Lebensdaten
1757 – 1833
Geburtsort
Hanau
Sterbeort
Mainz
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Jakobiner
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117234303 | OGND | VIAF: 122378952
Namensvarianten
  • Jung, Franz Wilhelm
  • Flittner, Gf. W.
  • Flittner, J. G.
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Zitierweise

Jung, Franz Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117234303.html [24.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Philipp (1722–68), hanau. Rat u. Rentmeister, S d. Friedrich (1679–1743), Rektor d. Gymnasiums in Mannheim, seit 1713 in H., u. d. Anna Maria Lepique;
    M Lucrèce Madeleine (1724|-1803), T d. Pfarrers Etienne Droume in Guillestrie b. Gap u. d. Marie Reynaud;
    Tante-v Marguérite Isabelle ( Dr. med. Joh. Kaempf, 1726–87, hessen-homburg. Leibarzt, prakt. Arzt in Diez, Badearzt in Ems, seit 1778 Leibarzt d. Erbprinzen Wilhelm v. Hessen-Kassel, s. ADB 15; BLÄ);
    Vt Jakob Wilhelm Kaempf ( n. 1810), Assessor in Homburg v. d. H., radikaler Demokrat, Mainzer Jakobiner, 1794 aus homburg. Diensten entlassen, spielte er als Verbindungsmann zw. Landständen, Herzog u. Franzosen in Württemberg e. wichtige Rolle während d. Schwäb. Rev.versuche 1795–98, 1798-1803 Klosterpfleger in Esslingen (s. L);
    - Den Haag 1786 Jacoba Maria (1764–1800), T d. Cornelis de Perponcher-Sedlnitzky u. d. Joh. Maria van Tuyll van Seerooskerke;
    3 S, 2 T, u. a. Carl (1787–1854), Zeichner u. Kupferstecher (in Linien- u. Punktiermanier) in Nürnberg, wo er sich 1826 bei Fr. Fleischmann ausbildete, arbeitete vorwiegend f. Verleger (s. ThB), Wilhelm (1795–1865), Geh. Obergerichtsrat in M., Eduard (1798–1866), Buchhändler in Paris;
    E Eugen (1827- um 1905), Journalist in Paris, Adolf (1827–1902), Bier-Industrieller, Gustav (1843–85), Dir. d. Mainzer Aktien-Bierbrauerei;
    Ur-E Otto (1862–1943), Gen.-dir. d. Mainzer Aktien-Bierbrauerei, Vorsitzender d. Handelskammer in M. (s. Wenzel; Rhdb., P), Erich (1866–1950), Prof. d. Rechte (Zivilrecht) in Straßburg u. Marburg (s. Wi. 1950).

  • Biographie

    J., der früh seinen Vater verlor und in Hanau ohne geregelten Unterricht aufwuchs, erwarb dennoch eine umfangreiche literarisch-philosophische und volkswirtschaftliche Bildung, teils durch Selbststudium, teils durch seinen Onkel J. Kaempf, der ihn 1769 nach Diez mitnahm und ihn zum Arzt und Philanthropen ausbilden wollte. Doch zeigte J. unüberwindliche Abneigung gegen die Medizin, so daß ihm Kaempf nach seiner Obersiedlung nach Hanau 1778 Privatunterricht in praktischer Volkswirtschaftslehre durch den Nationalökonomen Joh. Friedrich v. Pfeiffer erteilen ließ. Der Onkel hatte auch die Aufnahme des kaum 18jährigen in eine Freimaurerloge vermittelt, von der aus J. Anschluß an die Illuminaten fand, doch verließ er beide Orden bald wieder. 1780 ging er als Hofmeister der Familie des Gf. Athlone nach Holland, kehrte mit dessen Söhnen, die er nach Rousseauschen Idealen bilden sollte, nach Hanau zurück und ließ sich nach seiner Heirat mit einer Verwandten der Gfn. Athlone 1786 in Homburg v. d. H. nieder, wo er durch Vermittlung seines Onkels die Stellung eines Hofrats in der hessen-homburg. Regierung erhalten hatte. Vor allem mit Problemen der Volkserziehung und der dürftigen ökonomischen Lage Hessen-Homburgs beschäftigt, fand er noch Muße zur Weiterbildung und zu literarischer Tätigkeit, die ihn in ein sehr enges Verhältnis zu Landgf. Friedrich Ludwig brachte. Beide benutzten für ihre poetischen Versuche und Studien einen gemeinsamen Schreibtisch und fanden sich im Geiste Rousseaus, Klopstocks und Schillers, im „Enthusiasmus für edle griech. und schweizer. Freiheit“ (Landgf. Friedrich Ludwig). Als aber J. diese gemeinsamen Ideale durch die Franz. Revolution realisiert sah, die revolutionäre Gewalt zur Durchsetzung des „großen Umschwungs“, der „großen Erhebung der Menschheit“, rechtfertigte und diesen Umschwung seit 1792 auch für Deutschland für möglich hielt und forderte, kam es zum Bruch mit dem Landgrafen. J. versuchte 1793 vergeblich, sich von Homburg zu lösen und in Württemberg eine liberale Tageszeitung zu gründen. Der Landgraf entließ im Febr. 1794 die führenden Köpfe des demokratischen Kreises, der sich um J. gebildet hatte, an erster Stelle den Assessor Kaempf, Mitglied des Mainzer Jakobiner-Clubs, sowie den Erzieher seiner Kinder, den Hofrat Heinrich Schneidler. Er befürchtete, daß mit der „Schwärmerei“ Ernst gemacht werden könne durch die Beziehungen des Hof-Kreises zur Mainzer Republik. J. reichte aus Solidarität mit seinen Freunden den Abschied ein, konnte aber 1795/96, während der franz. Besatzung, in Homburg viel für die landgräfl. Familie tun und dem Ländchen praktisch die Behandlung eines Neutralen durch die Franzosen sichern. 1798 ging er nach Mainz und wurde Chef des Bureaus für öffentliche Arbeiten und später Polizeikommissar der Republik.

    J., der Lavater (1782) und Schiller (1793) getroffen hatte, 1796-98 zum Freund Hölderlins geworden war und durch Sinclair die Freundschaft Fichtes gewonnen hatte, regte 1798 an, Fichte an die wiederbelebte Mainzer Universität (Lycée superieur) zu berufen, um mit dessen Ruhm die Mainzer Republik zu stärken. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand der Franzosen, die sich zunehmend auf nationale Expansion anstatt auf Ausbreitung der Revolution konzentrierten. Sich häufende Enttäuschungen dieser Art ließen J. 1804 sein Amt niederlegen; 1806 zog er sich nach Frankfurt ins Privatleben zurück. Seit 1814 lebte er wieder in Mainz, wo er zum Generalsekretär des Departements von Donnersberg, später zum Studiendirektor ernannt wurde und durch die Mitbegründung des „Vereins für Literatur und Kunst“ (1823) viel für das kulturelle Leben der Stadt tat. 1816 trat er wieder in engere Beziehung zum Landgrafen von Hessen-Homburg, von dem ihm 1820 der Titel|eines Geheimrats zuerkannt wurde. Seit 1822 führte ein Augenleiden zur fast völligen Erblindung.

    J.s Bedeutung im Zusammenhang der Literaturgeschichte liegt nicht in seinen, zumeist im Wettstreit mit dem Landgrafen verfaßten poetischen Versuchen, sondern in seiner Stellung als Vermittler revolutionären Geistes am homburg. Hof: Für Isaak v. Sinclair wurde er zum demokratischen Mentor, er stand in Briefwechsel mit führenden republikanischen Köpfen, mit Fichte und, nach 1814 von Mainz aus, mit Jean Paul; Hölderlin war er ein zuverlässiger Freund während dessen ersten Homburger Aufenthalts 1796–98. Der Dichter besuchte ihn 1797 in Mainz und arbeitete an seiner „Ossian“-Übersetzung mit. Wenn die begründete Vermutung Kirchners stimmt, daß J. der Verfasser jener Rezension des „Hyperion“ (1. Bd.) in der „Oberdeutschen allg. Literaturzeitung“ v. 25.11.1799 ist, die „in den öffentlichen Blättern jener Zeit einzig“ dasteht (Kirchner), muß er als einer der wenigen gelten, die sowohl den Rang wie die politisch-weltanschaulichen Intentionen des verkannten Dichters verstanden und zu fördern suchten.

  • Werke

    Über d. Übel auf Erden, 1807;
    Erinnerungen an Joh. Kaspar Lavater, 1812;
    Klara, e. Gedicht, 1814;
    Odmar, e. dramat. Gedicht, 1814, ²1821;
    Btr. zu Ideen üb. Kirche u. Kirchengebräuche, 1814;
    Heinr. Frauenlob, e. Gedicht, ²1819;
    Dt. Reimwb., 1834. -
    Überss.: Rousseau, Vom gesellschaftl. Vertrage, 1800;
    Ossians Gedichte, 1808. - Qu.: Umfangreicher Nachlaß fast vollst. verschollen, bzw. 1945 verbrannt, erhalten:
    10 Briefe I. v. Sinclairs an J. (Homburg, Stadtbibl.);
    Briefe Fichtes, gedr. in: Cotta's Morgenbl. f. gebildete Stände, 1831, u. d. T. Fichte u. s. Verhältnis z. Frankenrepublik;
    Briefe Jean Pauls, gedr. in: Wahrheit aus Jean Paul's Leben, 7. u. 8. Heftchen, 1833, wieder in: Jean Pauls sämtl. Werke, hrsg. v. E. Berend, 3. Abt., Bd. 6, 1952 u. 7, 1954 (dort Verz. d. Briefe J.s an Jean Paul);
    Briefe d. Homburger Landgf. Friedrich Ludwig an J. u. Briefentwürfe J.s an d. Landgf. (Marburg, Fam. Jung);
    J.s Exemplar d. „Hyperion“ v. Hölderlin (Marbach, Schiller-Nat.-Mus.).

  • Literatur

    K. Schwartz, Landgf. Friedrich V. v. Hessen-Homburg u. s. Fam., 1888;
    Erich Jung (Ur-E), Abstammung u. Erziehung, 1927 (P, enth. Biogr. J.s v. S Wilhelm v. 1854);
    Ch. Waas, F. W. J. u. d. Homburger Rev.schwärmer 1792–94, in: Festschr. Heinr. Jacobi z. 70. Geb.tag, 1936 (L, P, Qu);
    J. Hansen, Qu. z. Gesch. d. Rheinlandes im Za. d. franz. Rev. 1780-1801, IV, 1938, S. 890 f., 1118, 1219, 1284;
    W. Kirchner, F. W. J.s Exemplar d. „Hyperion“, in: Hölderlin-Jb. 1954, 1954;
    - zu W. L. Kaempf:
    Ch. Waas, s. oben;
    H. Scheel, Süddt. Jakobiner, Klassenkämpfe u. republikan. Bestrebungen im dt. Süden Ende d. 18. Jh., ²1971. P Zeichnung v. Karl Jung (S) (Marburg, Fam. Jung), Abb. b. Erich Jung u. b. Waas, beide s. L;
    Gem. v. G. v. Kügelgen (ebd.), Abb. ebd.

  • Autor/in

    Martin Glaubrecht
  • Zitierweise

    Glaubrecht, Martin, "Jung, Franz Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 672-674 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117234303.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA