Lebensdaten
1867 – 1945
Geburtsort
München
Sterbeort
Schloß Klebing bei Pleiskirchen (Oberbayern)
Beruf/Funktion
katholischer Theologe ; Philosoph
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11733717X | OGND | VIAF: 57389538
Namensvarianten
  • Sickenberger, Otto

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Sickenberger, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11733717X.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 17. Jh. auf d. Erbpachtgut Weiherhof (Oberpfalz) ansässiger Fam.;
    V Franz Jakob Johann (1819–93), seit 1856 Bergmeister in M., kgl. Oberberg- u. Salinenrat;
    M Anna, T d. Nikolaus Eckart, Rentamtmann in Lohr/Main;
    7 Geschw u. a. Hermann (1851–1923), Reallehrer an d. Luitpold-Kreisrealschule in M., 1903 Gymn.prof., 1899–1903 Abg. d. bayer. LT (Zentrum), 1921 Priester (s. Gesch. d. Bayer. Parlaments 1819–2003, 2005), Therese Tesdorpf-S. (Ps. Th. Singolt) (1853–1926, Paul Tesdorpf, 1858–1936, aus Rio de Janeiro, Dr. med., Psychiater, Schriftst., s. Geistiges u. künstler. München in Selbstbioggr., hg. v. W. Zils, 1913; Wi. 1935, S d. Hermann, Großkaufm. in Lübeck, u. d. Louise Oppenheimer, Schriftst.), aus Weiherhammer b. Weiden (Oberpfalz), Erzieherin in Frankr. u. Italien, 1879–84 d. bayer. Prinzessinnen Elvira u. Klara, gab 1888–93 höhere Unterrichtskurse f. Mädchen in M., auch Schriftst., Übers., Gründungsmitgl. d. Mädchen-Gymnasiums-Ver. u. d. Münchener Ver. f. Fraueninteressen, leitete 1898–1910 mit ihrer Schw Sophie d. Inst. Maria de la Paz in M. (s. Lex. dt. Frauen d. Feder, hg. v. S. Pataky, 1898; Geistiges u. künstler. München in Selbstbioggr., hg. v. W. Zils, 1913), Sophie, Erzieherin, unterstützte ihre Schw Therese;
    1910 Philomena Frisch (1883–1942).

  • Biographie

    Nach dem Abitur am Maximiliansgymnasium in München 1885 studierte S. als Alumnus des Klerikalseminars in Freising am dortigen Lyzeum Philosophie und Theologie und wurde 1890 zum Priester geweiht. Anschließend wirkte er als Koadjutor in Tegernsee und seit 1891 als Präfekt am Freisinger Klerikalseminar, nach seiner Promotion zum|Dr. phil. als Schüler Georg v. Hertlings (1843–1919) an der Univ. München 1895 auch (als in seinem phil. Denken der Neuscholastik verpflichteter) Seminardozent. 1899 reichte er an der Münchner phil. Fakultät zum Zweck einer Habilitation, die aber nicht zum Abschluß gekommen zu sein scheint, eine Abhandlung Über den Begriff des Naturrechts“ ein. 1900 wurde S. ao. Professor für Philosophie am Lyzeum in Passau, aber bereits zum Wintersemester 1901/02 auf (oberhirtlich erzwungenen) eigenen Antrag „wegen Nervenleidens“ beurlaubt und 1903 pensioniert.

    Auslöser dieser Maßnahme war S.s 1901 – zu Beginn der innerkirchlichen „Modernismus“-Kontroversen – erschienene Reformschrift „Kritische Gedanken über die innerkirchliche Lage“ (²1903), in der er u. a. für eine am praktischen Leben orientierte und auf die Formung der selbständigen sittlichen Persönlichkeit im Geist Christi ausgerichtete positive Pastoral, für Koedukation und eine vernünftige Sexualerziehung plädierte. Zugleich wandte er sich gegen die „unmäßige Freiheitsbeschränkung“ in der Priestererziehung und forderte eine solide wissenschaftliche Ausbildung der Priester nach dem Muster des jesuitischen Germanikums in Rom. Die scharf ablehnende Reaktion „strengkirchlicher“ Presseorgane im „Fall Sickenberger“ veranlaßte ihn 1904 zur Publikation eines zweiten Teils seiner „Kritischen Gedanken“ (Extremer Antiprotestantismus im kath. Leben u. Denken), in dem er das in seiner Kirche dominierende hierarchische Denken, das (die Hochschätzung der Ehe beeinträchtigende) Zölibatsgesetz und einen überhandnehmenden „Sakramentalismus“ kritisierte. Nachdem jahrelange, auch öffentlich vorgetragene, Bemühungen um Dispens vom Zölibatsgesetz und Entbindung vom Priesteramt vergeblich geblieben waren, ging S. 1910 standesamtlich die Ehe ein, wodurch er der Exkommunikation verfiel. 1908/09 legte er die staatliche Prüfung für den gymnasialen Unterricht der philologisch-historischen Fächer ab, fand jedoch wegen angeblich „krankhafter Veranlagung“ keine Anstellung. Sein Versuch, bei Bad Aibling ein Heim für erholungsbedürftige Mittelschüler zu gründen, scheiterte. Seit 1912 bestritt S. seinen Lebensunterhalt als Nachhilfelehrer, bevor er spätestens 1935 mit seiner Frau in das Benefiziatenhaus des Schlosses Klebing übersiedelte.

    S. war weder grundsätzlicher Gegner des Zölibats noch „Modernist“ im Sinne der Verurteilungen Pius' X.; auch hatte er nie die Absicht, sich von seiner Kirche zu trennen. Vielmehr zählt er neben Franz Xaver Kraus, Herman Schell und Albert Erhard zu einer Gruppe kath. Theologen, die für eine Öffnung von Kirche und Theologie gegenüber der modernen Welt plädierten sowie zeitgemäße innerkirchliche Reformen und Gewissensfreiheit einforderten. In diesem Sinne engagierte er sich auch als Mitarbeiter und Schriftleiter des reformistischen Organs „Freie Deutsche Blätter“ (seit 1902 „Das Zwanzigste Jh.“) und von 1906 bis zur Exkommunikation im Vorsitz der 1904 gegründeten Münchner Kraus-Gesellschaft.

  • Werke

    Ueber d. sog. Quantität d. Urtheils, Eine log. Stud. als Btr. z. Lehre v. d. Subjektsformen d. Urteils, 1896 (Diss.);
    Falsche Reform? Offener Brief an Seine Gnaden Herrn Dr. Paul Wilhelm v. Keppler Bf. v. Rottenburg, 1903;
    Veritas et Justitia? Ein letztes Wort z. 3. Aufl. d. Reformrede Bf. Kepplers v. Rottenburg, 1903;
    Der Zölibatszwang u. Bf. Keppler, 1911;
    Nachlaß:
    im 2. Weltkrieg zerstört;
    Qu
    Bayer. HStA, München;
    Taufmatrikel München-St. Ludwig.

  • Literatur

    „Ein bayer. Ehrhard“ in: Augsburger Postztg. 216, Nr. 226 f. v. 7. u. 8. 10. 1902;
    J. Müller, Der Fall S., in: Renaissance 3, 1902, S. 765 f.;
    F. X. Eggersdorfer, Die Phil.-Theol. Hochschule Passau, 1933, S. 314;
    O. Schroeder, Aufbruch u. Mißverständnis, Zur Gesch. d. reformkath. Bewegung. 1969;
    L. Resch u. L. Buzas, Verz. d. Doktoren u. Diss. d. Univ. Ingolstadt-Landshut-München 1472–1970, VII, 1977, S. 81;
    N. Trippen, Theologie u. Lehramt im Konflikt, Die kirchl. Maßnahmen gegen d. Modernismus im J. 1907 u. ihre Auswirkungen in Dtld., 1977;
    Th. M. Loome, Liberal Catholicism, Reform Catholicism, Modernism, 1979;
    O. Weiß, Der Modernismus in Dtld., 1995;
    RGG²;
    BBKL X (W, L).

  • Autor/in

    Manfred Weitlauff
  • Zitierweise

    Weitlauff, Manfred, "Sickenberger, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 312-313 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11733717X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA