Lebensdaten
1867 – 1942
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Literaturhistoriker ; Schriftsteller ; Theaterkritiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 119158965 | OGND | VIAF: 52493088
Namensvarianten
  • Heilborn, Ernst Friedrich
  • Heilborn, Ernst
  • Heilborn, Ernst Friedrich

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Zitierweise

Heilborn, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119158965.html [07.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Eduard (* 1827, ev.), Kaufm. in B., S d. Hirsch Jacob H. (1796-1846, isr.), aus Posen, Kaufm. in B., u. d. Helene Alevin;
    M Antoinette (* 1833, ev.), T d. Leihbibliothekars Aug. Wilh. Kralowski (* 1801/02) in B. u. d. Marie Frieder. Lohmann;
    Schw Martha ( Justus Jacobi, 1850–1937, Gen.-sup. in Magdeburg 1910–30);
    - 1) 1894 Hedwig Althaus, 2) Lucie (1887–1942), T d. Lesser Michaelis u. d. Mathilde Hirschfeld;
    2 S aus 1) (1 ⚔), 1 S aus 2) Gerhard (* 1911), Kaufm. in Haifa/Israel; N Gerhard Jacobi (* 1891), Bischof v. Oldenburg.

  • Biographie

    H. besuchte das Französische Gymnasium in Berlin und studierte in Jena und Berlin Germanistik (Promotion Berlin 1890, Dissertation: Der wortschatz der sogenannten 1. schlesisches dichterschule …); er unternahm einige Reisen, die nach England hinterließ vielleicht den stärksten Eindruck. Sein Leben lang ist er jedoch Berlin treu geblieben. Die im Elternhaus entschlossen protestantische Erziehung bestimmte sein Wesen, vertiefte es im liberalen Bürgersinn. H. verstand sich auf den Geist, aus dem das Berlin des 19. Jahrhunderts seine besten Kräfte gezogen hat; in seiner kulturhistorischen Untersuchung „Zwischen zwei Revolutionen“ Band 1: „Der Geist der Schinkelzeit“ (1927), Band 2: „Der Geist der Bismarckzeit“ (1929) hat er ihn dargestellt. Die reinen Bauten Schinkels, die Leidenschaft und Strenge eines Gilly haben die Arbeiten H.s begleitet, das Bedachte, Ernste, Genaue seiner Sprache bestimmt. Seine journalistische Laufbahn hatte er 1892 begonnen, seit 1894 war er Redakteur der „Frau“, leitete 1896-98 die internationale Revue „Cosmopolis“ und war eine Zeitlang Theaterkritiker der „Nation“. Er betätigte sich als Literarhistoriker und Herausgeber und hat eine Reihe von Romanen verfaßt, die jedoch wenig Erfolg hatten. Sein literarisches Schaffen gipfelt in der Kritik: Die „Frankfurter Zeitung“ beauftragte H. 1901 mit dem Theaterreferat aus Berlin. Das Blatt hielt sich zur Hauptstadt räumlich und geistig in Distanz. Der Widerhall auf die Ereignisse in den Metropolen kam etwas später, jedoch|war er unabhängiger, maßvoller und daher doppelt wirksam. Der Theaterkritiker H. verkörperte diese Haltung seines Blattes vorzüglich. – Als Herausgeber des „Literarischen Echo“ (1923 in „Die Literatur“ umbenannt) behauptete H. von 1911 bis April 1933 eine der wichtigsten Positionen im literarischen Leben Deutschlands. Die Zeitschrift war, bei konservativer Grundhaltung, offen für alle geistigen Strömungen und bot, vor allem mit ihren Besprechungen von Büchern, Theateraufführungen, Zeitschriften, Zeitungen etc. und ihren vorzüglichen aktuellen Bibliographien der Zeitschriften- und Zeitungsaufsätze, eine vollkommene Chronik des kulturellen Lebens.

    Nach 1933 war H. der nationalsozialistischen Rasseverfolgung ausgesetzt; für die „Frankfurter Zeitung“ konnte er noch bis November 1936 schreiben, dann traf ihn das Schreibverbot. Anläßlich einer Palästinareise 1937 lehnte er es dennoch ab, Deutschland zu verlassen. Erst kurz vor Ausbruch des Krieges, nach zunehmender Verfolgung, Isolierung und drohender Armut, entschloß er sich auszuwandern. Er erhielt schließlich Mai 1942 ein Visum für die Schweiz, die Ausreise wurde jedoch verweigert. Bei dem Versuch, aus Deutschland zu fliehen, wurden er und seine Frau verhaftet. H. starb im Gefängnis; seiner Frau gelang es, vor dem Abtransport nach Polen Selbstmord zu begehen.

    H. ist Fontane in der Passion und Sorgfalt gefolgt und in solcher Weise diesem ebenbürtig. Seine Kritiken spiegeln kein geringes Kapitel deutscher Dramatik wieder. Dabei zog es ihn weniger an, die allmählich schärfer werdende Problematik der Themen zu erörtern (er überließ diese Aufgabe seinem Frankfurter Kollegen Bernhard Diebold), sondern die Aufmerksamkeit, die Spannung, die jede Aufführung in ihm hervorrief, war für H. Antrieb genug. Er ging auf das Ensemble wie die einzelne Schauspielerleistung unermüdlich ein. Er achtete das Metier, war in seinem Urteil nie verletzend und hat grade als Mahner vielen Künstlern und manchem Schriftsteller gute Ratschläge gegeben. Er kannte die Bühne und ihre dramatischen Mittel, sie wollten, so war seine Meinung, auf Herz und Nieren geprüft sein, auf echt oder falsch, welche Charaktere und Weltläufe sie auch immer zu spiegeln hatten. – H.s kritisches Oeuvre gehört zur Geschichte Berlins und der deutschen Literatur im ersten Drittel dieses Jahrhunderts.

  • Werke

    Weitere W u. a. Romane: Kleefeld, 1899;
    Der Samariter, 1901;
    Josua Kersten, 1908;
    Die steile Stufe, 1910;
    Die kupferne Stadt, 1918. - Literar- und kulturhistorische Arbeiten:
    Novalis d. Romantiker, 1901;
    Das Tier Jehovas, 1905;
    Vom Geist d. Erde, 1921;
    E. T. A. Hoffmann, Der Künstler u. d. Kunst, 1926;
    Dtld.reisen in alter Zeit, 1934. - Hrsg.: Novalis Schrr., krit. Neuausg. aufgrund d. hs. Nachlasses, 1901;
    J. J. David, Ges. Werke, 1908 (mit Erich Schmidt);
    Das Fontane-Buch, 1919;
    E. v. Keyserling, Ges. Erzz. in 4 Bdn. 1922;
    ders., Balt. Romane, 1933;
    ders., Romane d. Dämmerung, 1933.

  • Literatur

    j. b. [Jul. Bab], in memoriam E. H., in: Aufbau, New York 1942;
    F. Schotthöfer, in: Die Gegenwart, Nr. 10-11 v. 24.5.1946;
    Brümmer;
    Kosch, Lit-Lex.;
    Rhdb. (P).

  • Autor/in

    Benno Reifenberg
  • Zitierweise

    Reifenberg, Benno, "Heilborn, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 257-258 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119158965.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA