Lebensdaten
1825 – 1896
Sterbeort
Nordhausen
Beruf/Funktion
Dichter ; Philosoph ; Kunsthistoriker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 116320680 | OGND | VIAF: 77064322
Namensvarianten
  • Eye, August von
  • Eye, August Johann Ludolf von
  • Eye, A. v.
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Eye, August von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116320680.html [28.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Eye: Johann Ludolf August von E. entstammte einem alten niedersächsischen Adelsgeschlechte, das schon 1286 urkundlich aufgeführt wird, und das sich im 30jährigen Kriege nach Zerstörung des kleinen Herrensitzes hinter die Mauern der damals befestigten Stadt Fürstenau bei Osnabrück rettete. Hier nahmen dann die Glieder des Geschlechts in fast ununterbrochener Reihe Sitz und Stimme im Magistrat der Stadt ein, und hier wurde auch August v. E. am 24. Mai 1825 als der älteste Sohn des Notars und Stadtsecretärs Ludwig v. E. geboren. In der stillen Weltabgeschiedenheit dieses Ortes wuchs der Knabe heran; für alle Eindrücke von außen leicht empfänglich, erstarkte bald in seinem schwächlichen Körper, der den Eltern manche Sorge machte, eine Seele, die entschlossen war, die lichte Schönheit des Daseins, sei es auch nach hartem Kampfe, aufzusuchen. Durch gründlichen Unterricht wohl vorbereitet, ging E. zu Ostern 1839 auf das Rathsgymnasium in Osnabrück, das er nach sechs Jahren absolvirte. Private Beschäftigung mit den Werken eines Shakespeare und Michel Angelo erfüllte ihn schon auf dem Gymnasium mit hoher Begeisterung, und der Gedanke, auf welchem Gebiete er selbst einmal den Ruhmeskranz empfangen werde, ob als Dichter oder Maler, beschäftigte ihn schon damals und noch viele Jahre hindurch. Einstweilen behielt die Malerei die Oberhand. Ein Düsseldorfer Maler und späterer Freund weihte ihn in die Geheimnisse der Technik ein, und er hatte keine Furcht, die neu gewonnene Fertigkeit gleich auf wandgroßen Cartons in Anwendung zu bringen. Im Herbst 1845 bezog E. die Universität Göttingen, um dort nach der Bestimmung seiner Eltern die Rechte zu studiren; aber angewidert von diesem Studium ging er kurz entschlossen nach Dresden, um sich als Schüler bei dem Maler Bendemann zu melden, dessen Kunst ihn am meisten anzog. Die Abweisung, die er hier erfuhr, mochte ihm wol den Gedanken nahe legen, daß er in der Malerei nicht das Höchste erreichen werde, und so kehrte er nach Göttingen zurück, wo er nunmehr das Studium der Philosophie und Philologie betrieb. Nachdem er dann seit 1847 in Berlin unter Böckh, Gerhard u. A. sich besonders mit Geschichte und Archäologie beschäftigt hatte, erwarb er sich 1848 in Göttingen die Würde eines Dr. phil. und bekleidete|dann als Hofmeister verschiedene Stellen. In dieser Zeit wurde auch sein erstes Trauerspiel „Torquato Tasso“ (1849) gedruckt. In Vösendorf bei Wien entstand sein später anonym herausgegebenes Buch „Die Botschaft der Vernunft“, das die Kritiker dem berühmten Philosophen Kuno Fischer zuschrieben, und in dem er aphoristisch seine schon damals sicher gewonnene philosophische Weltanschauung niederlegte. Danach privatisirte G. in Düsseldorf, wo er es noch einmal mit der Malerei versuchte und sich ungehindert dem Kunstgenuß hingab, bis ihn im Winter 1853 der Frhr. v. Aufseß an das von diesem neu begründete Germanische Museum in Nürnberg als Vorstand der Kunst- und Alterthumssammlungen berief. Damit war seinem Schaffen, soweit äußere Einflüsse bestimmend auf einen selbständigen Geist wirken können, der Weg vorgezeichnet; denn für seinen lebhaften Geist gewannen bald die Schätze des Museums eine hohe Bedeutung. In der Erkenntniß, daß die mittelalterliche Cultur auf germanischem Boden einen noch viel tieferen Gehalt in die Erscheinung geführt hatte, wie die in der Formenschöne unübertreffliche griechische Antike, sah er in dem vorhandenen Material ein vortreffliches Mittel zur Weiterentwicklung unsers nationalen Lebens, und ungesäumt ging er an die Herausgabe mehrerer Werke, welche die deutsche Culturgeschichte unter allgemeinen Gesichtspunkten und in ihren tieferen Beziehungen zur Litteratur zur Darstellung brachten, wie „Kunst und Leben der Vorzeit vom Beginne des Mittelalters bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts“ (1854, 3. Aufl. III, 1868), das er mit seinem Collegen Jakob Falke schrieb, „Deutschland vor 300 Jahren in Leben und Kunst aus seinen eigenen Bildern dargestellt“ (1857), „Galerie der Meisterwerke altdeutscher Holzschneidekunst“ (1857—61) und „Leben und Wirken Albrecht Dürers (1860, 2. Aufl. 1869).

    Inzwischen hatte E. mit Ludmilla, der Tochter des Hofraths Wasser den Bund fürs Leben geschlossen, den indessen schon im zweiten Jahr der Ehe der unerbittliche Tod wieder löste. Doch fand er 1860 in Emilie Grau aus Meiningen einen Ersatz für den Verlust, und in einer angenehmen Häuslichkeit gewann sein rastloser, von Idealen erfüllter Geist die Ruhe zurück, seine Natur mit den Anforderungen des Alltagslebens wie mit dem Höchsten in Einklang zu bringen. Mehrere Reisen nach Italien, wo er die Schönheit der dortigen Kunstwerke und der üppigen Natur mit feinem Kennerauge studirte, gewährten ihm die nöthige Erholung und gaben ihm gleichzeitig Anregung zu neuem Schaffen. Im J. 1862 erschien sein litterarhistorischer Roman „Eine Menschenseele. Ein Spiegelbild aus dem 18. Jahrhundert“, worin er, an den unglücklichen schlesischen Dichter Johann Christian Günther anknüpfend, manche eigenen trüben Erinnerungen aus seiner Jugend in schonender Form darstellt. 1870 folgte sein Buch „Wesen und Werth des Daseins. Untersuchungen zur Feststellung eines Gesammtbewußtseins der Menschheit“ (2. Aufl. 1886), worin er zeigt, daß der Mensch sich aus der Gebundenheit des bloßen Naturzustandes durch sittliche Thaten zur selbstbewußten Persönlichkeit entwickelt, d. h. zu einem Wesen, das nicht bloß ist, sondern auch weiß, daß es ist, und daß es ein Recht hat zu sein, weil es das, was es ist, durch sich selbst geworden ist. Bei Gelegenheit einer amtlichen Reise nach Berlin im J. 1874 hatte er nicht nur die Ehre, vom Fürsten Bismarck als Gast geladen, sondern auch dem brasilianischen Gesandten Baron Jauru vorgestellt zu werden, und dieser machte E. das Anerbieten, eine Professur in Rio de Janeiro zu übernehmen. E., der schon seit längerer Zeit die Geschichte der in den Südprovinzen Brasiliens frisch und kräftig aufblühenden deutschen Colonien mit Aufmerksamkeit verfolgt hatte, begab sich auch, um die|dortigen Verhältnisse aus persönlicher Anschauung kennen zu lernen, nach Brasilien, lehnte indessen das Anerbieten hauptsächlich deshalb ab, weil er in einer ihm fremden Sprache hätte lehren müssen. Heimgekehrt, folgte er 1876 einem Rufe der sächsischen Regierung als Custos und Bibliothekar an die Kunstgewerbeschule in Dresden. Hier nahm er regen Antheil an den Bestrebungen des sächsischen Alterthumsvereins und trat in gerechter Würdigung der Bedürfnisse der deutschen Industrie als der ersten einer für den Musterschutz ein, während seiner Berufsarbeit der „Atlas der Kunstgeschichte“ (1875), sein Werk „Das Reich des Schönen“ (1878) und die Bearbeitung des Prachtwerkes „Kunstsammlung von Eugen Felix“ (1880) zu verdanken sind.

    Infolge anhaltender geistiger Ueberanstrengung mußte E. endlich seine Stellung in Dresden aufgeben, und nach kurzem Verweilen in Berlin entschloß er sich 1881, zum zweiten Male, jetzt aber mit seiner Familie, das Palmenland Brasilien aufzusuchen. Viel Leid wartete seiner hier: in der Colonie Doña Franziska in Südbrasilien, wo er zuerst Wohnsitz nahm, starb ihm seine Gattin; ein betrügerischer Landsmann, dem er ein ungerechtfertigtes Vertrauen geschenkt, brachte ihn um sein ganzes Vermögen, und in den nun folgenden unruhigen Wanderjahren mußte er durch rastlose Thätigkeit sich und seinem jüngsten Sohne den Unterhalt erwerben. Gleichwol trieb ihn die Sonnensehnsucht nach zweimaligem Verweilen in Europa, wo er die Herstellung des Holzschuher’schen Bildes von Albrecht Dürer in Farbendruck betrieb, wieder in das Palmenland zurück, bis er 1888 dauernd in die alte Heimath zurückkehrte. Nach vorübergehendem Aufenthalt in Berlin-Charlottenburg siedelte er 1889 nach Nordhausen über, wo ihm das Amt eines Sprechers der freien Gemeinde übertragen wurde. Nur in dieser Gemeinde, die abseits steht von den übrigen, meist socialdemokratisch angehauchten freireligiösen Gemeinden, konnte ein Geistesaristokrat wie E. Gelegenheit nehmen, seine im Leben gesammelten Erfahrungen einem größeren Kreise gleichgesinnter Menschen vorzutragen. In der schönen Umgebung von Nordhausen fand sein Gemüth auch die Ruhe und das Gleichgewicht wieder, und zahlreiche Aufsätze religiös-philosophischen Inhalts, mehrere noch ungedruckte Dramen, sein Buch „Die neue Weltanschauung“ (1891) und die zu den verschiedensten Zeiten und auf den Verschiedensten Erdstrichen gedichteten Sonette „Des Räthsels Lösung“ (1891) gelangten in Nordhausen zur Vollendung. Von seinen früheren dramatischen Arbeiten sind hier noch zu erwähnen „Die Braut von Cypern“ (Lustspiel, 1876), „Beatrice Cenci“ (Trauerspiel, 1881), „Johanna Gray" (Trauerspiel, 1881), „Der Regierungsantritt des Großen Kurfürsten“ und „Dornröschen“ (beide in Brasilien gedruckt). Was Eye's sämmtliche Dramen auszeichnet, sind der schöne Gedankengehalt, der auch in schöner Sprache zum Ausdruck kommt, und die hoheitsvollen Frauengestalten, denen er immer seine besten Worte der Weisheit in den Mund legt. Er starb in Nordhausen nach kurzem Krankenlager am 10. Januar 1896 an einer Lungenentzündung.

    • Literatur

      Nach Mittheilungen aus der Familie.

  • Autor/in

    Franz Brümmer.
  • Zitierweise

    Brümmer, Franz, "Eye, August von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 48 (1904), S. 460-462 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116320680.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA