Lebensdaten
1907 – 1943 oder 1944
Geburtsort
Wilsche bei Gifhorn
Sterbeort
Wittenberge
Beruf/Funktion
Boxer
Konfession
-
Normdaten
GND: 134099249 | OGND | VIAF: 40583505
Namensvarianten
  • Trollmann, Rukelie
  • Trollmann, Johann
  • Trollmann, Johann Wilhelm
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Trollmann, Rukeli, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd134099249.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (Schnipplo) (1867–1933), Musiker, Schirmmacher in H.;
    M Friederike Weiss (1874–1946);
    5 B Wilhelm (Carlo) (1902–85), Schachtmeister, Ferdinand (Lolo) (1904–84), Arb., Julius (Mauso) (1910–58), starb an d. Folgen v. Mißhandlungen in e. Arb.lager, Albert (Benny) (1913–91), Amateurboxer, Arb., Heinrich (Stabeli) (1916–43 Auschwitz), Amateurboxer, Musiker, 3 Schw;
    1935 Olga Frieda Bilda (1915 – n. 1975);
    1 T Rita Vowe (* 1935), 1 außerehel. T.

  • Biographie

    T. stammt aus einer dt. Sinti-Familie. Er besuchte die Bürgerschule Hannover bis zur dritten Klasse. Frühzeitig trat er in den Boxclub „Heros Hannover“ ein. 1925–28 war T. hann. Meister der Amateure, 1928 nordwestdt. Meister im Mittelgewicht. Bei den Dt. Reichsmeisterschaften in Leipzig 1928 frühzeitig ausgeschieden, wurde er nicht für die Olymp. Spiele in Amsterdam nominiert. T. wechselte zum Arbeitersport und boxte für den „BC Sparta Linden“, seit 1929 als Profi-Sportler. T.s markanter Boxstil – beweglich, tänzelnd, schnell – galt den Nationalsozialisten als „undeutsch“, war aber beim Publikum sehr beliebt und füllte bei seinen Kämpfen die Hallen in ganz Deutschland.

    Am 9. 6. 1933 absolvierte T. seinen einzigen Titelkampf als Profi. Im Halbschwergewicht trat er in der Kreuzberger Bockbierbrauerei in Berlin gegen Adolf Witt (1913–64) um die dt. Meisterschaft an, nachdem der Titel durch die Emigration des als Juden verfolgten Meisters Erich Seelig (1909–84) vakant geworden war. T. gewann den Kampf ausweislich der Punktzettel. Ringrichter Otto Griese verkündete als Urteil jedoch zunächst „ohne Entscheidung“ und erklärte T. erst nach Ausbruch von Tumulten zum Punktsieger. Allerdings wurde T. der Titel drei Tage später von der Boxsport-Behörde-Deutschlands (BBD) „wegen ungenügender Leistung beider Kämpfer“ aberkannt. Am 21. 7. 1933 trat T. in Berlin mit blond gefärbten Haaren und Mehl auf der Haut gegen Gustav Eder (1907–92) an und verlor durch k. o. auch deshalb, weil ihm auferlegt worden war, in „dt.“ Boxstil zu kämpfen. Auf Druck des BBD, der Verbandszeitschrift „Box-Sport“ und von Teilen des Publikums beendete T. im März 1934 mit dem 62. Kampf seine Profikarriere. Ende Dez. 1935 wurde er – vorgeblich wegen „angeborenen Schwachsinns“ – zwangssterilisiert. 1939 zum Kriegsdienst eingezogen, kämpfte er bis zur Entlassung der „Zigeuner“ aus der Wehrmacht 1942 an der Ostfront. Im Juni 1942 wurde er in Hannover verhaftet und in das KZ Neuengamme verschleppt. Laut Totenbucheintrag starb T. am 9. 2. 1943 an Herz- und Kreislaufversagen; nach einer Zeugenaussage soll er im KZ-Außenlager Wittenberge von dem Kapo Emil Cornelius erschlagen worden sein. Heute erinnert man sich u. a. in|Theaterstücken, Spiel- und Dokumentationsfilmen sowie Kunstinstallationen an ihn. 2003 erkannte ihn der Bund Dt. Berufsboxer offiziell als Dt. Meister der Profis im Halbschwergewicht 1933 an.

  • Auszeichnungen

    A Mahnmale am Bahnhof Fischerhof (1996) u. im Altwarmbüchener Moor, Hannover (1998);
    J.-T.Weg, Hannover (2004);
    Stolpersteine, Hannover (2008), Hamburg (2009), Berlin (2010);
    Bewegung Nurr u. F. Göpfert, Skulptur „9841, Temporäres Denkmal f. J. R. T.“, Berlin u. Hannover (2010/11);
    R.-T.-Boxcup, Hamburg (2010);
    J.-T.-Boxcamp, Berlin (2011).

  • Literatur

    L T. Zülch (Hg.), In Auschwitz vergast, bis heute verfolgt, Zur Situation d. Roma in Dtld. u. Europa, 1979;
    D. Kenrick u. G. Puxon, Sinti u. Roma, Die Vernichtung e. Volkes im NS-Staat, 1981;
    R. Rose u. W. Weiss, Sinti u. Roma im „Dritten Reich“, Das Progr. d. Vernichtung durch Arb., 1991;
    U. König, Sinti u. Roma unter d. NS, Verfolgung u. Widerstand, 1989;
    M. Zimmermann, Rassenutopie u. Genozid, Die nat.sozialist. „Lösung d. Zigeunerfrage“, 1996;
    K. Fings, Sinti u. Roma in nat.sozialist. Konzentrationslagern, in: Sinti u. Roma unter d. Naziregime, hg. v. Zentrum f. Sinti- u. Romaforsch., 2 Bde., 1996/2000;
    H. Firzlaff, knock-out, Die Tragödie e. Sinti-Boxers, 1997;
    R. Rose (Hg.), Der nat. sozialist. Völkermord an d. Sinti u. Roma, 2003;
    T. Bastian, Sinti u. Roma im Dritten Reich, Gesch. e. Verfolgung, 2001;
    G. Lewy, „Rückkehr nicht erwünscht“, Die Verfolgung d. Zigeuner im Dritten Reich, 2001;
    R. Baaske u. a. (Red.), Aus Niedersachsen n. Auschwitz, Die Verfolgung d. Sinti u. Roma in d. NS-Zeit, Kat. z. Ausst. d. Niedersächs. Verbandes Dt. Sinti e. V., 2004;
    R. Fleiter, Verfolgung d. Sinti, in: ders., Stadtverw. im Dritten Reich, Verfolgungspol. auf kommunaler Ebene am Bsp. Hannover, 2006, S. 277–300;
    R. Repplinger, Leg dich, Zigeuner, Die Gesch. v. J. T. u. Tull Harder, 2012 (P);
    Filme: Rukelie, Regie: S. Neumann, 2007;
    Gibsy, Die Gesch. d. Boxers J. R. T., Drehbuch u. Regie: E. Besuden, 2012;
    Theaterstücke: B. Bicker u. M. Prätsch, T. Kampf, Mer Zikrales (UA Schausp. Hannover 2010);
    R. Reiniger, Zigeuner-Boxer (UA Staatstheater Karlsruhe 2011);
    F. Mitterer, Der Boxer (UA Wien, Theater in d. Josefstadt 2015);
    Comic: N. Legendre (Text) u. J. Planellas (Zeichnungen), Zigeuner, 2 Bde., 2012/13; – Roman: St. Bart, Dt. Meister, 2014 (P)

  • Autor/in

    Roger Repplinger
  • Zitierweise

    Repplinger, Roger, "Trollmann, Rukeli" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 442-443 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd134099249.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA