité d'anatomie pathologique“, 2 Vols. 1829, 1833 (deutsch in 2 Bänden 1834, 1835) bearbeitet, die bei weitem bedeutendste Schrift über diesen Gegenstand aus jener Zeit, mit welcher sich L. ein bleibendes Denkmal in der Geschichte der Medicin gesetzt hat. Leider hat ihn der Tod vor Vollendung dieser Arbeit ereilt. — Auch auf dem Gebiete der Geburtshülfe hat sich L. durch seine wissenschaftlichen und praktischen Leistungen ein nicht geringes Verdienst verschafft. Die von ihm veröffentlichten Berichte über seine Thätigkeit als Geburtshelfer in der städtischen Gebäranstalt in Straßburg aus den Jahren 1804 bis 1815 (in Leroux Journ. de méd. 1816 XXXVI und 1817 XL) geben den Beweis, daß er mit den großen Fortschritten, welche die Geburtshülfe zu jener Zeit besonders in der Wiener Schule gemacht hatte, wohl vertraut war und nicht weniger hat er auch hier auf dem Wege der anatomischen Forschung zur Förderung dieses Zweiges der Medicin beigetragen. Mit seinen umfassenden medicinischen Kenntnissen verband L. eine klassische Bildung und ein lebhaftes, verständnißvolles Interesse für die schönen Künste, denen er in enthusiastischer Weise huldigte, die Lieblingsbeschäftigung in seinen Mußestunden aber bildete die Historie, besonders die Alterthumswissenschaft, und diese Neigung bethätigte er durch Sammlungen von Alterthümern, unter welchen eine Collection von mehr als 6000 Münzen besonders bemerkenswerth) war. — Als klinischer Lehrer war L. durch äußerste Gewissenhaftigkeit, welche überhaupt seine ganze wissenschaftliche Thätigkeit beherrschte und durch Klarheit in den Vorträgen ausgezeichnet; als praktischer Arzt war er nicht blos beliebt, sondern auch wahrhaft geliebt, und wo er als Hausarzt fungirte, wurde er in der Regel alsbald auch ein Freund der Familie. — Sein Wohlwollen, das Armen gegenüber sich bis zur Verschwendung steigerte, die Bescheidenheit, welche ihn zierte und ihn ebenso vor Heftigkeit in der Vertheidigung eigener Ansichten bewahrte, wie ihn milde in der Beurtheilung anderer machte, gewannen ihm die Liebe aller, die mit ihm in|ferne oder nahe Berührung traten und namentlich die seiner Collegen, mit welchen er stets auf freundschaftlichem Fuße lebte. Im Beginne des Jahres 1833, bis wohin sich L. ungetrübter Gesundheit erfreut hatte, stellten sich bei ihm Harnbeschwerden ein, welche auf Anwesenheit eines Steines in der Blase schließen ließen, allein wiederholte, in diesem und den folgenden Jahren angestellte Untersuchungen, welche bei Fortdauer und Steigerung der Beschwerden geboten waren, ergaben negative Resultate. Im Februar des Jahres 1835 erkältete sich L. auf einer Spazierfahrt, es entwickelte sich ein nervöses Fieber und nach siebentägigem schweren Leiden erfolgte am 7. März sein Tod. Die Section ergab, bei fast ganz normalem Zustande der Blase, eine weit reichende, eitrige Zerstörung der rechten Niere. An Auszeichnungen hat es L. während seines Lebens nicht gefehlt; so erhielt er unter Anderem im J. 1834 auf Guizot's Vorschlag das Kreuz der Ehrenlegion. Die würdigste Anerkennung hat er in der Stadt, in welcher er gelebt und gewirkt hat, von der deutschen Wissenschaft erfahren, welche in dem im J. 1878 eröffneten pathologischen Institute in Straßburg seine Büste aufgestellt hat.

    • Literatur

      Ueber das Leben L.'s vgl. Discours prononcés aux obsèques de J. F. L. par Caillot. Strasb. 1835. — Ehrmann, Eloge histor. du professeur J. F. L. Strasb. 1836. —
      Nekrolog in Salzb. med.-chir. Zeitung 1835 Nr. 101, S. 364. —
      Ed. Lobstein, J. F. L., der Gründer des pathologischen Museums zu Straßburg. Straßb. 1878. — Ein ziemlich vollständiges Verzeichniß der Schriften L.'s findet sich in Dict. hist. de la méd. III. 468—470.

  • Autor/in

    A. Hirsch.
  • Zitierweise

    Hirsch, August, "Lobstein, Johann Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 19 (1884), S. 54-56 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100369979.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA