Lebensdaten
1623 – 1686
Geburtsort
Gorinchem
Sterbeort
Zwolle
Beruf/Funktion
apostolischer Vikar der Niederlande
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 104112891 | OGND | VIAF: 121549834
Namensvarianten
  • Neercassel, Johann van
  • Neercassel, Johannes van
  • Castoriensis, Johannes van
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Neercassel, Johann van, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd104112891.html [16.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Neercassel: Johann van N., der bedeutendste der apostolischen Vicare in den Niederlanden nach Niederwerfung der päpstlichen Herrschaft durch die Reformation. Als Sohn des Godesroy van Neercassel und der Mathilde van Wevelinkhoven 1623 zu Gorinchem geboren, erhielt er seine erste wissenschaftliche Erziehung an der Schule der Kreuzherren vom St. Agathakloster bei Grave und studirte nachher zu Löwen und bei den Priestern des Oratoriums zu Paris Theologie, ward dann noch zur Vollendung seiner Bildung nach Saumur geschickt. Um 1652 trat er eine Lehrerstelle am erzbischöflichen Seminar zu Mecheln an, kehrte aber noch im selben Jahre in die Heimath zurück und fungirte als Capellan zu Rotterdam und zu Utrecht an der St. Geertekirche, wo der ausgezeichnete Abraham van Brienen Pastor war. Kurz nachher ward ihm von Jacob de la Forre, Erzbischof von Ephesus und Verwalter der katholischen Kirche in den Niederlanden, welcher jedoch von den Staaten verbannt worden war, das Generalvicariat des Utrechter Bisthums übertragen, welches wichtige Amt er mit großer Klugheit und Mäßigung während mehrerer Jahre verwaltete. Die Stellung der niederländischen Katholiken war damals eine äußerst schwierige. Nicht nur war ihnen die freie Ausübung ihrer Religion entzogen, sondern es strebten auch noch die eingedrungenen Jesuiten die Kirche um ihre Selbständigkeit zu bringen, ihre Privilegien zu tilgen und sie der päpstlichen Obergewalt ganz und gar zu unterwerfen. Schon öfters hatte der Papst willkürlich die Bischofswahl, welche von jeher dem Capitel zu Utrecht zustand, an sich gerissen, und die Freiheiten der niederländischen Kirche verletzt. Nach|de la Forre's Tode 1661 hegten nun die Katholischen die Hoffnung, der Papst werde dem vom Capitel gewählten N. das apostolische Vicariat übertragen, aber umsonst. Zwar ernannte er ihn 1662 zum Bischof von Castorien i. p. i., ernannte aber Baldewin Catz, einen schwachen Greis, zum apostolischen Vicar und N. nur zu dessen Coadjutor. Als jedoch Baldewin Catz noch im selben Jahre irrsinnig geworden und 1663 gestorben war, versagte der Papst den niederländischen Katholiken ihren Wunsch nicht länger und ernannte N. zu dessen Nachfolger. Außerordentlich groß war jetzt die Freude der Partei. N. war nicht nur ein frommer, gelehrter und maßvoller Mann, sondern vor allem Niederländer. Er betrachtete sein Vaterland noch nicht als Missionsland, obgleich der Bischofsstuhl von Utrecht nicht mehr von den Staaten anerkannt war, und liebte und ehrte die niederländischen Sitten und Gebräuche. Daher war er auch selbst bei den Reformirten hochgeachtet und wurde von den Staaten als guter Patriot geduldet. Den Jesuiten aber war er um so mehr verhaßt. Hinter seinem Rücken suchten sie ihn beim Papst zu verleumden und wußten sich bald in mehrere niederländische Kirchengemeinden einzudrängen. N. trat ihnen aber kräftig entgegen und erlangte 1669 von der Propaganda die Aufhebung fast aller von ihnen eingenommenen Missionsstellen. Dadurch noch mehr aufgebracht, verdächtigten sie ihn des Jansenismus, er aber reiste, um dem zu begegnen, im folgenden Jahre nach Rom und wußte nicht nur sich völlig zu rechtfertigen, sondern auch die Rechte der niederländischen Kirche zur offenen Anerkennung zu bringen. Als 1672 der Krieg mit Frankreich, England, Münster und Köln entbrannte, stand er so treu zum Vaterlande, daß jeder Verdacht eines heimlichen Bündnisses der Katholischen mit dem Feinde verschwand, wenngleich sie nach der Eroberung Utrechts vom König von Frankreich in den Besitz der Domkirche gesetzt wurden. Als die Franzosen im folgenden Jahre abzogen und damit für die Katholiken die freie Religionsübung wieder aufhörte, hielt N. es für gerathen, die Niederlande für einige Zeit zu verlassen und weilte während der nächsten Jahre zu Huissen im Clevischen. Nach dem Frieden zu Nymwegen 1678 kehrte er aber zurück und hielt sich mit Erlaubniß des Magistrats in Amsterdam auf. Von nun an durchreiste er, vielfach zu Fuß, seine Diöcese zur Erbauung der Gemeinden, die er in wahrhaft kirchlicher Zucht hielt. Kirchliche Formen und Ceremonien waren ihm werthlos ohne Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit. Wahrheit ist ihm der Weg zum Seelenfrieden und Barmherzigkeit stellt er über kirchliches Opfer. Daher empfiehlt er Laien wie Geistlichen ein rechtes Bibellesen und bemühte sich um eine bessere Bibelübersetzung, welche aber erst nach seinem Tode vollendet ward. 1689 erschien von der Hand des gelehrten Priesters Andreas Verschuer eine Uebersetzung der Evangelien und später der übrigen neutestamentlichen Bücher und der Psalmen, an welche sich 1732 die von anderen Theologen bearbeitete Uebersetzung des A. T. anschloß. Diese hier nur kurz angedeuteten Ansichten und Gedanken entwickelte N. in mehreren Schriften, wie „Bevestiging in 't geloof en troost in vervolging“, Bruss. 1670, „Tractatus de lectione seripturarum“, Emmer. 1677, und besonders „Amor poenitens seu de divini amoris ad poenitentiam necessitate et recto clavium usu“, Emmer. 1683. Die letzte Schrift erfreute sich des höchsten Beifalls der ausgezeichnetsten Theologen, wie der Cardinäle Grimaldi, Cazoni, Camus und mehrerer Bischöfe, wie Bosfuet, war aber den Jesuiten ein Dorn im Auge. Dennoch versuchten sie umsonst den Verfasser des Jansenismus anzuklagen. Papst Innocenz XI. wies ihre Verdächtigung zurück mit der Erklärung: „le livre est bon et l'auteur un saint“. Sein Nachfolger, Alexander VIII. aber verbot 1690 diese Schrift neu aufzulegen, ehe sie verbessert sein würde. Auch trat N. in einer „Epistolade catholicorum matrimoniis coram magistratu“ zur Vertheidigung der bürgerlichen Ehen seiner Glaubensgenossen auf, und strebte nach einer gesünderen Marien- und Heiligenverehrung in einer zu Köln 1672 herausgegebenen Schrift „De sanctorum et Mariae cultu tractatus quinque“. Den adeligen katholischen Herren gegenüber vertrat er kräftig das bischöfliche Recht der Anstellung von Priestern und Capellanen. In allen Stücken zeigt sich N. als ein höchst gelehrter, milder und frommer Prälat, ganz vom Geist, der h. Schrift und der Kirchenväter, besonders des Augustinus durchdrungen, indem er zugleich als guter Niederländer die Freiheiten seiner vaterländischen Kirche hochhielt. Nicht minder dies als sein freundschaftliches Verhältniß zu den französischen Jansenisten, zu Quesnel, Arnauld und den Priestern des Oratoriums, machte ihn den Jesuiten äußerst verhaßt. Um so mehr liebten ihn seine niederländischen Glaubensgenossen und groß war ihre Trauer, als er, auf seiner letzten Visitationsreise zu Zwolle erkrankt, am 6. Juni 1686 starb. In der kleinen Capelle eines unbedeutenden Nonnenklosters am Glanerbache, nicht weit von der münsterischen Grenze fand sein Leichnam eine Ruhestätte.

    • Literatur

      Batav. sacra III. 405 v. v. (Folioausgabe I, 458 sq.). — R. Bennink Janssonius, Gesch. d. Oud.-Roomsch-Cathol. Kerk, bl. 118—145.
      P. Hofstede de Groot, De Oud.-Cathol. beweging, bl. 229—235. — van der Aa, Biogr. Woordenb. und Glasing, Godgel. Nederl., woselbst auch die weiteren Schriften Neercassel's aufgeführt sind.

    • Korrektur

      S. 368. Z. 21 v. o.: Vgl. auch Reusch. Der Index der verbotenen Bücher II, 535.

  • Autor/in

    van Slee.
  • Zitierweise

    Slee, Jacob Cornelis van, "Neercassel, Johann van" in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 366-368 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd104112891.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA