Lebensdaten
1925 – 1987
Geburtsort
Aalen (Württemberg)
Sterbeort
Saarbrücken
Beruf/Funktion
Wirtschaftswissenschaftler
Konfession
-
Normdaten
GND: 123291372 | OGND | VIAF: 264871171
Namensvarianten
  • Stützel, Martin Wolfgang Hermann
  • Stützel, Wolfgang
  • Stützel, Martin Wolfgang Hermann
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Zitierweise

Stützel, Wolfgang, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd123291372.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 16. Jh. in A. nachweisbarer Fam.;
    V Hermann (1885–1972), Dr.-Ing., Chemiker, Kryptol., 1915 Lt. im 3. preuß. Telegraphie-Bataillon, 1916 im neuen Entzifferungsdienst im Kriegsmin. tätig, 1920 techn. Leiter d. väterl. Betriebs, Tonwarenfabr. in A., Leiter d. „Stützel Sachs GmbH“, 1921–35 Vorstand d. „Liederkranz“ in A. (Ehrenvorstand), 1922–35 Mitgl. d. Aufsichtsrats d. „Schwäb. Siedlungsver.“ u. 1953 d. „Aalener Wohnungsbau GmbH“, 1932–45 Mitgl. d. Gde.rats u. 1953–59 Stadtrat in A., Silberne Plakette d. Stadt A., 1959–65 Kreisverordneter (s. W, L), S d. Georg, Tonwarenfabr. in A., u. d. Thusnelda Karoline Sachs;
    M Frieda (1892–1965), T d. Friedrich Wilhelm Hennig, Gymn.prof. in Wittenberg, u. d. Emilie Sofie Siebert;
    Ov Alfred, kaufm. Leiter d. väterl. Betriebs;
    4 Geschw (1 früh †), u. a. 2 Schw Lore Thusnelda Sofie (1914–38, Walther Robert Bosch, Dipl.-Ing.), Annemarie (1919–45, Hartmut Goes, Dr. med.);
    1) Almut Sieber, 2) Maren Korge;
    1 S, 2 T.

  • Biographie

    S. legte 1943 in Aalen das Abitur ab, leistete 1943–45 Kriegsdienst und studierte nach kurzer amerik. Kriegsgefangenschaft 1945–47 in Tübingen ev. Theologie und Philosophie, seit 1947 Wirtschaftswissenschaften in Tübingen, Hamburg (bei Karl Schiller) und Freiburg (Br.) (bei Walter Eucken u. Martin Lohmann). Nach Abschluß des Studiums in Tübingen (Dipl. 1950) war er Assistent bei Carl Brinkmann (1885–1954), der ihn 1952 mit der Arbeit „Entwurf einer reinen, analytischen Theorie des Verhältnisses der Wirtschaft zum Staat“ (1952, Neudr. 1972) promovierte. Nach kurzem Studienaufenthalt an der London School of Economics arbeitete er 1953–57 als stellv. Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der „Berliner Bank AG“ in Berlin, 1957/ 58 war er wiss. Mitarbeiter, dann Abteilungsleiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der „Bank dt. Länder“ in Frankfurt/M. 1957 habilitierte er sich in Tübingen mit der Arbeit „Volkswirtschaftliche Saldenmechanik, Ein Beitrag zur Geldtheorie“ (1958, ²1978), erhielt die Venia legendi für Volkswirtschaftslehre und war 1958–87 Ordinarius an der Univ. des Saarlandes für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Bankbetriebslehre, seit 1970 auch Volkswirtschaftslehre, seit 1972 für Wirtschaftswissenschaft, insbesondere Geld- und Kreditwesen. Er war Mitglied in mehreren wirtschaftspolitischen Beratungsgremien, u. a. 1959 beim Bundesminister für Wirtschaft Gutachter für Bank-, Zins- und Währungspolitik und 1965–68 Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Seit 1969 war er Mitglied der Börsensachverständigenkommission des Bundesministers der Finanzen.

    Daneben engagierte sich S. auch politisch: Seit 1973 FDP-Mitglied, saß er bis 1979 im Stadtrat von Saarbrücken und war Mitglied des Landesvorstands. Er nahm erheblichen Einfluß auf die wirtschaftspolitischen Grundsatzprogramme der FDP, so auf die „Kieler Thesen“ von 1977 und das Wirtschaftsprogramm Otto Gf. Lambsdorffs von 1982, das im selben Jahr den Bruch der sozialliberalen Koalition in Bonn auslöste.

    S. war einer der kreativsten und vielseitigsten, auch umstrittensten dt. Ökonomen des 20. Jh. Sein Forschungsspektrum reichte von jur. und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen über die Mikroökonomie bis hin zur Makroökonomie geschlossener und offener Volkswirtschaften. In seiner Dissertation setzte er sich mit dem Phänomen der Macht im Wirtschaftsleben auseinander, die er auf das Verhältnis zwischen dem Wert und Preis eines Gutes zurückführte. In seiner Habilitationsschrift analysierte er die „Saldenmechanik“ makroökonomischer Zusammenhänge mit der Schlußfolgerung, daß für die Zahlungsfähigkeit von Volkswirtschaften freie Kreditkonditionen, d. h. ein vollständig liberalisiertes Bankensystem entscheidend sind. S. trat für eine vollständige Beseitigung der Anfang der 1960er Jahre noch bestehenden staatlichen Regulierungen für Soll- und Habenzinsen ein (Gutachten „Bankenpolitik – heute u. morgen“, 1964), ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeit war die „Maximalbelastungstheorie“ zur Sicherung der Bankensolvenz, die als ein Vorläufer der „value at risk“-Modelle angesehen werden kann. Als Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung setzte er sich im Gegensatz zur Mehrheit des Rates für ein striktes Festhalten am Festkurssystem von Bretton Woods ein; er ging zutreffend davon aus, daß ein System flexibler Wechselkurse zu erratischen Kursverläufen tendieren würde. Da er sich durch die Ratsmehrheit in seinen Rechten zur Abfassung eines Minderheitsvotums beschnitten sah, schied er vorzeitig aus dem Rat aus.

    In den 1970er Jahren konzentrierte sich S. auf die Ursachenanalyse der seit 1974/75 stark angestiegenen Arbeitslosigkeit, die er als strukturelles, weniger als konjunkturelles Problem sah. Er plädierte für eine Reduzierung der Sozialhilfe (Soziale Grundsicherung), des Kündigungsschutzes und für eine allgemeine Neugestaltung des Systems der sozialen Sicherung in Deutschland (Marktpreis u. Menschenwürde, 1981).

    Innovativ waren seine bankbetrieblichen Beiträge z. B. zur Entwicklung von Insiderregeln und sein Engagement für die Stückaktie („nennwertlose Aktie“), für die Bilanzierungspflicht stiller Reserven und für ein Anrechnungssystem („Teilhabersteuer“) in der Körperschaftssteuer. Etliche Vorschläge wurden vom Gesetzgeber verwirklicht, allerdings wurde das Anrechnungsverfahren mit der Steuerreform 2001 wieder abgeschafft.

    S. war ein kompromißloser Verfechter marktwirtschaftlicher Grundsätze, ohne einer Schule anzugehören. Viele seiner wiss. Erkenntnisse trafen zuerst auf Widerstand, setzten sich dann aber in der Wirtschaftspolitik durch, weil sie auf einem klaren und mit großer Konsequenz weiterentwickelten ordnungspolitischen Fundament aufbauten: Dazu zählen insbesondere die Einführung nennwertloser Aktien, die Abschaffung der Zinsbindung in Deutschland und die in seiner „Maximalbelastungstheorie“ geforderten „Stresstests“ für Banken.

    S. hatte eine Reihe bekannter Schüler, u. a. Hans-Jacob Krümmel, Peter Bofinger und Wolfgang Cezanne.

  • Auszeichnungen

    A tellv. Vors. d. Ludwig-Erhard-Stiftung (1979);
    Ludwig-Erhard-Preis f. Wirtsch.publizistik (1978);
    Gr. BVK (1985);
    Dr. iur. h. c. (Tübingen 1985);
    Mitgl. u. a. d. Konjunkturbeirats d. Arb.gemeinschaft Soz. Marktwirtsch. (1953), d. Ver. f. Socialpol. (1953), d. Konjunkturtheoret. Ausschusses d. Comité Européen pour le Progrès Économique et Social;
    Gründungsmitgl. d. Frankfurter Inst. f. wirtsch.pol. Forsch. u. dessen wiss. Beirat (Kronberger Kreis) (1982). W Aktien ohne Nennbetrag, 1963 (mit G. Jahr);
    Teilhabersteuer, Ein Btr. z. Vermögenspol., z. Verbesserung d. Kapitalstruktur u. z. Vereinfachung d. Steuerrechts, 1968, ²1968 (mit. W. Engels);
    W-Verz. in: Marcon-Strecker, S. 623–29: – zu Hermann: Studien in der Fluorenreihe, Diss. TH Stuttgart, 1909;
    Alt-Aalener Spaziergänge, Erinnerungen, 1963, ²1967;
    Chiffrierwesen im Dreißigj. Krieg, in: Württ. Franken 47, NF 37, 1963, S. 109–15;
    Geheimschr. u. Entzifferung im Ersten Weltkrieg, in: Truppenpraxis, 1969, S. 542–45.

  • Literatur

    W. S., Moderne Konzepte f. Finanzmärkte, Beschäftigung u. Wirtsch.vfg., hg. v. H. Schmidt, E. Ketzel u. St. Prigge, 2001 (W-Verz.), darin u. a. P. Bofinger, W. S. u. d. Europ. Währungsunion, S. 325–32;
    Marcon-Strecker (W, L, P);
    – zu Hermann: Schwäb. Post v. 2. 7. 1955 (P);
    J. Beckh, Blitz & Anker, Informationstechnik, II, 2005, S. 177.

  • Autor/in

    Peter Bofinger
  • Zitierweise

    Bofinger, Peter, "Stützel, Wolfgang" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 638-639 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd123291372.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA