Wolf, Benedikt

Lebensdaten
1875 – 1968
Geburtsort
Köln
Sterbeort
Petach Tikwa (Israel)
Beruf/Funktion
Rabbiner ; Religionslehrer
Konfession
jüdisch
Namensvarianten

  • Wolf, Benedikt Pinchas
  • Wolf, Benedict
  • Wolf, Benedikt
  • Wolf, Benedikt Pinchas
  • Wolf, Benedict

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Zitierweise

Wolf, Benedikt, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz142939.html [19.12.2025].

CC0

  • Wolf, Benedikt (Benedict) Pinchas

    | Rabbiner, Religionslehrer, * 1.3.1875 Köln, † 27.8.1968 Petach Tikwa (Israel), ⚰ Petach Tikwa.

  • Genealogie

    V Joseph (Rebbe) Seew (Zeew) (1824–96), Rabbiner, Rel.lehrer, Gründer e. Jeschiwa (Talmud-Lehranstalt) in Schermbeck b. Wesel, seit 1861 Leiter d. neugegr. Talmud-Thora-Lehranstalt in K., S d. Josef (1787–1873), Viehhändler in Crudenburg b. Hünxe, u. d. Rachel Aron;
    M Rosette (Rozita, Reichla) Levison (Levinzon) (1828–1917), aus Amsterdam;
    Ov Salomon, Mitgl. d. Synagogengde. Adass Jeschurun in K.;
    9 ältere Geschw (5 früh †) u. a. B Aron (1854–1912), Lazarus Elieser (1867–1937), Tuwia (1857–1903), Schw Berta-Jochewed (1855–1938);
    1) Halberstadt 1905 Helene (Helena, Hindel) (1877–1957), aus Halberstadt, T d. Sigmund Selig Aviëzri Auerbach (1840–1901), aus Darmstadt, Rabbiner in Halberstadt (s. Biogr. Hdb. Rabbiner II), u. d. Rosa Hirsch (1843–1932), 2) n. 1957 Rahel Munk (* 1885, 1] Hermann Engel, 1878–1930);
    6 S Zeew-Josef (1906–66), R. Josef Awraham (1911–1979), Aaron (1913–2017), Israel Menachem (Emanuel) (* 1917), Zwi Benjamin (1919–1998), 3 T Avi-Esri Selig (1908–2004), Jochewed-Betty (1909–2004), Lea (* 1915);
    Vt Jonas (1876–1945), 1928 Vors. d. Gde.vorstands v. Adass Jeschurun, emigrierte 1939 in d. USA;
    N Salomon (s. L).

  • Biographie

    W. wuchs im jüd.-orthodoxen Milieu Kölns auf, wo er das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium besuchte. Nach dem Abitur 1893 und einigen Monaten Talmud-Studiums bei seinem Vater studierte er an den Universitäten Berlin und Bonn Philosophie und Orientalistik. 1897 wurde er an der Univ. Erlangen bei dem Semitisten Ludwig Abel (1863–1900) mit der philologischen Studie „Die Geschichte des Propheten Jona, Nach einer karschunischen Handschrift der Kgl. Bibliothek zu Berlin“ (1897, ²1899) zum Dr. phil. promoviert. Parallel zu seinen Universitätsstudien absolvierte W. bis 1897 das orthodoxe Berliner Rabbinerseminar und studierte danach bei Rabbiner Selig Auerbach in Halberstadt. Durch seine Heirat mit dessen Tochter war W. mit einer der bedeutendsten dt. Rabbinerfamilien verschwägert. 1899 ging W. als Lehrer an die orthodoxe höhere Samson-Raphael-Hirsch-Schule nach Frankfurt/M. 1900 übernahm er als Nachfolger seines Vaters die Leitung der Kölner Talmud-Thora-Schule, die unter ihm zunehmend Schüler anzog, so daß nach 1918 zeitweise bis zu 150 Schüler, davon 30 Mädchen, unterrichtet wurden. W.s Einfluß in der rhein. Orthodoxie beruhte zum einen auf der Leitung dieser Schule, zum anderen auf der Ausübung des Rabbinats des „Vereins für die jüdischen Interessen Rheinlands“ (Rheinland-Ver.), der 1902 nach dem Vorbild des „Vereins zur Wahrung der religiösen Interessen des Judentums in Westfalen“ (1896) gegründet worden war, um die rabbinerlosen Kleingemeinden im Rheinland im orthodoxen Sinne zu betreuen. W. beaufsichtigte u. a. den Religionsunterricht, initiierte den Bau von Mikwen (Ritualbäder) in Kleingemeinden und fungierte als Mohel (Beschneider) in Köln und im Umland. Ihm oblag die Aufsicht über die Herstellung koscherer Lebensmittel und die koschere Schlachtung (außerhalb der Stadt Köln). In den 1920er und frühen 1930er Jahren sah er sich in Schule und Verein wachsenden finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. Aufmerksamkeit weit über das Rheinland hinaus erlangte W. mit seinen Publikationen, in denen er sich an ein orthodoxes Laienpublikum wandte. So gab er praktische Handbücher über die Speisegesetze und Trauerriten sowie Bibelkommentare heraus, die z. T. ins Hebräische übersetzt wurden und noch heute verlegt werden.

    W. hatte Ambitionen auf die Rabbinerstelle der Kölner Synagogengemeinde Adass Jeschurun, auf die aber 1904 sein ehemaliger Kommilitone Emanuel Carlebach (1874–1927) gewählt wurde, was zu langjährigen Spannungen in der Kölner Orthodoxie führte.

    Während des 1. Weltkriegs und danach engagierte sich W. in der Fürsorge für jüd. Soldaten und osteurop. jüd. Zu- und Durchwanderer. 1919 gründete er mit Carlebach die „Jawne“, das erste jüd. Gymnasium im Rheinland, und übernahm Anfang der 1920er Jahre für einige Zeit den Vorsitz des Schulrats. 1936 emigrierte W. mit seiner Familie nach Petach Tikwa (Palästina), wo er als Rabbiner des religiösen Lernvereins „Mekor Chajim“ amtierte, aus dem sich unter seiner Leitung eine große dt.-jüd. geprägte orthodoxe Gemeinde entwickelte. Von W.s Bibliothek, seinen Mohel- und Heiratsbüchern sowie von Judaica aus seinem und dem Besitz der Adass Jeschurun, die er nach Palästina mitnehmen konnte, erwarb das Köln. Stadtmuseum 2003/04 mehrere Objekte, Bücher und Dokumente.

    W. vereinte in seiner Person traditionelle jüd. und akademische Bildung. Seine Verbindung von Gelehrsamkeit, Volkstümlichkeit und Tatkraft machte ihn zur prägenden Gestalt der jüd. Orthodoxie in Westdeutschland im ersten Drittel des 20. Jh. Dabei richtete er seine|Aufmerksamkeit v. a. auf die ländlichen Kleingemeinden, die bis in das frühe 20. Jh. besonders im Rheinland einen wichtigen Teil der jüd. Lebenswelt ausmachten.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Vorstands d. Verbands d. orth. Rabbiner Dtld.s u. d. Kuratoriums d. Berliner Rabbinerseminars;
    Vors. d. Kuratoriums d. Isr. Waisenhauses, Dinslaken (1934–1936).

  • Werke

    |u. a. Die Vorschrr. f. d. Trauerzeit, 1910, Nachdr. u. d. T. Die Trauervorschrr., 1930;
    Die Speisegesetze, 1912, Nachdr. 1929;
    Dijukim al ha-Tora, Übers. u. Bemm. z. Pentateuch, 16 Hh., 1924/25–27/28;
    Nivreschet Helena, 1957/58 (Broschüre mit Vortrr. z. Erinnerung an W.s Ehefrau Helene);
    Nevi ʾ im rishonim, Die Bücher Schmuel I u. Schmuel II, übers. u. erl. v. Rabbiner B. P. W., 1923, Neuausg. 1926, neubearb. Aufl. 2017;
    Nevi ʾ im rishonim, Die Bücher Melachim I u. Melachim II, übers. u. erl. v. Rabbiner B. P. W. 2017;
    Hg./Red.: Jüd. Volksfreund, 1905–21;
    Bibl. d. Jüd. Volksfreundes, seit 1908;
    Bibliogr.: Biogr. Hdb. Rabbiner, T. 2, S. 665, Nr. 2685;
    G. Friedt, 1989, s. L, S. 25 f.;
    Qu u. Nachlaß: Fam.bes.;
    NS-Dok.zentrum d. Stadt Köln (u. a. Aron Wolf, Stammbaum d. Fam. W., 1987, hebr.);
    LBI New York, B. P. W. Collection;
    Köln. Stadtmus. (s. E. Pracht-Jörns, 2006, s. L, S. 39 ff.);
    The Central Archives for the Hist. of the Jewish People Jerusalem, Private Collection W., B. P.).

  • Literatur

    |Abschiedsfeier f. Herrn Rabbiner Dr. B. W., Köln, in: Der Israelit 77, Nr. 5 v. 30.1.1936, S. 13 (P);
    Z. Asaria (Hg.), Die Juden in Köln v. d. ältesten Zeiten bis z. Gegenwart, 1959, S. 211–13 (darin: Salomon Wolf, Die Synagogengde. Adass Jeschurun, S. 237–83) (P);
    A. Carlebach, Adass Yeshurun of Cologne, The Life and Death of a Kehilla, 1964, S. 19 f., 40–43, 101, 103 f., 117 f., 128–30 u. 144 f.;
    ders., Die Orthodoxie in d. Kölner jüd. Gde. d. Neuzeit, in: J. Bohnke-Kollwitz u. a. (Hg.), Köln u. d. rhein. Judentum, FS Germania Judaica 1959–1984, 1984, S. 341–62;
    G. Friedt, Dr. B. W., Ein rhein. orth. Rabbiner d. 20. Jh., Ms. Germania Judaica, NS-Dok.zentrum Köln 1989 (P);
    D. Corbach, Die Jawne zu Köln, Zur Gesch. d. ersten jüd. Gymn. im Rheinland u. z. Gedächtnis an Erich Klibansky, 1990, S. 32 u. 261;
    U. Reuter, Stud. zu Profil u. Funktion Kölner jüd. Ztgg. in d. J. 1921–1938, Mag.arb. Univ. Köln 1990, S. 44–55;
    B. Becker-Jákli, Ich habe Köln doch so geliebt, Lebensgeschichten jüd. Kölnerinnen u. Kölner, 1993, S. 79 (P);
    E. Pracht, Jüd. Kulturerbe in NRW, T. 1, 1997, S. 266 f.;
    E. Pracht-Jörns, „Ein Rest wird zurückkehren …“ (Jesaja 10,20–23), Neuerwerbungen bereichern d. Judaica-Slg. d. Köln. Stadtmus., in: Kölner Mus.-Bull. 1, 2006, S. 29–44;
    E. G. Lowenthal, Juden in Preußen, 1981;
    BHdE I;
    Kurzbiogrr. Juden;
    Biogr. Hdb. Rabbiner II.

  • Autor/in

    Ursula Reuter
  • Zitierweise

    Reuter, Ursula, "Wolf, Benedikt (Benedict) Pinchas" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 401-402 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142939.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA