Lebensdaten
1902 – 1979
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Mathematiker
Konfession
jüdisch,seit 1920 evangelisch-lutherisch
Normdaten
GND: 117707538 | OGND | VIAF: 9966446
Namensvarianten
  • Baer, Reinhold

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Baer, Reinhold, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117707538.html [29.03.2024].

CC0

  • Der Mathematiker Reinhold Baer, der an der Universität Halle-Wittenberg, in den USA und seit 1956 an der Universität Frankfurt am Main wirkte, lieferte wichtige Beiträge zur Entwicklung der modernen Algebra, insbesondere zur Gruppentheorie, die er auf projektive Ebenen und geometrische Konfigurationen anwendete. 1941 führte er den Begriff des injektiven Moduls ein.

    Lebensdaten

    Geboren am 22. Juli 1902 in Berlin
    Gestorben am 22. Oktober 1979 in Zürich
    Konfession jüdisch; seit 1920 evangelisch-lutherisch
    Reinhold Baer, MFO (InC)
    Reinhold Baer, MFO (InC)
  • Lebenslauf

    22. Juli 1902 - Berlin

    1908 - 1920 - Charlottenburg bei Berlin

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Humanistisches Gymnasium

    1920 - 1921 - Hannover

    Studium des Maschinenbaus

    TH

    1920 - 1925 - Freiburg im Breisgau; Göttingen; Kiel

    Studium der Mathematik

    Universität

    - 1925 - Göttingen

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1925 - 1926 - Heppenheim (Bergstraße) bei Mannheim

    Lehrer

    Oldenwaldschule

    1926 - 1928 - Freiburg im Breisgau

    Assistent

    Universität

    - 1928 - Freiburg im Breisgau

    Habilitation für Mathematik

    Universität

    1928 - 1933 - Halle an der Saale

    Privatdozent

    Universität

    1933 - 1935 - Manchester (Großbritannien)

    Stipendiat

    Universität

    1935 - 1937 - Princeton (New Jersey, USA)

    Mitglied

    Institute for Advanced Study

    1935 - 1937 - New York City

    Gastvorlesungen

    New York University

    1937 - 1938 - Chapel Hill (North Carolina, USA)

    Assistant Professor für Mathematik

    University of North Carolina

    1938 - 1944 - Urbana (Illinois, USA)

    Associate Professor für Mathematik

    University of Illinois

    - 1944

    US-amerikanischer Staatsbürger

    1944 - 1956 - Urbana

    Full Professor für Mathematik

    University of Illinois

    1956 - 1967 - Frankfurt am Main

    ordentlicher Professor für Mathematik

    Universität

    1958 - 1958 - Chicago (Illinois, USA)

    Gastprofessur

    Chicago University

    1963 - 1963 - Berkeley (Kalifornien, USA)

    Gastprofessur

    University of California

    1965 - 1965 - Florenz;Neapel; Padua

    Gastprofessur

    Universität

    1967 - 1968 - Albuquerque (New Mexico, USA)

    Distinguished Professor für Mathematik

    University of New Mexico

    - Zürich

    Gastvorlesungen

    ETH

    22. Oktober 1979 - Zürich
  • Genealogie

    Vater Emil Baer 1861–1917 aus Kempen (Posen, heute Kępno, Polen); Fabrikant in Berlin
    Großvater väterlicherseits Jakob Baer Kaufmann in Kempen
    Großmutter väterlicherseits Charlotte Baer, geb. Gallewski
    Mutter Bianka Baer, geb. Timendorfer geb. 1875
    Großvater mütterlicherseits Adolf Timendorfer gest. 1922 aus Oberschlesien; Kaufmann in Berlin
    Großmutter mütterlicherseits Sarah Timendorfer, geb. Loewy gest. 1927 aus Oberschlesien
    Heirat 1929
    Ehefrau Marianne Erika Baer , geb. Kirstein 1907–1986
    Sohn Klaus Baer 1930–1987 Ägyptologe
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Baer, Reinhold (1902 – 1979)

    • Vater

      Emil Baer

      1861–1917

      aus Kempen (Posen, heute Kępno, Polen); Fabrikant in Berlin

      • Großvater väterlicherseits

        Jakob Baer

        Kaufmann in Kempen

      • Großmutter väterlicherseits

        Charlotte Baer

    • Mutter

      Bianka Baer

      geb. 1875

      • Großvater mütterlicherseits

        Adolf Timendorfer

        gest. 1922

        aus Oberschlesien; Kaufmann in Berlin

      • Großmutter mütterlicherseits

        Sarah Timendorfer

        gest. 1927

        aus Oberschlesien

    • Heirat

  • Biografie

    Nach dem Abitur 1920 in Charlottenburg bei Berlin studierte Baer an der TH Hannover Maschinenbau und wechselte 1921 zum Mathematikstudium an die Universität Freiburg im Breisgau. 1922 ging er an die Universität Göttingen, wo ihn Emmy Noether (1882–1935) beeinflusste, und 1924 nach Kiel. Baer wurde 1925 bei Hellmuth Kneser (1898–1973) in Göttingen mit einer Arbeit über Kurventypen auf Flächen (gedruckt 1927) zum Dr. phil. promoviert. Nach kurzer Tätigkeit als Lehrer wurde er 1926 Assistent bei Alfred Loewy (1873–1935) in Freiburg und habilitierte sich in Göttingen 1928 für Mathematik mit einer Arbeit über Mischgruppen. Im selben Jahr wechselte er als Privatdozent an die Universität Halle-Wittenberg. Obwohl sich das Badische Unterrichtsministerium bemühte, ihn durch eine Erhöhung seiner Vergütung in Freiburg zu halten, akzeptierte Baer die weniger lukrativen finanziellen Bedingungen und ging an das von Heinrich W. E. Jung (1876–1953) und Helmut Hasse (1898–1979) geführte hallische Mathematische Institut.

    Baer gehörte zu den ersten Gelehrten, die von den Nationalsozialisten aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ beurlaubt wurden und Lehrverbot erhielten. 1933 emigrierte er als Stipendiat an die University of Manchester und ging 1935 an das Institute for Advanced Study in Princeton (New Jersey, USA), wobei er von dort 1936/37 eine Gastvorlesung an der New York University hielt. 1937 lehrte er als Assistant Professor für Mathematik an der University of North Carolina in Chapel Hill (North Carolina, USA) und seit 1938 als Associate Professor für Mathematik an der University of Illinois in Urbana (Illinois, USA), wo er 1944 einen analogen Lehrstuhl erhielt. 1957 wechselte er auf ein Ordinariat für Mathematik an die Universität Frankfurt am Main. In dieser Zeit hielt er zahlreiche Gastvorlesungen u. a. in den USA, in Neuseeland, Südafrika und Japan sowie an der ETH in Zürich, wo er auch seinen Lebensabend verbrachte.

    In seinen Forschungen beschäftigte sich Baer v. a. mit Fragen der Algebra, insbesondere der Gruppentheorie und der Topologie, wobei in der Hallenser Zeit der Kontakt mit Hasse und Heinrich Brandt (1886–1954) für die Profilierung seiner algebraischen Forschungen eine wichtige Rolle spielte. Mit Hasse edierte er 1930 die grundlegende Arbeit von Ernst Steinitz (1871–1928) zur algebraischen Theorie der Körper. Mehrere Begriffe der Algebra sind mit Baers Namen verknüpft: Baer-Gruppen, Baer-Ringe und Baer-Radikal (einer Gruppe), außerdem geht der Begriff des injektiven Moduls auf ihn zurück. Eingehend studierte er Fragen der Gruppenerweiterung, nilpotente und auflösbare Gruppen sowie die Anwendung der Gruppentheorie in der Theorie endlicher projektiver Ebenen.

    Mehrfach setzte sich Baer mit Fragen der Axiomatik auseinander, speziell ob die einen Begriff definierenden Axiomensysteme unabhängig und vollständig sind und wie verschiedene Definitionen zusammenhängen. So verglich er 1929 die Definition der topologischen Grundbegriffe Felix Hausdorffs (1868–1942), Maurice René Fréchets (1878–1973) und Horst Tietz' (1921–2012), die auf dem Begriff der Umgebung, des Häufungspunkts bzw. der offenen Menge basierten. Baer sah in der Stetigkeit den für die Topologie zentralen Begriff und führte seit den späten 1920 Jahren bis 1933 mit Friedrich W. Levi (1888–1966) entsprechende Studien durch. Weitere Themen seiner Forschungen waren der Scharbegriff, geordnete Körper, Funktionenkörper, die Anwendung der Kontinuumhypothese in der Gruppentheorie, mengentheoretische Fragen sowie endliche Geometrien.

    Baer war Begründer bzw. Mitbegründer mehrerer mathematischer Fachzeitschriften sowie deren Herausgeber bzw. Mitherausgeber, wie „Compositio Mathematica“ (1934–1966), „American Journal of Mathematics“ (1949–1955), „Ergebnisse der Mathematik“ (seit 1952), „The Illinois Journal of Mathematics“ (1956–1963) und dem „Archiv der Mathematik“ (seit 1959). Weiterhin war Baer Gründungsmitglied der Gesellschaft für Mathematische Forschung und wurde 1968 Ehrenmitglied des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach. Zu seinen Schülern zählen Heinz Lüneburg (1935–2009), Peter Dombrowski (geb. 1928), Gerhard O. Michler (geb. 1938), Bernd Fischer (1936–2020), Donald G. Higman (geb. 1928), Dieter Held (geb. 1936), Hans Kurzweil (1942–2014), Christoph Hering (geb. 1939), Helmut Bender (geb. 1942), Otto H. Kegel (geb. 1934), Rüdiger Göbel (1940–2014), Christine Williams Ayoub (geb. 1922) und Kenneth G. Wolfson (geb. 1924).

  • Auszeichnungen

    1959 Gründungsmitglied der Gesellschaft für Mathematische Forschung
    1968 Ehrenmitglied des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach
    1974 Dr. rer. nat. h. c., Universität Gießen
    1976 Dr. rer. nat. h. c., Universität Kiel
    1978 Hon. D. Sc., University of Birmingham (Großbritannien)
    1979 Reinhold-Baer-Kolloquium (weiterführende Informationen)
  • Quellen

    Nachlass:

    nicht bekannt.

    Weitere Archivmaterialien:

    Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 3/150 Kultusministerium: Personalakten.

    Gedruckte Quellen:

    Fragebogen zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, in: Birgit Bergmann/Moritz Epple (Hg.), Jüdische Mathematiker in der deutschsprachigen akademischen Kultur, 2009, S. 202–205.

  • Werke

    Monografien:

    Reinhold Baer/Helmut Hasse, Steinitz, Ernst. Algebraische Theorie der Körper, 1930.

    Linear Algebra and Projective Geometry, 1952, 21966, Nachdr. 2005, russ. 1955.

    Group Theory, Geometrical Structures and their Interrelations, 1964.

    Aufsätze:

    Kurventypen als Flächen, in: Journal für reine und angewandte Mathematik 156 (1927), S. 231–246. (Diss. phil.)

    Über nicht-archimedische geordnete Körper, in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1927), S. 3–13.

    Algebraische Theorie der differentiierbaren Funktionenkörper, in: ebd., S. 15–32.

    Über ein Vollständigkeitsaxiom in der Mengenlehre, in: Mathematische Zeitschrift 27 (1928), S. 536–539.

    Zur Einordnung der Theorie der Mischgruppe in die Gruppentheorie, in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1928), S. 3–18. (Habilitationsschrift)

    Isotopie von Kurven auf orientierbaren, geschlossenen Flächen und ihr Zusammenhang mit der topologischen Deformation der Flächen, in: Journal für reine und angewandte Mathematik 159 (1928), S. 101–116.

    Zur Axiomatik der Kardinalzahlarithmetik, in: Mathematische Zeitschrift 29 (1929), S. 381–386.

    Die Abbildungstypengruppen der orientierbaren geschlossenen Fläche vom Geschlecht 2, in: Journal für reine und angewandte Mathematik 160 (1929), S. 1-25.

    Zur Einführung des Scharbegriffs, in: ebd., S. 199–207.

    Beziehungen zwischen den Grundbegriffen der Topologie, in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1929), S. 3–23.

    Eine Anwendung der Kontinuumshypothese in der Algebra, in: Journal für reine und angewandte Mathematik 162 (1930), S. 132 f.

    Reinhold Baer/Helmut Hasse, Zusammenhang und Dimension topologischer Körperräume, in: Journal für reine und angewandte Mathematik 167 (1932), S. 40–45.

    Reinhold Baer/Friedrich Lewi, Stetige Funktionen in topologischen Räumen, in: Mathematische Zeitschrift 34 (1932), S. 110–130.

    Situation der Untergruppen und Struktur der Gruppe, in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1933), S. 12–17.

    Erweiterung von Gruppen und ihren Isomorphismen, in: Mathematische Zeitschrift 38 (1934), S. 375–416.

    Klassifikation der Gruppenerweiterungen, in: Journal für reine und angewandte Mathematik 187 (1950), S. 75–94.

  • Literatur

    Festschriften:

    Festschrift zum 60. Geburtstag am 22. Juli 1962 von Freunden, Kollegen und Schülern gewidmet, 1962.

    M. Pinl, Kollegen in einer dunklen Zeit. 3. T. Halle: (Reinhold Baer, Heinrich Grell), in: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 73 (1972), S. 153 f.

    Lexikonartikel:

    J C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 6, 1936, S. 104, Bd. 7a, 1955, S. 77 f. u. Bd. 8, 1996, S. 191 f.

    Günther Eisenreich, Art. „Baer, Reinhold“ in: Siegfried Gottwald/Hans-Joachim Ilgauds/Karl-Heinz Schlote (Hg.), Lexikon bedeutender Mathematiker, 1990, S. 33 f.

    John J. O’Connor/Edmund F. Robertson, Art. „Reinhold Baer“, in: MacTutor History of Mathematics Archive, 2014. (P) (Onlineressource)

    Karin Richter, Art. „Reinhold Baer“, in: Catalogus Professorum Halensis. (P) (Onlineressource)

    Nachrufe:

    Karl W. Gruenberg, Obituary. Reinhold Baer, in: Bulletin London Mathematical Society 13 (1981), S. 339–361. (P)

    Otto H. Kegel, Obituary. Reinhold Baer (1902–1979), in: Mathematical Intelligencer 2 (1980), S. 181 f.

    Wolfgang Franz, Prof. Dr. Reinhold Baer †, in: Uni-Report, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main 12 (1979), Nr.  14, S. 5.

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Fotografien, 1950er Jahre bis 1972, Oberwolfach Photo Collection.

  • Autor/in

    Karl-Heinz Schlote (Altenburg)

  • Zitierweise

    Schlote, Karl-Heinz, „Baer, Reinhold“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/117707538.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA