Lebensdaten
1708 – 1791
Geburtsort
Castiglione (Toskana)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Mathematiker ; Philosoph ; Übersetzer
Konfession
katholisch?
Normdaten
GND: 116472448 | OGND | VIAF: 30288706
Namensvarianten
  • Salvemini, Giovanni Francesco Mauro Melchiore (eigentlich)
  • Castillon, Giovanni Francesco Mauro Melchiore
  • Castilhon, Giovanni Francesco Mauro Melchiore
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Zitierweise

Castillon, Jean, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116472448.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Giuseppe Salvemini, Advokat in C., aus patrizischem Geschl.;
    M Maria Maddalena Lucia Braccesi aus Pisa;
    1) 1745 Elis. du Frèsne ( 1757), 2) 1759 Madeleine Ravène ( 1781);
    S Frdr. v. C. (1747–1814), Prof. der Philos. an der Militärakademie in Berlin, Mitgl. u. Klassendirektor der Preußischen Ak. der Wiss.

  • Biographie

    Der junge Salvemini erwarb in Pisa den juristischen Doktorgrad, widmete sich daneben allen schönen Künsten und unter Abbé Grandi der Mathematik. Freigeistige Äußerungen trieben ihn 1729 zur Flucht in die Schweiz. Aus unbekannten Gründen ließ er seinen Familiennamen fallen und nannte sich nach seinem Geburtsort Jean Castillon. Er lebte in Vevey von Privatunterricht und war seit 1737 Direktor einer humanistischen Lehranstalt. 1745 siedelte er nach Lausanne über und erwarb sich durch Einkauf in die Gemeinde Chardonney die Staatsbürgerschaft der Republik Bern. Auch machte er sich in der gelehrten Welt bekannt durch mathematische Abhandlungen, zum Beispiel über die von ihm „Kardioide“ genannte Kurve (Philipp Transactions, London 1741), durch schöngeistige Arbeiten, besonders aber (1744) durch Herausgabe der Opuscula von Newton und (1745) des Briefwechsels von Leibniz mit Johann Bernoulli (wozu ihm G. Cramer in Genf das Material lieferte); endlich 1748 als Editor der „Introductio in Analysin infinitorum“ von Leonhard Euler. Nachdem sich C. 1749 vergeblich in Bern und Lausanne um eine Professur bemüht hatte, folgte er 1751 einem Ruf des Prinzen von Oranien an die Universität Utrecht. Dort lehrte er als Lektor Mathematik und Astronomie, erwarb 1754 den philosophischen Doktortitel und wurde im folgenden Jahr Ordinarius, 1758 Rektor. Von seinen vielseitigen Interessen zeugen unter anderem eine Schrift gegen Rousseau, eine französische Übersetzung von Locke's „Elements of Natural Philosophy“ und „Some Thoughts Concerning Reading …“ (Amsterdam und Leipzig 1757), sowie eine Übertragung von Alexander Popes „Essay on Man“ in italienische Verse (Bern 1760, Straßburg ²1762). 1761 erschien der schon in Vevey begonnene wertvolle Kommentar zu Newtons Arithmetica universalis und wurde wohl der Anlaß, daß C. auf d'Alemberts Empfehlung von Friedrich dem Großen als Professor der Mathematik am Artilleriecorps nach Berlin berufen wurde. Auswärtiges Mitglied der dortigen Akademie seit 1755, wurde er 1764 ordentliches Mitglied, im folgenden Jahr erster Astronom an der Sternwarte. Noch 1787 avancierte er zum Direktor der mathematischen Klasse, wurde aber noch im selben Jahr durch einen Schlagfluß gelähmt; geistig blieb er frisch bis in seine letzten Tage. Auch die gelehrten Gesellschaften von London (Royal Society), Göttingen (1753), Bologna (1768), Mannheim (1777), Padua (1784) und Prag (1785) hatten ihn zu ihrem Mitglied gewählt. Von liebenswürdigem Charakter, heiter, eine vermittelnde Natur, huldigte C. in seinen philosophischen Arbeiten dem Eklektizismus seiner Zeit; in seiner mathematischen Produktion ging er nicht weit über das Elementare hinaus.

  • Literatur

    ADB IV;
    F. Castillon, Eloge, in: Mémoires de l'ac. royale de Berlin, 1792/93, Hist. de l'ac., S. 38 bis 60 (W);
    Ch. Bartholméss, Hist. Phil, de l'Ac. de Prusse II, 1851, S. 196;
    R. Wolf, Biogr. Kulturgesch. d. Schweiz I, 1858, S. 325 f.;
    P. Riccardi. Bibl. matematica italiana I, 1893, S. 298 (W);
    A. v. Harnack, Gesch. d. Preuß. Ak. d. Wiss. I. 1900;
    G. Loria, Storia delle matematiche III. 1933, S. 227 (W);
    Pogg. I (W);
    eigene Archivstud.

  • Autor/in

    Otto Spiess
  • Zitierweise

    Spiess, Otto, "Castillon, Jean" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 174 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116472448.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Castillon: Giovanni Francesco Mauro Melchior Salvemini, nach seinem Geburtsorte genannt Castillioneus, Castilhon, Mathematiker, geb. zu Castiglione im Valdarno di Sopra 15. Jan. 1708, zu Berlin 11. Oct. 1791. Die Familie der Salvemini war eine alte Patricierfamilie, welche sich bis in das 14. Jahrhundert zurück verfolgen läßt. Auch von mütterlicher Seite stammte C. aus einem edlen Pisaner Geschlecht. Den ersten sorgfältigen Unterricht erhielt er im elterlichen Hause, bezog dann die Universität Pisa, wo er 1729 als Doctor beider Rechte promovirte, ohne jedoch (nach eigener späterer|Aussage) von Jurisprudenz etwas zu verstehen; von Mathematik habe er wenigstens wenig gewußt. Atheistische Gesinnungen, welche er späterhin gründlich ablegte, damals jedoch laut zu erkennen gab, brachten ihn in Ungelegenheiten und nöthigten ihn nach der Schweiz zu fliehen. Vielleicht um seinen Lebensunterhalt sich zu erwerben, beschäftigte er sich dort mit Uebersetzungen, z. B. mit der des Pope’schen 1733 erschienenen Essay on man in gleich viele italienische Verse, als das Original englische zählt. Wiewol diese Uebersetzung erst 1760 im Drucke herauskam, verschaffte sie doch schon im Manuscripte C. manche Freunde, welche ihm 1737 zu einer Lehrerstellung in Vevay verhalfen. In Vevay schrieb C. seine beiden ersten mathematischen Aufsätze, welche 1741 und 1742 in den Philosophical Transactions abgedruckt sind, über die Cardiodide, deren Name von ihm herrührt, und über den polynomischen Lehrsatz. Von dort aus, später von Lausanne aus, wohin C. 1745 übersiedelte, leitete er die Uebersetzung und Herausgabe der kleineren Schriften von Newton ("Opuscula mathematica Newtoni“, 1744), des Briefwechsels zwischen Leibnitz und Joh. Bernoulli ("Leibnitii et Joh. Bernoullii commercium philosophicum et mathematicum“, 1745), der Euler’schen Analysis ("Introductio in analysin infinitorum auctore Leonhardo Eulero“, 1748). Die königl. Gesellschaft zu London erwählte ihn darauf zum Mitgliede. Während derselben Zeit bemühte er sich vergebens um eine mathematische Professur in Bern, um eine theologische Professur in Lausanne; die letztere Bewerbung erscheint um so interessanter, als aus ihr hervorgeht, wie weit damals bereits seine religiösen Anschauungen sich geändert hatten. Im Sommer 1751 erhielt C. gleichzeitig zwei Berufungen nach Utrecht und Petersburg, nahm beide bedingungsweise an, in der Absicht endgültig da zuzusagen, von wo die erste Rückantwort einlaufen würde, und trat demgemäß seine Stellung in Utrecht am 9. Decbr. 1751 zunächst erst als Lector der Mathematik und Physik an. Die ordentliche Professur der Philosophie und Mathematik erhielt er erst 1755, nachdem er vorher den dazu nothwendigen Doctorgrad der Philosophie sich erworben hatte. In dieser spätern Anstellung erkennt man die Folgen der Verläumdungen und Anfeindungen, mit welchen man C. als Ausländer verfolgte. Eine Widerlegung der Schrift Rousseau's über den Ursprung der Ungleichheit der Menschen gab C. 1756 heraus, Uebersetzungen einer italienischen Schrift von Donati, einer englischen von Locke ins Französische 1758. Ein ausführlicher Commentar von ihm zu Newton's „Arithmetica universalis“ erschien 1761 in Amsterdam. Inzwischen hatte ihn 1753 die Göttinger gelehrte Gesellschaft zum Mitgliede ernannt, deren Beispiel die Harlemer Gesellschaft der Wissenschaft 1762 folgte. 1763 berief Friedrich der Große unmittelbar nach Abschluß des siebenjährigen Krieges C. als Mathematiklehrer am Artilleriecorps nach Berlin, wo er bleibenden Aufenthalt nahm, seit 1764 als Mitglied, seit 1787 als Director der mathematischen Classe der Akademie der Wissenschaften, eine Stellung, in welcher er der unmittelbare Nachfolger Lagrange's war. Von auswärtigen Akademien wurde er als Mitglied ernannt von Bologna 1768, von Mannheim 1777, von Padua 1784, von Prag 1785. Im November 1787 erlitt C. einen Schlaganfall, von welchem er sich zwar geistig, nicht aber körperlich wieder erholte. Von drei Kindern überlebte ihn nur ein Sohn, Friedrich Adolf Maximilian Gustav, welcher am 26. Januar 1792 die akademische Lobrede auf den verstorbenen Vater hielt. Während Castillon's Berliner Aufenthalte gab er einige weitere Uebersetzungen ins Französische heraus, worunter die von Philostratos, „Leben des Apollonius von Tyana“, 1774, besonders zu nennen ist. Außerdem verschiedene mathematische Abhandlungen in den damals in französischer Sprache erscheinenden Denkwürdigkeiten der Berliner Akademie. In allen mathematischen Arbeiten Castillon's gibt sich|eine Vorliebe für synthetische Geometrie gegenüber von den analytischen Methoden und eine ziemliche Gewandtheit in Handhabung derselben zu erkennen, vielleicht ebensowol eine Folge, als eine Ursache von Castillon's eingehender Beschäftigung mit den Werken Newton's.

    • Literatur

      Vgl. Mémoires de l'académie royale de Berlin, 1792 und 1793, Histoire de l'académie, p. 38—60.

  • Autor/in

    M. Cantor.
  • Zitierweise

    Cantor, Moritz, "Castillon, Jean" in: Allgemeine Deutsche Biographie 4 (1876), S. 67-69 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116472448.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA