Lebensdaten
1651 – 1710
Geburtsort
Niederkleen bei Gießen
Sterbeort
Gießen
Beruf/Funktion
Jurist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 100868878 | OGND | VIAF: 22493085
Namensvarianten
  • Hertius, Johann Nikolaus
  • Hert, Johann Nikolaus
  • Hertz, Johann Nikolaus
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Zitierweise

Hert, Johann Nikolaus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100868878.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V David (1618–86), Pfarrer in N., S d. Pfarrers Jakob in Wetzlar u. d. Sabine Groß aus Kirchhain;
    M Cath. Margarete (1625–1720), T d. Pfarrers Phil. Stipp in N. u. d. Anna Echzell;
    Ur-Groß-Ov Ludw. Landau ( 1588), Abt zu Hersfeld (seit 1571);
    B Joh. Christoph (1649–1731), hess., fuld u. kurmainz. Leibarzt, zuletzt Prof. d. Med. in G.;
    Vt Ludwig Ernst (1677–1732), Dr. iur., Advokat u. Prokurator am Reichskammergericht;
    - 1) Gießen 1.5.1685 Anna Marg. (1667–93), T d. nassau-weilburg. Amtmanns Ludw. Antoni in N. (S d. Gottfr. Anton, 1571–1618, Prof. d. Rechte in G., s. ADB I), u. d. Christine Sophie Plebanus, 2) ebd. 8.5.1695 Anna Lukretia, Wwe d. Michael Heiland (1624–93), Prof. d. Med. in G., T d. Dr. med. Joh. Phil. Gießwein, Univ.apotheker in G., dann Arzt in Butzbach;
    2 S, 1 T aus 1), u. a. Joh. Jeremias (1689–1750), Reg.- u. Konsistorialrat in G., Hrsg. d. Werke H.s, 3 T aus 2), u. a. Marie Christine ( Sebastian Masson, 1689–1739, Prof. d. Philos. in G.);
    N Gotthard Joh. (1708–66), Advokat u. Prokurator am Reichskammergericht.

  • Biographie

    H. studierte seit 1667 an der Universität Gießen zunächst Philosophie, die „schönen Künste“ und schließlich Rechtswissenschaft. 1672-75 besuchte er die Universitäten Jena, Leipzig und Wittenberg. In Gießen erwarb er 1676|dem Titel eines Lizentiaten der Rechte. Anschließend war er Advokat an der fürstlichen Kanzlei in Gießen. Daneben hielt er Vorlesungen in juristischen und politischen Fächern an der Universität. Die darmstädt. Landesregentin, Elisabeth Dorothea, veranlaßte, daß H. 1683 ordentlicher Professor für Staatslehre wurde und wenig später eine außerordentliche Professur in der juristischen Fakultät erhielt. H. promovierte 1686 zum Doktor der Rechte, war 1702 Dekan und 1710 Rat und Kanzler an der Universität Gießen. Daneben war er längere Zeit Beisitzer im Samtrevisionsgericht. Berufungen nach Straßburg, Schweden und Leipzig schlug er aus. Kurz vor seinem Tode erhielt er einen Ruf an die Universität Halle als Geheime(r) Rat und Kanzler.

    H. gehörte der Epoche des Naturrechts an, die besonders auch durch die Wiederbelebung des deutschen Rechts gekennzeichnet ist. Zunächst Schüler des Gießener Gelehrten Johann Georg Tabor, der ein leidenschaftlicher Gegner Hermann Conrings war, wurde H. bald ein Anhänger Conrings und seiner Lehre. Die Forderung Conrings: „Wir brauchen neue Gesetze und deutsche Gesetze“, wies H. den Weg zu seinem wissenschaftlichen Wirken. So versuchte er, den entsprechenden Kräften seiner Zeit folgend, die überlieferte Dogmatik des römischen Rechts zu überwinden. Wie sein Zeitgenosse Johann Schilter war er bemüht, der romanistischen eine gleichwertige germanistische Rechtswissenschaft gegenüberzustellen. Dementsprechend befassen sich H.s Schriften überwiegend mit deutschen Rechtsquellen. Aus der geistigen Begegnung mit Conring versteht sich sein Werk „Specimen prudentiae civilis“ (Gießen 1679), das er 1689 zu den „Elementa prudentiae civilis, ad fundamenta solidioris doctrinae iacienda“ umarbeitete (weitere Auflagen 1703 u. 1712). Seine „Dissertatio de collisione legum“ (1688) hat in jüngster Zeit Günter Herrmann zu Recht als ein Hauptzeugnis der deutschen Statutenlehre erkannt. H.s bedeutendste Arbeit, die auch heute noch eine wertvolle Quelle für die Sprachforschung und die deutsche Rechtswissenschaft ist, ist die von ihm kommentierte Sammlung von 196 juristischen Sprichwörtern und Redensarten (Paroemiae iuris germanici libri III; paroemiarium iuris germanici Epidignis).

  • Werke

    Weitere W u. a. Commentationes atque opuscula, 2 Bde., Frankfurt/M. 1700/13, ²1716 (II besorgt durch Joh. Jeremias Hertius [S], 66 Schrr., in II auch Paroemiae iuris germanici), Neuaufl. durch J. J. Hombergk, ebd. 1737 (unter Verwertung hs. Nachträge H.s).

  • Literatur

    ADB XII;
    J. G. Estor, Notitia auctorum iuridicorum. Marburg 1748;
    J. St. Pütter, Lit. d. Teutschen Staatsrechts I, Göttingen 1776;
    F. v. Holtzendorff, Rechtslex. II, 1880;
    J. F. v. Schulte, Die Gesch. d. Qu. u. Lit. d. kanon. Rechts v. Gratian bis auf d. Gegenwart III, 1880;
    Stintzing-Landsberg 3, 1;
    E. Döhring, Gesch. d. dt. Rechtspflege seit 1500, 1953;
    G. Herrmann, J. N. H. u. d. dt. Statutenlehre, in: Neue Kölner Rechtswiss. Abhh. 25, 1963;
    Strieder V (vollst. W-Verz.).

  • Autor/in

    Wolfgang Sellert
  • Zitierweise

    Sellert, Wolfgang, "Hert, Johann Nikolaus" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 700-701 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100868878.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Hertius: Johann Nikolaus H. (Hert, Hertz), einer der bedeutendsten Rechtsgelehrten des 17. Jahrh., wurde am 6. Octbr. 1652 zu Niederklee unweit Gießen, wo sein Vater Prediger war, geboren. Theils von diesem, theils durch Privatlehrer und dann (1664) im Pädagogium zu Gießen für die gelehrten Studien vorbereiter, wurde er 1667 daselbst unter die akademischen Bürger aufgenommen und widmete sich zuerst dem Studium der Philosophie und schönen Künste und dann erst der Rechtsgelehrsamkeit. In den Jahren 1672—75 besuchte er die Universitäten Jena, Leipzig und Wittenberg, kehrte aber zu Anfang 1676 nach Gießen zurück und erwarb sich daselbst noch in demselben Jahre durch die Vertheidigung seiner Dissertation „De herede. occisi vindice“ den Ehrentitel eines Licentiaten der Rechte. Hierauf übernahm er eine Advocatur bei der fürstlichen Canzlei zu Gießen, hielt Vorlesungen in juridischen und politischen Fächern und verfaßte verschiedene philosophische und juristische Disputationen und Tractate. In Folge dieser gelehrten Bemühungen erhielt er 1683 auf Befehl der darmstädtischen Landesregentin, Elisabeth Dorothea, die ordentliche Professur der Staatslehre und bald darauf eine außerordentliche der Jurisprudenz, wurde 1686 Doctor der Rechte und unter die ordentlichen Professoren aufgenommen, worauf er 1702 zur obersten Stelle der Juristenfacultät aufrückte.|Bald hernach wurde ihm ein Assessorat bei dem hessischen Sammtrevisionsgerichte und die Inspection über den academischen Fiscus übertragen, so wie er am 26. Febr. 1710 mit der Kanzlerwürde der Universität, auch in demselben Jahre (nicht schon 1707) mit dem Charakter eines landgräflichen Rathes beehrt wurde. Auch auswärts wurden seine Verdienste anerkannt; 1709 wurde ihm vom Könige von Frankreich die Professur des Staatsrechts in Straßburg mit einem außerordentlichen Jahrgelde angeboten, ebenso wünschte ihn Schweden, nicht minder auch die Leipziger Universität in ihre Dienste, doch schlug er aus Anhänglichkeit an seine Heimath diese wie andere Anerbietungen aus. Noch wenige Stunden vor seinem Tode, der am 19. Septbr. 1710 zu Gießen erfolgte, wurde er durch ein Schreiben aus Berlin eingeladen, die Stelle eines preußischen wirklichen Geheimen Rathes und Kanzlers zu übernehmen. Sein Wahlspruch war: „Interest hominis hominem beneficio afficere“, Ueber sein eheliches Kreuz und Ungemach vgl. Jugler S. 136 und Allgem. Deutsche Bibliothek XLIV, 44.

    H. stellt sich in seinen Schriften, die übrigens nach der Sitte seiner Zeit fast sämmtlich in lateinischer Sprache verfaßt sind (ihre Anzahl beläuft sich auf 83 Stücke, außer mehreren hinterlassenen Handschriften) als ein deutscher Gelehrter der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. dar, dem nur wenige seiner Zeitgenossen an die Seite gesetzt werden können und seine Werke werden bei ihrer vorzüglichen auf den Quellen beruhenden Gründlichkeit den Werth der Brauchbarkeit nicht leicht verlieren. Leibnitz schon schrieb von ihm (Epist. ad diversos III, 249. Kortholt) „Hertius multam certe omnigenae doctrinae copiam cum insigni juris peritia conjunxerat, sed plerumque tum demum homines nostra agnoscimus bona. cum amisimus“ und diesem Urtheile trat G. J. R. Pütter in seiner Literatur des Staatsrechts I, 256 bei. Mit der umfassendsten Kenntniß der Rechtsgelehrsamkeit verband er die der Philosophie und Geschichte. Viele seiner Schriften enthalten schätzbare Erklärungen deutscher Alterthümer, des Staats- und Lehnrechts, die übrigen aber Betrachtungen über die bürgerlichen oder natürlichen Gesetze. Unter diesen sind besonders hervorzuheben: „Elementa prudentiae civilis“. 1703. 1712, zuerst erschienen als „Specimen prud. civil.“ 1689: „Tract. jur. publ. de Statuum imper. G. jure reformandi juxta tempor. seriem ...“ 1710. 1726 (in deutscher Sprache); „Responsa et Consilia cum deduct. nonnullis“. 1729—30. 2 Bde. Fol. (herausgegeben von seinem Sohne Joh. Jorem. H,) und „Comment. atque Opuscula“. Fref. 1700. 1713 ed. nov. ed. J. J. Hombergk ibidem, ebenda, ebendort 1737, 2 Voll. 4. Diese letzteren enthalten u. a. auch in Vol. II. in drei Büchern eine für den deutschen Sprachforscher sehr schätzbare Sammlung von deutschen zugleich frei ins Lateinische übersetzten Sprichwörtern, deren erstes Buch außer den Prolegomena (p. 252—255) 120 Sprichwörter des Privatrechtes (p. 255—388), das zweite (p. 389—409) 24 des öffentlichen und Feudalrechtes und (einzeln bereits 1685 erschienen?) das dritte (p. 410—422) 8 Sprichwörter der gesammten Jurisprudenz erklärt. Hieran schließen sich noch an als „Epidipnis“, als Nachtisch, Dessert (p. 423—463) 44 vermischte Sprichwörter aus dem Privat- und öffentlichen Rechte (zuerst erschienen als akadem. Dissertation. Gießen 1689. 4.) und (p. 464—473) „Paroemiarum conspectus“ — im Ganzen eine Sammlung von 196 juridischen Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten, die unbedingt zu den werthvollsten gezählt zu werden verdienen, welche das Ende des 17. und der Beginn des 18. Jahrh. erzeugt hat. Ihr Werth beruht nicht sowohl in der Seltenheit der einzelnen Sprichwörter, als in der überaus fleißigen und gründlichen Erklärung, wozu H. zahlreiche ältere Schriften aus allen Theilen der Gelehrsamkeit benutzt hat. Zerstreut finden sich in diesen Comm. atque Opusc. außerdem noch 13 juridische Sprichwörter in lateinischer, deutscher und französischer Sprache. Unter seinem Vorsitze|endlich — wenn er nicht selbst, was in jener Blüthezeit der akademischen Dissertationen und Disputationen (vgl. Arn. Moritz Holtermann) nicht ungewöhnlich, der Verfasser der Schrift ist; wenigstens ist er dieses bei einer anderen Dissertation des Respondenten Friderici „de judicio revisorio“ 1686, und bei einer sogleich zu erwähnenden proverbialen Abhandlung — vertheidigte G. H. Haßlocher seine Schrift vom J. 1698 unter dem Titel: „Satura paroemiarum jur. german. nova“ (55 Sprüchwörter). Diese durchaus in Hertischem Geiste abgefaßte Abhandlung bietet außerdem noch dadurch ein besonderes Interesse, weil der Verfasser hier, zuerst in jener Zeit, die niederdeutsche Ausgabe der Sprüchwörter Agricola's benutzt hat; die bezüglichen Stellen finden sich, die erste in Par. I. „Wy hebbent, also vunden, wy mothent oick also blieven laten“. Prov. 232, die zweite in Par. LIII. als „proverbium 136. Börge schalmen wörgen“. Ueber die Persönlichkeit Haßlocher's ist nichts weiter bekannt, als daß er, aus Speyer gebürtig, der dortigen Rathsherrnfamilie angehörte, aus welcher auch Joh. Adam Haßlocher (Bd. XI. S. 22) entsprang. Ebenso vertheidigte unter Hert's Präsidium J. Reinh. Reysius 1699 seine Dissertation: „Epidipnides Paroem. jur. priv. et publ. german.“ (37 Sprüchwörter) und wiederum Sim. Tob. Wölcker Noribergensis unter demselben Schilde, 1710, eine Schrift über denselben Gegenstand (44 Sprüchwörter), die er zwar auf dem Titel als die seinige ausgibt, während sie augenscheinlich als eine Arbeit des Präses sich herausstellt. Obgleich es schon damals ein offenes Geheimniß war, daß die Verfasser solcher Dissertationen gar oft mit fremden Kälbern pflügten, so kennzeichnet es doch, wie hier, die Naivität der damaligen Zeit, daß der Dissertator seine Arbeit „studiorum fructum“ dem Vater pietätsvoll mit den Worten zu Füßen legt „interim aliquod tibi cultus mei documentum exhibiturus, exercitationem hanc academicam ea qua filium decet reverentia consecro ...“, während auf der unmittelbar folgenden Seite der Schrift diese von dem Präfes Hertius in deutlichen Worten als von ihm selbst verfaßt angesprochen wird. Als ein Supplement zu den Hert’schen Paroemien, sowie zugleich zu dem von G. Tob. Pistorius verfaßten Thesaurus paroem. juridic. (1715) erläuterte Philipp Jacob Diebold in seiner Dissertation „Paroem. jur. german.“ Argentor. 1722 sieben juridische Sprichwörter. Unter späteren Schriften, abgesehen von jenen, in denen nur einzelne Rechtssprüchwörter erklärt werden, sind bis auf die neueste Zeit die wichtigsten: J. A. Th. Kindius, Dissert. de jurispr. Germ. paroem. (1776); Sachsze in Beseler's Zeitschrift für deutsches Recht (Tübingen 1856); J. H. Hillebrand, Deutsche Rechtssprüchwörter (1858) und: Die Rechtssprüchwörter von Graf und Dietherr (2. Ausg. 1869).

    • Literatur

      Jugler, Beitr. zur jurst. Biographie V, 131—152 (mit Verzeichniß sämmtl. Schriften). Strieder. Hessische Gelehrten-Geschichte V, 490—512 (nach Jugler, jedoch mit Zusätzen und Verbesserungen). J. B. Majus, narrat. rerum. p. 84. Observatt, select. Halenses IV. 188—232. Acta Erud. 1741, 348. Allgem. Deutsche Bibliothek XLIV, 404. Jöcher.

  • Autor/in

    J. Franck.
  • Zitierweise

    Franck, Jakob, "Hert, Johann Nikolaus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880), S. 239-241 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100868878.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA