Lebensdaten
um 1480 – 1524 oder 1525
Geburtsort
Basel
Sterbeort
Basel
Beruf/Funktion
Dichter ; Buchdrucker ; Buchhändler
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11853842X | OGND | VIAF: 66566707
Namensvarianten
  • Gengenbach, Pamphilus
  • Geengenbach, Pamphilus
  • Gengenbach, Pamphilius
  • mehr

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Zitierweise

Gengenbach, Pamphilus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11853842X.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ulrich, aus Gengenbach/Kinzig (Baden), Druckergeselle bei M. Wenßler in B.;
    M Anna Keßler;
    Basel Jan. 1509 Enele Renk.

  • Biographie

    Zahlreiche sich über ein Jahrhundert erstreckende Wiederauflagen der ihrem Umfang nach durchweg kleinen (als Einblatt, meist als Vierblatt, bis zu höchstens 28 Quartblatt beim Schauspiel, erschienenen) Schriften G.s belegen, in welch großem Ausmaß sich das breite Volk von den Meisterliedern, Reimgedichten über Zeitgeschehnisse, anderen aktuellen Büchlein in Reim und Prosa und den ernsten Fastnachtsspielen des Basler Buchdruckers weithin und anhaltend angesprochen fand. Eine zeiteigentümliche, nicht immer saubere Derbheit, Nüchternheit und krasse Realität seiner oft - gleich seinem frühen Vorbild Sebastian Brant - breit, unpoetisch und stellenweise langweilig (dazu noch landsknechtsartig polternd, ja etwas verwildert) ausgeführten Schriften hatten als seltsames Gegengewicht durch Prophezeihungen über den nahenden Antichrist hervorgerufene Erschütterungen und plagende schreckhafte Bilder über das bevorstehende Weltende und jüngste Gericht. Hier lagen die Wurzeln der satirisch moralisierenden Schriftstellerei G.s, der, gebildet, besonders in der Zeitgeschichte gut bewandert und für das dramatische Gespräch hoch veranlagt, seine Umwelt zu warnen, aufzurütteln und zu bessern trachtete, eine Umwelt, der er selbst jedoch mit seinen eigenen Schwächen verhaftet blieb. Nach seiner Basler Lehrzeit als Buchdrucker ging G. auf die Wanderschaft, die ihm Leben und Sprache auf Gassen und in Schenken nahebrachte, arbeitete bei Koberger in Nürnberg und, nach Basel zurückgekehrt, dort 1505-08 als Buchdruckergeselle, machte sich dann selbständig und erwarb 1511 das Bürgerrecht zu Basel. Datierte Drucke von ihm liegen aus den Jahren 1513-23 vor. Als guter Drucker verwandte er häufiger ansprechende Titelrahmen, die neben Blumen- und Blätterwerkzier antike Bezüge aufwiesen. Ambr. Holbein war sein Hauptillustrator. 1521 druckte er die einzeln erschienenen und weithin Aufsehen erregenden „bundtsgenoßen“ des Johann Eberlin von Günzburg. Seit 1513 bis zu seinem Tode im besten Mannesalter hatte er im Haus „Zum kleinen roten Löwen“ einen offenen Buchladen. Sich recht und schlecht bei starker Konkurrenz im Buchgewerbe zu Basel durchschlagend, fiel er, wie einschlägigen Akten zu entnehmen, gelegentlich durch unbezahlte Schulden auf, raufte sich gar, druckte auch Verbotenes, erwies sich jedoch im Grunde als tüchtig, treu zu seinem Volkstum haltend und revolutionärem Wesen abhold.

    Wohl 1509 veröffentlichte er sein erstes „Lied“. Wenn er sich auch publizistisch früh für Luther einsetzte, so wuchs doch bei ihm fortschreitend die Kritik an der lutherischen Bewegung, und „rückte er merklich mit einigen seiner Werke von den Evangelischen ab“ (Clemen). Goedeke führt 25 ihrem Umfang und Inhalt nach ungleiche Drucke als literarisches Werk G.s auf. Von seinen religiös eingestimmten „Meisterliedern“ bleibt die sozialpolitischen Einschlag aufweisende „history von fünff … Juden“, die das Bild Mariens beschimpften, erwähnenswert. Das seine Zeitgenossen brennend angehende „italienische Thema“ behandelte er reimend im Lied vom Krieg zwischen Papst, Kaiser, König von Frankreich und den Venedigern, in Prosa in „Der welsch Flusz“ (1513), eingekleidet in die Form des Kartenspiels. Mit dem Gedicht|„Der alt Eydgenoß“ (1514) warnte er die jungen Schweizer vor dem Reislaufen im Dienst fremder Fürsten. Im gleichen Jahr erzählte er vom Ursprung des „Bundtschu“, dem Bauernaufstand im Breisgau, und stellte eine Versmahnung voran, der Obrigkeit gehorsam zu sein. 1517 sang der gut kaiserliche Mann „zu lob … Carolo erwelten römschen Kunig“. In seinem gereimten „Liber vagatorum“ oder „Bettelorden“ beschrieb G. das Treiben der Fahrenden und Bettler und gab ein kleines rot-welsches Vokabular bei, was als höchst aktuell beifällig aufgenommen wurde, da damals Gerüchte von Umsturzvorbereitungen des Bettelordens umliefen. Thomas Murner mußte das hohe satirische Können G.s mit dessen „grausamer history von einem pfarrer vnd einem geyst vnd dem Murner“ an sich selbst verspüren. Unter den Neubearbeitungen älterer Gedichte durch G. spricht das „Räbhänszlin“ mit seinen Weingrüßen und Weinsegen köstlich an.

    Größte Bedeutung jedoch gewann G. mit seinen 3 Schauspielen, den ältesten dramatischen Werken des 16. Jahrhunderts in deutscher Sprache überhaupt, mit denen er dem von ernster Gesinnung getragenen, lehrhaften Fastnachtsspiel Bahn brach und in deren einzelnen Figuren individuell ausgestaltete Menschen seiner eigenen Zeit auf die Bühne stellte. In dem auf einem älteren Text beruhenden „X alter Dyser weit.,“ (1515) hört sich ein Einsiedler die Selbstschilderung eines jeden Alters vom Kind bis zum 100jährigen Greis an, hält Fehler vor und sucht mit guten Lehren aus der Geschichte zu warnen und zu bessern, predigt aber tauben Ohren, da jedes Alter auf der ihm eigenen Art beharrt. Abhängig von diesem sich großer Beliebtheit erfreuenden und in ganz Oberdeutschland vielfach gespielten Stück gestaltete Jörg Wickram 1534 seine Neubearbeitung „Zehn Alter“, wie auch bei Jaspar von Gennep (1536) und Georg Reypichius (1559) G.s Einwirkung wahrzunehmen ist. Das 2. Spiel „Die gouchmatt“ (1516) rüttelte an den sittlichen Zuständen der Zeit, richtete sich gegen Ehebruch und Unkeuschheit und polemisierte gegen die Untergangsvoraussagen des zeitbekannten Astrologen Lorenz Fries, obwohl G. selbst in prognostizierender Astrologie befangen blieb. Im 3. Spiel, dem „Nollhart“ (1517), bot G. mit bezeichnenden Versen eine kritische Charakterisierung der auftretenden einzelnen Stände, die er durch die „prophetien sancti Methodii“ einen Blick in ihre Zukunft tun läßt. Als Gesamteindruck von G.s Leben und Werk bleibt bestimmend haften, wie erschreckend nahe ihm, seiner Generation und Zeit überschäumende Lebensäußerungen und tiefste Niedergeschlagenheit über Vergänglichkeit und Eitelkeit der Welt beieinander standen.

  • Werke

    P. G. Gesamtausg., hrsg. v. K. Goedeke, 1856 (Zuschreibung d. Meisterlieder üb. Schlacht b. Novara 24.6.1513 u. Schlacht b. Terouenne 22.8.1513 jedoch nach Bartsch nicht gesichert) (Bibliogr. S. 689 f.);
    (P. G.) Ein klägl. Gespräch v. e. Abt, Curtisanan u. d. Teufel wider d. frommen Pabst Hadrian, hrsg. v. A. Richel, in: Flugschrr. aus d. ersten J. d. Ref. 3, 1908, S. 1-25 (der v. Sickingen auf Luthers Veranlassung vertriebene Abt);
    Von e. Waldbruder, 1522 (n. Munsterberg wohl interpoliert, s. L); Die in Basel in Quart aufgelegten Erstausgaben seiner v. Basler Stadtbürgern zu Herrenfastnacht gespielten Schauspiele datieren:
    Die X alter dyser weit … gespilt … vff der herren fastnacht, Basel 1515, 16 Bll. (die letzte Basler Ausg. erschien 1635);
    die gouchmatt, ebd. 1516, 20 Bll.;
    Der Nollhart, Basel 1517, 28 Bll.

  • Literatur

    ADB VIII (K. Bartsch);
    Gartner, Die zehn Alter, eine rhätoromanische Bearbeitung aus dem 16. Jh., in: Roman. Stud. 6, 1886, S. 239;
    S. Singer, Werke d. P. G., in: Zs. f. dt. Altertum u. dt. Lit. 45, 1901, S. 153-77;
    H. König, P. G., in: Zs. f. dt. Philol. 37, 1905, S. 40-65, 207-52;
    A. Götze, Hochdt. Drucker d. Ref.zeit, 1905, S. 14, Titelrahmen 37, 40, 56, Taf. 17 (auch Sprachliches);
    F. Stütz, Die Technik d. kurzen Reimpaare d. P. G., in: Qu. u. F z. Sprach- u. Culturgesch. d. german. Völker 117, 1912;
    K. Lendi, Der Dichter P. G., in: Sprache u. Dichtung 39, 1926;
    W. Schein, Stilist. Unters. z. d. Werk P. G.s, phil. Diss. Jena 1927;
    O. Clemen, in: Archiv f. Ref.gesch. 37, 1930, S. 223-27;
    R. Raillard, P. G. u. d. Ref., Diss. Zürich 1936;
    D. M. van Abbé, Development of dramatic form in P. G., in: Mod. Language Review 45, Cambridge 1950, S. 46-62 (am Beisp. d. „clag vber die Todten fresser“);
    M. Munsterberg, An early German carnival play, in: Boston Public Library Quarterly 4, 1952, S. 108-10 („Von einem Waldbruder“, 1522, betr.);
    RGG;
    Goedeke II (W, L).

  • Autor/in

    Heinrich Grimm
  • Zitierweise

    Grimm, Heinrich, "Gengenbach, Pamphilus" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 187-188 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11853842X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Gengenbach: Pamphilus G., Dichter des 16. Jahrhunderts. Er lebte in Basel, wo er zwischen 1509 und 23 dichtete und als Buchdrucker eine sehr rege Thätigkeit entwickelte. Ueber sein Leben wissen wir trotz der zahlreichen Schriften, die wir von ihm besitzen, so gut wie gar nichts. Seine Schriften sind ziemlich mannigfaltiger Art. Zunächst Meisterlieder, von denen eines eine Geschichte von fünf Juden behandelt, die das Bild Maria's beschimpften. Hier zeigt sich G. noch als eifriger Katholik, während er später ein ebenso eifriger Anhänger der Reformation wurde. In einem anderen Meisterliede erzählt er|das Schelmenstück, das drei Gesellen 1517 in Berlin ausführten. Auch historische Ereignisse hat er in mehr volksmäßig gehaltenen Liedern dargestellt. So den Krieg zwischen Frankreich und Venedig und die Schlacht bei Agnadello (am 14. Mai 1509; vgl. Liliencron, Historische Volkslieder III. 28 ff.), die Schlacht bei Terouenne (Terwan) zwischen Maximilian I. und den Franzosen am 22. August 1513 (Liliencron III. 100 ff.); indeß beruht bei letzterem Liede die Autorschaft Gengenbach's nur auf Vermuthung; das gleiche gilt von dem Liede auf die Schlacht bei Novara (die Nawerrenschlacht) am 24. Juni 1513 (Liliencron III. 92 ff.). Ein anderes historisches Gedicht „Der alt Eydgnoß“ (1514) enthält eine Mahnung eines alten Schweizers an einen jungen, sich nicht auf die Streitigkeiten der Fürsten einzulassen, und ist wol mit durch die Schlacht bei Novara veranlaßt, in welcher 1500 Schweizer im Dienste von Maximilian Sforza gefallen waren. — Ferner verfaßte G. eine Anzahl gereimter und prosaischer Büchlein politischen und moralischen Inhalts. Der Zeitgeschichte gehört darunter an „Der welsch Fluß“ (1513), das auf die italienischen Zustände zu jener Zeit sich bezieht und die Form des Kartenspiels zur Einkleidung wählt. Ferner die „History von einem Pfarrer und einem Geist und dem Murrner“, eine scharfe Satire gegen Thomas Murner, der die Reformation beschwören will, aber von dem Geiste derselben verschlungen wird. Culturhistorisch am interessantesten ist das „Liber vagatorum“, eine Schilderung des Treibens der Bettler auf Grund von Verhören derselben in Basel. Sehr beliebt und verbreitet wurde die Prosaauflösung dieses Buches, welchem ein Verzeichniß von rothwälschen Wörtern beigegeben ist. In Prosa veröffentlichte G. unter anderm „Der Bundschuch“ (1514), worin er den Ursprung des Bundschuchs, eines Bauernaufstandes im Breisgau, erzählt; vorangeht ein Gedicht als Einleitung, in welchem unter Anführung zahlreicher biblischer Beispiele Gehorsam gegen Obrigkeit, Adel und Geistlichkeit empfohlen wird. — Auch hat G. mehrere ältere Gedichte in erneuerter und umgearbeiteter Gestalt herausgegeben; so das „Rebhänslin“, eine hübsche Sammlung von Weingrüßen und Weinsegen, und die anmuthige Legende Kunz Kistners von den beiden Jakobsbrüdern. — Am bedeutendsten ist jedoch G. als dramatischer Dichter. Seine drei Fastnachtsspiele sind nicht blos deshalb litterarisch wichtig, weil er der älteste Dramatiker des 16. Jahrhunderts ist, sondern auch wegen ihrer Tendenz. Sie können recht eigentlich als Tendenzstücke im besten Sinne bezeichnet werden. Er stellt darin die Zustände der unmittelbaren Gegenwart dar, mit der Absicht moralischen Nutzen dadurch zu stiften. In der Anlage sind die Stücke meist einfach, und wiewol sie bestimmt waren, in der lustigsten Zeit des Jahres gespielt zu werden, tragen sie doch einen durchaus ernsten Charakter. Dadurch unterscheiden sie sich wesentlich von fast allen Fastnachtsspielen jener Zeit. Das eine von den zehn Altern der Welt, wurde wahrscheinlich 1515 von den Bürgern in Basel zu Fastnacht aufgeführt und in demselben Jahre gedruckt, dann auch in zahlreichen Drucken im 16. und sogar noch im 17. Jahrhundert aufgelegt. Die zehn verschiedenen Lebensalter des Menschen werden darin vorgeführt und empfangen, nachdem jedes sein Sprüchlein hergesagt, Lehren von einem Einsiedler. Das zweite ist die Gouchmatt der Buhler, 1516 ebenfalls von Basler Bürgern gegeben und Basel 1516 gedruckt, aber nur noch ein Mal (1586) wiederholt. Es ist gegen Ehebruch und Unkeuschheit gerichtet, nicht gegen Murner's Gedicht, sondern gegen ein anderes, das die Unkeuschheit für sündlos erklärt hatte. Endlich der Nollhart, 1517 aufgeführt und gedruckt, dann noch mehrfach zum Theil mit Interpolationen aufgelegt. Hier sind es die verschiedenen Stände, welche charakterisirt werden, indem jedem bezeichnende Verse in den Mund gelegt werden, worin er nach der Zukunft fragt, worauf sie|dann die betreffenden Weissagungen als Antwort erhalten. Eine durchaus ernste und tüchtige Gesinnung zeichnet alles aus, was G. geschrieben und verleiht ihm ein eigenthümliches Gepräge.

    • Literatur

      Pamphilus G., herausgegeben von K. Goedeke, Hannover 1856.

  • Autor/in

    K. Bartsch.
  • Zitierweise

    Bartsch, Karl, "Gengenbach, Pamphilus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 8 (1878), S. 566-568 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11853842X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA