Lebensdaten
1904 – 1975
Geburtsort
Brüssel
Sterbeort
Köln
Beruf/Funktion
Wirtschaftswissenschaftler
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118610716 | OGND | VIAF: 69402249
Namensvarianten
  • Schreiber, Wilfrid
  • Schreiber, W.

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Zitierweise

Schreiber, Wilfrid, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118610716.html [26.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus im Sauerland ansässiger Bauern- u. Handwerkerfam.;
    V Friedrich, Ing., Elektroindustr., seit 1918 in K., S d. Friedrich, Maler- u. Glasermeister;
    M Eva Jobs;
    1937 Agnes Eulenberg, Mitarb. v. S.; kinderlos.

  • Biographie

    S. besuchte seit dem Umzug der Familie 1918 nach Köln das Gymnasium Kreuzgasse (Abitur 1922). Bis 1930 belegte er ohne Abschluß verschiedene wirtschafts-, ingenieur- und geisteswissenschaftliche Fächer an der Univ. Köln und den Technischen Hochschulen Aachen und München. Seit 1927 war er journalistisch tätig, u. a. bei der „Westdt. Rundfunk AG“ Köln. Nach seinem Eintritt in die NSDAP am 1.5.1933 stieg er zum Pressechef des Westdt. Rundfunks auf und leitete nach dessen Umwandlung zum Reichssender Köln (1934) die Abteilung „Wissen und Weltanschauung“. Einzelheiten zu seinen Tätigkeiten als Programmgestalter in der Reichsrundfunkgesellschaft in Berlin seit 1939, im Reichsverband Dt. Schriftsteller (Eintrittserklärung 1935) und im Nationalsozialist. Dt. Studentenbund (Eintritt 1934, April 1940 Reichsreferent f. Rundfunk in d. Reichsfachgruppe Presse, Rundfunk, Film, Theater d. Reichsstudentenführung) sind bisher nicht bekannt.

    1947 begann S. ein wirtschaftswissenschaftliches Studium in Bonn und wurde dort 1948 bei Erwin v. Beckerath (1889–1964) zum Dr. rer. pol. promoviert (Kinemat. Theorie d. Wirtsch., ungedr.). Seine Habilitation und die Ernennung zum Privatdozenten folgten 1955 ebenfalls in Bonn (Zur reinen Theorie d. Kapitals u. d. Zinses, ungedr.). 1949-59 war S. Geschäftsführer des Bundes Kath. Unternehmer (BKU). 1960 wurde er an die Univ. Köln berufen, wo er neben Gerhard Weisser (1898–1989) den neu eingerichteten 2. Lehrstuhl für Sozialpolitik innehatte (1960 ao., 1963 o. Prof., em. 1972).

    Seine als BKU-Publikation erschienene Schrift „Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft“ (1955, Nachdr. 2004) machte ihn schlagartig bekannt („Schreiber-Plan“), da sie Konrad Adenauers Rentenreform beeinflußte. S. plädierte für die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in eine „Rentenkasse des dt. Volkes“ mit reiner Umlagefinanzierung und automatischer Anpassung der Renten an die Lohnentwicklung. Zur ideellen Legitimation popularisierte er den Begriff des „Generationenvertrags“ („Solidar-Vertrag zw. jeweils zwei Generationen“). Die gesetzliche Fassung der Rentenreform von 1957 unterscheidet sich jedoch so deutlich von der Konzeption S.s, daß sein Ruf als „Vater der dynamischen Rente“ nur begrenzt berechtigt ist. Nach 1958 wandte sich S. dem Thema Vermögensbildung zu. Er sah in der Selbstfinanzierung der Unternehmen über die Preise „eine unsichtbare Steuer“ zu Lasten der Verbraucher und erarbeitete daher zusammen mit dem Unternehmer Heinrich Dräger (1898–1986) den „Dräger-Schreiber Plan“ (1962), der auf die Einführung eines Investivlohns zielte und einen gewissen Einfluß auf die Programmatik der CDU gewann. Als Mitglied der Sozial-Enquete-Kommission der Bundesregierung (1964–66) bearbeitete S. das Kapitel Krankenversicherung. Da er sie als „ein Gefüge von imponierender Geschlossenheit“ beurteilte, bremste er grundlegende Neuordnungsimpulse auf diesem Gebiet.

    Insgesamt trat S., der seine Vita vor 1945 stets im Dunkeln ließ, in den 1950er und 1960er Jahren als Wegbereiter einer wirtschaftswissenschaftlichen Durchdringung der Sozialpolitik hervor, wobei er Elemente des Neoliberalismus, des Keynesianismus und des Sozialkatholizismus – im Austausch u. a. mit Joseph Höffner (1906–87) und Oswald v. Nell-Breuning (1890–1991) – miteinander verband. In der gegenwärtigen, demographisch bedingten Debatte über „Generationengerechtigkeit“ wird der „Schreiber-Plan“ von 1955 neu beachtet, da er die Sicherung der nicht mehr erwerbstätigen Generation („Altersrente“) und der noch nicht erwerbstätigen Generation („Kindheits- u. Jugendrente“) in den übergreifenden Zusammenhang einer Drei-Generationen-Solidarität gebracht hatte, während die tatsächliche Entwicklung der westdt. Sozialpolitik davon langfristig abgewichen und auf eine einseitige Begünstigung der Alterssicherung hinausgelaufen ist.

  • Werke

    Weitere W Soz. Ordnungspol. heute u. morgen, 1968;
    Kostenexplosion in d. gesetzl. Krankenvers.?, 1970;
    Zum System soz. Sicherung, 1971;
    Soz.pol. Perspektiven, 1972;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: BA Koblenz.

  • Literatur

    F. Greiß, Ph. Herder-Dorneich u. W. Weber (Hg.), Der Mensch im sozio-ökonom. Prozeß, FS f. W. S. Z. 65. Geb.tag. 1969 (W-Verz. 1948–69. P);
    H. G. Hockerts, Soz.pol. Entscheidungen im Nachkriegsdtld., 1980;
    O. v. Nell-Breuning u. C. G. Fetsch, Drei Generationen in Solidarität, Rückbesinnung auf d. echten Schreiber-Plan, 1981;
    Ph. Herder-Dorneich, in: Kölner Volkswirte u. Soz.Wissenschaftler, hg. v. F. W. Henning, 1988, S. 167-99 (P);
    E. Löckenhoff, Die Soz.pol.lehre W. S.s z. gesetzl. Rentenvers. u. Vermögensbildung, 1990 (W-Verz. 1969–75);
    A. Dohle, Die Soz.pol.lehre W. S.s z. gesetzl. Krankenvers. u. z. Fam.lastenausgleich, 1991;
    W. Schmähl, Sicherung b. Alter, Invalidität u. f. Hinterbliebene, in: Gesch. d. Soz.pol. in Dtld. seit 1945, IV, hg. v. Günther Schulz, 2006;
    G. Hardach, Der Generationenvertrag, 2006;
    Munzinger; |

  • Quellen

    Qu Personalunterlagen d. ehem. Berlin Document Center im BA Berlin.

  • Autor/in

    Hans Günter Hockerts
  • Zitierweise

    Hockerts, Hans Günter, "Schreiber, Wilfrid" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 533-534 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118610716.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA