Lebensdaten
1885 – 1962
Geburtsort
Düsseldorf
Sterbeort
Genf
Beruf/Funktion
Jurist ; Pazifist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 119502852 | OGND | VIAF: 98294466
Namensvarianten
  • Wehberg, Johannes
  • Wehberg, Hans
  • Wehberg, Johannes

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Wehberg, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119502852.html [26.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit 1350 nachweisbarer westfäl. Bauern- u. Gutsbes.fam. aus Volmarstein mit d. Stammsitzen „Haus Berge“ u. „Haus Wehberg“ b. Wetter/Ruhr, zu der Jan W. ( 1659), Hofbes. in Halden b. Hagen gehört;
    V Heinrich (1855–1912), aus Volmarstein, Dr. med., Arzt in D., Bodenreformer (s. Wi. 1909), S d. Friedrich (1810–81), Gutsbes. auf Haus Berge, u. d. Amalie Schmiemann (1815–74);
    M Louise Christine Auguste (1856–1930), T d. Johann Diedrich Dieckmann (1823–1906), Gastwirt in Dortmund, u. d. Albertine Auguste Lisette Gräwe (1834–1890);
    Schw Anna (1888–1931), Konzertsängerin, Gesangslehrerin in D. (s. Dt. Musiker-Lex., hg. v. E. E. Müller, 1929);
    1) Den Haag 1910 Klasina Jakoba Roulina (1890–1947), aus Rotterdam, T d. Pieter Agema (1863–1924), aus Sneek (Prov. Friesland), Kaufm. in Rotterdam, u. d. Hillegien Kloekers (1869–1958), aus Assen (Prov. Drente), 2) Genf 1958 Madeleine Cudré-Mauroux (1914–2011), aus Lausanne;
    2 T aus 1) Hilla (1912–92, 1] Cecil A. Z. Sharp, 1909–54, Arzt, Health Commissioner St. Louis County, aus St. Louis, Missouri, 2] Giovanni [John] del Re, * 1919), Filmwiss., Übers. im Innenmin. d. USA, seit 1935 in Chicago, Ilse (* 1917, Raymond Terrin, * 1918, aus Granges, Kt. Waadt, Bauuntern.).

  • Biographie

    W. wuchs in einer linksliberalen, politisch engagierten Familie auf. Nach dem Abitur 1904 am Städtischen Gymnasium Düsseldorf studierte er Rechtswissenschaften in Bonn (1904), Jena (1906) und Göttingen (1907); er war Burschenschafter (Marchia, Bonn) und veröffentlichte literarische Texte. 1908 bestand er das Referendarexamen in Köln und wurde bei Rudolf His (1870–1938) in Münster über ein völkerrechtliches Thema zum Dr. iur. promoviert. Weitere Lehrer waren Philipp Zorn (1850–1928) und Paul Schoen (1867–1941). 1908–12 war W. Gerichtsreferendar im Bezirk des OLG Düsseldorf. Seit 1908 war er, wie bereits sein Vater, in der bürgerlichen Friedensbewegung tätig, so der „Deutschen Friedensgesellschaft“ und dem 1911 gegründeten „Verband für internationale Verständigung.“ Zeitweilig stand er der philosophischen Richtung des Monismus nahe. Nach dem Assessorexamen 1912 in Düsseldorf wurde er 1913 auf Initiative von Josef Kohler (1849–1919) Herausgeber des „Archivs für Völkerrecht“, distanzierte sich 1914 aber von der Zeitschrift wegen deren Unterstützung der dt. Kriegsführung in Belgien. Seit 1914 war W. Mitherausgeber der von Alfred H. Fried (1864–1921) begründeten pazifistischen völkerrechtlichen Zeitschrift „Die Friedenswarte“, die er 1924–62 weitestgehend allein herausgab. 1915–17 als Landsturmmann kriegsverpflichtet, wurde W. 1917 auf Veranlassung von Bernhard Harms (1876–1939) wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am „Institut für Weltwirtschaft“ in Kiel.

    1919 formulierte W. eine von Matthias Erzberger (1875–1921) vorgetragene Petition der „Deutschen Liga für den Völkerbund“ (DLfV), für Walther Schücking (1875–1935) einen Lehrstuhl für Völkerrecht an der Univ. Berlin einzurichten, und versuchte, die noch lebenden Unterzeichner des Aufrufs „An die Kulturwelt!“ von 1914 zur Rücknahme ihrer Unterschrift zu bewegen, um eine Isolation der dt. Wissenschaft zu verhindern. 1919–22 war er Referent für Völkerrecht bei der DLfV, 1921–25 Sachverständiger des Reichstags-Untersuchungsausschusses „für die Schuldfragen des Weltkrieges“. 1928 wurde er ohne formale Habilitation o. Professor für Völkerrecht am Institut Universitaire des Hautes Etudes internationale in Genf, einer 1927 gegründeten und von der Rockefeller-Stiftung geförderten ordoliberalen Hochschule (Vizepräs. 1933 / 34, em. 1960); seitdem lebte W. in der Schweiz. Regelmäßig hielt er Vorlesungen an der Academie du Droit International in Den Haag, bis 1933 war er dem Kieler Institut für Internationales Recht durch eine Lehrtätigkeit und Veröffentlichungen verbunden. Seit 1933 stand er mit Ludwig Quidde (1858–1941) in näherem Kontakt, für den er 1938 eine Spendensammlung veranstaltete. Nach dem 2. Weltkrieg gehörte W. zu den externen Mitarbeitern des Weltwirtschaftlichen Instituts in Kiel.

    W. war einer der produktivsten dt. Völkerrechtler des 20. Jh. Als Pazifist forderte er eine Ächtung des Krieges durch völkerrechtliche Verträge bis zum Verbot des Angriffskriegs; Carl Schmitt (1888–1985), mit dem er eine konstante Auseinandersetzung führte, bezeichnete ihn als einen „der bedeutendsten Vorkämpfer der Kriminalisierung des Angriffskrieges“. W. gehörte zu den Juristen, die den „Briand-Kellogg-Pakt“ von 1928 vorbereiteten, 1930 forderte er als wohl erster Völkerrechtler die Bestrafung der für einen Angriffskrieg verantwortlichen Politiker.

    Da W. einen durch die Staatengemeinschaft legitimierten „Exekutionskrieg“ befürwortete, kommt ihm unter den pazifistischen Völkerrechtlern eine Mittelstellung zu; nach 1945 sprach er sich für einen „Wehrbeitrag“ der Bundesrepublik im Rahmen einer europ. Verteidigungsgemeinschaft aus. Den Versailler Vertrag lehnte W. wegen der darin normierten dt. Alleinschuld ab; die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse bezeichnete er wegen der Nichtbeteiligung dt. Juristen als „nicht ideal“. Unter den Veröffentlichungen, von denen viele ins Englische übersetzt wurden, ragt der 1921 mit Schücking herausgegebene erste und bedeutendste Kommentar zur|Völkerbundsatzung heraus (³1931). 1927–31 besorgte W. engl. Editionen von Werken Samuel v. Pufendorfs (1632–94).

    W. steht zwischen dem machtstaatlichen Völkerrecht seines Lehrers Zorn und dessen Fortentwicklung zu einer auf internationalen Organisationen aufgebauten Weltordnung. Zu seinen Schülern zählt der Völkerrechtler Fritz Münch (1906–95). Auf W.s Verständnis vom Völkerrecht als „Kampf für Frieden“ berief sich insbesondere der Würzburger Völkerrechtler Friedrich August v. der Heydte (1907–94).

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Inst. de droit internat. (1921), Gen.sekr. (1950);
    Grotius-Medaille mit Ölzweig d. Grotius-Ges. (1954);
    Dr. iur. h. c. (Genf 1955);
    Gr. BVK (1955);
    Ehrenmitgl. d. American Soc. of Internat. Law (1957).

  • Werke

    |Wir beide, Eine Dichtung, 1906;
    Gesch. d. Bonner Burschenschaft Marchia, 1906;
    Das Beuterecht im Land- u. Seekriege, Diss. Münster 1909, engl. 1911;
    Die Mannesmannsprüche, 1910;
    Die Abkommen d. Haager Friedenskonferenzen, d. Londoner Seekriegskonf. nebst Genfer Konvention, 1910, ²1915;
    Kommentar z. d. Haager „Abkommen betr. d. friedl. Erledigung internat. Streitigkeiten v. 18. Okt. 1907“, 1911;
    August Theodor Stamm u. d. Anfänge d. dt. Bodenreformbewegung, 1911;
    Die internat. Friedensbewegung, 1911;
    Der Deutsche im Auslande, 1912, ²1914;
    Das Problem e. internat. Staatenger.hofs, 1912, engl. 1916;
    Limitations des armenents, 1914, engl. 1921;
    Die panamerik. Bewegung, 1914;
    Das Kriegsrecht, 1914;
    v. Tirpitz u. d. dt. Seekriegsrecht, 1915;
    Plebiszit u. Optionsklausel, 1915;
    Die amerik. Waffen- u. Munitionslieferungen an Dtld.s Gegner, 1915;
    Das Seekriegsrecht, 1915;
    Das Papsttum u. d. Weltfriede, 1915;
    Monroedoktrin, 1915;
    Paßwesen, 1915, ²1923;
    Ägypten, Vfg., Verw., Volkswirtsch., 1915;
    Die internat. Beschränkung d. Rüstungen, 1919, Neudr. 1973;
    Neue Weltprobleme, Ges. Aufss. über Weltwirtsch. u. Völkerorganisation, 1919;
    Als Pazifist im Weltkrieg, 1919;
    Die Pariser Völkerbundakte, 1919;
    Der Völkerbundvorschlag d. dt. Reg. mit d. Entwurf f. e. Weltarb.recht, 1919, ²1920 (mit A. Manes);
    Der Völkerbund, 1919;
    Wider d. Aufruf d. 93!, 1920;
    Führer durch d. Völkerbund-Lit., 1920;
    Die Satzung d. Völkerbundes komm., 1921, ²1924 (mit W. Schücking);
    Dtld. u. d. Genfer Völkerbund, 1923;
    Die Führer d. dt. Friedensbewegung (1890–1923), 1924;
    Saargebiet, Die staats- u. völkerrechtl. Stellung d. Saargebietes, 1924;
    Die Völkerbundbewegung, 1924;
    Der Sicherheitspakt, 1926;
    Grundprobleme d. Völkerbundes, 1926;
    Die Völkerbundsatzung, 1926, ³1929;
    Das Genfer Protokoll betr. d. friedl. Erledigung internat. Streitigkeiten, 1927;
    Die Ächtung d. Krieges, 1930;
    Der Kampf um d. Reform d. Völkerbundes, 1934;
    Das Problem e. internat. Polizei, 1935;
    Ideen u. Projekte betr. d. Vereinigten Staaten v. Europa in d. letzten 100 J., 1941, Nachdr. mit e. Einf. v. F. Boldt u. e. Nachw. v. K. Holl, 1984 (P);
    Ludwig Quidde, Ein dt. Demokrat u. Vorkämpfer d. Völkerverständigung, 1948;
    Der Internat. Ger.hof, 1948;
    Beruht d. Recht z. Selbstverteidigung auf e. allg. Regelung d. Völkerrechts? Gutachten, 1952;
    Krieg u. Eroberung im Wandel d. Völkerrechts, 1953;
    Hugo Grotius, 1956;
    Mithg.: Archiv d. Völkerrechts (seit 1948).

  • Quellen

    Qu Nachlaß: BA Koblenz; einzelne Korr. im Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland (Nachlaß Carl Schmitt), Univ.bibl. Münster (Nachlaß Walther Schücking), Stadtbibl. München (Nachlaß Ludwig Quidde), Staatsbibl. Berlin (Archiv Mohr Siebeck), Theatermus. Düsseldorf (Nachlaß Schauspielhaus Düsseldorf), Staats- u. Univ.bibl. Göttingen (Nachlaß Felix Klein), DLA Marbach (Nachlaß Gerda Weyl), Landesbibl. Kiel (Nachlaß Ferdinand Tönnies), Univ.bibl. Leipzig (Nachlaß Karl Bücher), Univ.bibl. Bonn (Nachlaß Ernst Zitelmann).

  • Literatur

    |F. A. v. d. Heydte, in: Die Friedenswarte 56, 1961 / 66, S. 201;
    W. Wengler, in: NJW 1962, S. 1560;
    P. K. Keiner, Bürgerl. Pazifismus u. „neues“ Völkerrecht, H. W. (1885–1962), Diss. iur. Freiburg (Br.) 1976;
    G. Maschke, Frank B. Kellogg siegt am Golf, Völkerrechtsgeschichtl. Rückblicke anläßl. d. ersten Kriegs d. Pazifismus, Siebte Etappe, 1991, S. 28–61, bes. S. 56–61, Achte Etappe, 1992, S. 81–113, bes. S. 105 ff.;
    S. Jung, Die Rechtsprobleme d. Nürnberger Prozesse, 1992, S. 107;
    J. u. W. v. Ungern-Sternberg, Der Aufruf „An d. Kulturwelt!“, Das Manifest d. 93 u. d. Anfänge d. Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg, 1996, ²2013;
    F. Blindow, Carl Schmitts Reichsordnung, 1997, S. 53 f.;
    F. Bodendiek, Walther Schücking u. H. W., in: Die Friedenswarte 74, 1999, S. 79–97;
    M. Stolleis, Gesch. d. öff. Rechts in Dtld. III, 1999, S. 58, 64, 88 f., 158 u. 256, IV, 2012, S. 90 u. 206;
    B. Roscher, Der Briand-Kellogg-Pakt v. 1928, 2004;
    B. Schilmar, Der Europadiskurs im dt. Exil 1933–1945, 2004, C. Schmitt, Frieden oder Pazifismus, Arbb. z. Völkerrecht u. z. internat. Pol. 1924–1978, hg., mit e. Vorw. u. mit Anm. versehen v. G. Maschke, 2005, S. 25, 72, 130, 164 ff., 191, 249, 455, 475 u. 610;
    K. Holl, Ludwig Quidde (1858–1941), Eine Biogr., 2007, S. 558 f.;
    C. Denfeld, H. W. (1885–1962), Die Organisation d. Staatengemeinschaft, 2008 (W-Verz., L, P);
    A. Toppe, Mil. u. Kriegsvölkerrecht, 2008, S. 103 f. u. 220;
    B. Riehle, Eine neue Ordnung d. Welt, 2009, S. 104–11;
    Wi. 1961;
    Munzinger;
    Biogr. Lex. Weimarer Rep.;
    Biogr. Lex. Burschenschaft.

  • Autor/in

    Martin Otto
  • Zitierweise

    Otto, Martin, "Wehberg, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 552-554 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119502852.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA