Lebensdaten
1903 – 1939
Geburtsort
Kozlau (Kozlov) bei Iglau (Jihlava, Mähren)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Fußballspieler
Konfession
-
Normdaten
GND: 128962143 | OGND | VIAF: 10912077
Namensvarianten
  • Sindelar, Matthias

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Zitierweise

Sindelar, Matthias, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd128962143.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jan (Johann) ( 1917), Schmied in W.;
    M Marie Švengrová (1877–1961), Betreiberin e. Wäscherei in W.-Favoriten;
    3 Geschw; – ledig.

  • Biographie

    S. wuchs seit 1905 im 10. Wiener Bezirk Favoriten auf, besuchte seit 1909 die Städtische Volksschule, seit 1914 die Ks.-Franz-Josef-Jubiläums-Bürgerschule und absolvierte 1917–21 eine Schlosserlehre in der Karosseriefabrik „Brüder Schafranek“ in Wien. Seine Laufbahn als Fußballspieler begann 1918 beim Sport Club Hertha, in dessen 1. Mannschaft er 1921 debütierte und 1923 zum Stammspieler avancierte. Nahezu zeitgleich mit der Einführung des Profifußballs in Österreich wechselte S. 1924 zum Wiener Amateur-Sportverein (seit 1926 Fußball Klub Austria Wien). Auf dessen Veranlassung unterzog er sich bei dem Chirurgen Hans Spitzy (1872–1956) einer Meniskusoperation, dem vermutlich ersten dauerhaft erfolgreichen Eingriff dieser Art bei einem Leistungssportler. Mit der Austria gewann S. 1926 die österr. Meisterschaft, fünfmal den Pokal (1925, 1926, 1933, 1935, 1936) und zweimal den Mitropa-Cup (1933, 1936). Bei seinem ersten Länderspiel 1926 in Prag trug er mit einem Tor zum 2:1-Sieg Österreichs über die Tschechoslowakei bei. Insgesamt absolvierte er 43 Länderspiele, in denen er 26 Tore erzielte. 1931 und 1932 war S. als Mittelstürmer der wichtigste Spieler des österr. „Wunderteams“, das bei der Weltmeisterschaft 1934 in Italien – angeführt von S. als Mannschaftskapitän – seinen Zenit bereits überschritten hatte und Platz 4 belegte. Aufgrund seiner schmächtigen Statur und „körperlosen“ Spielweise erhielt S. bereits bei der Hertha den Beinamen „der Papierene“. Sein von herausragender Technik und großem Ideenreichtum geprägtes Spiel war exemplarisch für das von schnellem, verwirrendem Kurzpaßspiel gekennzeichnete „Scheiberlspiel“ des Wunderteams, das auch mit dem Begriff „Wiener Schule“ belegt wird. Seinen letzten großen Auftritt hatte S. nach dem „Anschluß“ Österreichs 1938 bei einem Spiel zwischen „Ostmark“ und „Altreich“. Sympathien für das NS-Regime dürfte der eher unpolitische, vom proletarischen Milieu Favoritens geprägte S. kaum gehegt haben, dennoch profitierte er von der neuen Zeit, als er 1938 ein zur Arisierung anstehendes Favoritener Kaffeehaus übernahm.

    Um S.s Tod ranken sich vielfältige Spekulationen. Die polizeilichen Untersuchungen ergaben Tod durch Rauchgasvergiftung, hervorgerufen durch einen schadhaften Ofenabzug. Auch Mord, möglicherweise unter Mitwirkung der Nationalsozialisten, wurde vermutet. Die These vom Selbstmord aus Leiden an den politischen Umwälzungen fand bleibenden Ausdruck in Friedrich Torbergs Gedicht „Auf den Tod eines Fußballspielers“ (1939), das die Faszination widerspiegelt, die S. auf Wiener Intellektuelle ausübte. – S. war einer der ersten Fußballprofis, der seine Popularität als Werbeträger nutzte. In einer von der „Internationalen Föderation für Fußball-Geschichte und -Statistik“ 1998 durchgeführten Abstimmung wurde er zu Österreichs Fußballer des Jahrhunderts“ gewählt.

  • Auszeichnungen

    S.-Gasse, Wien-Favoriten;
    S.-Tribüne im Franz-Horr-Stadion, Wien-Favoriten;
    Sonderbriefmarke d. Österr. Post (2004).

  • Literatur

    H. J. Müllenbach u. F. Becker, Das Wunderteam, Aufstieg u. Ruhm d. berühmtesten europ. Fußballmannschaft, 1991;
    W. Maderthaner, Der „papierene“ Tänzer, M. S., ein Wiener Fußballmythos, in: R. Horak u. W. Reiter (Hg.), Die Kanten d. runden Leders, Btrr. z. europ. Fußballkultur, 1991, S. 203–16;
    J. Skocek u. W. Weisgram, Wunderteam Österreich, 1996;
    R. Horak u. W. Maderthaner, Mehr als e. Spiel, Fußball u. populare Kulturen im Wien d. Moderne, 1997;
    W. Sturm, M. S., Ein Kind aus Favoriten, 2003;
    P. Landerl, Der Papierene, in: Wiener Ztg. v. 31. 1. 2003;
    E. Egger, Das Genie aus Favoriten, in: 11 Freunde Nr. 21 v. Febr. 2003;
    P. Menasse, Parteigenosse S., in: Falter, Nr. 51, Dez. 2003;
    ders., in: NU 2003, H. 14, S. 7 f. (P);
    W. Weisgram, Im Innern der Haut, M. S. u. sein papierenes Fußballerleben, 2006 (P);
    F. Clemens u. a., Die 100 d. Jh., Fußballer, 1996 (P);
    Munzinger;
    Biogr. Lex. Böhmen;
    ÖBL;
    Hist. Lex. Wien (P);
    Personenlex. Österr.

  • Porträts

    Porträtplakette auf d. Grabmal (Wien, Zentralfriedhof).

  • Autor/in

    Claus Melchior
  • Zitierweise

    Melchior, Claus, "Sindelar, Matthias" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 456-457 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd128962143.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA