Lebensdaten
1913 – 1945
Geburtsort
Tübingen
Sterbeort
Bad Tölz
Beruf/Funktion
SS-Offizier
Konfession
vermutlich evangelisch, später „gottgläubig“
Normdaten
GND: 119430169 | OGND | VIAF: 821715
Namensvarianten
  • Dannecker, Theodor
  • Dannecker, Theo

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Dannecker, Theodor, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119430169.html [19.04.2024].

CC0

  • Theodor Dannecker gehörte seit 1937 zu den engsten Mitarbeitern Adolf Eichmanns (1906–1962) und war an allen Phasen der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden während des Zweiten Weltkriegs zentral beteiligt. In Frankreich, Bulgarien, Italien und Ungarn eingesetzt, organisierte er systematisch die Verhaftung und Deportation der dortigen jüdischen Bevölkerung.

    Lebensdaten

    Geboren am 27. März 1913 in Tübingen
    Gestorben am 10. Dezember 1945 (Suizid) in Bad Tölz
    Grabstätte Friedhof in Bad Tölz
    Konfession vermutlich evangelisch, später „gottgläubig“
    Theodor Dannecker (InC)
    Theodor Dannecker (InC)
  • Lebenslauf

    27. März 1913 - Tübingen

    1919 - 1928 - Tübingen

    Schulbesuch (Abschluss: Mittlere Reife)

    Realschule, zuvor Gymnasium

    1928 - 1930 - Reutlingen

    Kaufmännische Ausbildung

    Höhere Handelsschule

    1932 - 1934 - Stuttgart

    Kaufmännische Lehre

    Firma Müller & Schweizer

    1932

    Eintritt

    NSDAP

    1932

    Eintritt (zuletzt 1942 SS-Hauptsturmführer)

    SS

    1934 - 1934 - Ellwangen (Württemberg)

    Angehöriger der SS-Verfügungstruppe

    1934 - 1935 - Berlin; Oranienburg

    Wachmann

    KZ Columbia

    1935 - 1937 - Stuttgart

    „Judenreferent“

    SD-Oberabschnitt Südwest

    1937 - 1939 - Berlin

    Mitarbeiter im „Judenreferat“

    SD-Hauptamt (II 112)

    1939 - 1940 - Berlin

    Mitarbeiter im „Judenreferat“ (IV D 4, später: IV B 4)

    Reichssicherheitshauptamt

    1940 - 1942 - Paris

    Berater für „Judenfragen“

    Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Frankreich

    1943 - 1943 - Sofia (Bulgarien)

    Berater für „Judenfragen“

    Deutsche Gesandtschaft

    1943 - 1944 - Italien

    Leiter eines Einsatzkommandos zur Verhaftung der italienischen Juden

    1944 - 1944 - Ungarn

    Angehöriger des Sondereinsatzkommandos Eichmann

    1945 - Bad Tölz

    Verhaftung und Suizid

    10. Dezember 1945 (Suizid) - Bad Tölz
  • Genealogie

    Vater Carl Dannecker 1883–1918 Inhaber eines Herrenartikelgeschäfts in Tübingen
    Großvater väterlicherseits Karl August Dannecker 1849–1897 Fabrikant in Kirchheim/Teck
    Großmutter väterlicherseits Lina Dannecker, geb. Schmidt 1857–1923
    Mutter Luise Christine Dannecker, geb. Rauhe 1884–1939 nach dem Tod ihres Mannes Geschäftsführerin des Herrenartikelgeschäfts in Tübingen
    Großvater mütterlicherseits Michael Samuel Oskar Karl Rauhe 1847–1902 Eisenbahnkonduktor
    Großmutter mütterlicherseits Wilhelmine Christine Rauhe, geb. Beck 1849–1936
    Bruder Carl Dannecker geb. 1902
    Heirat 9.7.1941 in Berlin
    Ehefrau Ilse Dannecker, geb. Warneck 1918–2012 Stenotypistin
    Schwiegervater Hans Warneck geb. 1882 Dr. phil.; Oberstudiendirektor am Luisen-Oberlyzeum in Berlin
    Schwiegermutter Margarete Warneck, geb. Bley 1884–1941
    Sohn Theodor-Karl Dannecker 1942–1945 gestorben beim Versuch Ilse Danneckers, sich und ihre beiden Söhne zu töten
    Sohn N. N.
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Dannecker, Theodor (1913 – 1945)

    • Vater

      Carl Dannecker

      1883–1918

      Inhaber eines Herrenartikelgeschäfts in Tübingen

      • Großvater väterlicherseits

        Karl August Dannecker

        1849–1897

        Fabrikant in Kirchheim/Teck

      • Großmutter väterlicherseits

        Lina Dannecker

        1857–1923

    • Mutter

      Luise Christine Dannecker

      1884–1939

      nach dem Tod ihres Mannes Geschäftsführerin des Herrenartikelgeschäfts in Tübingen

      • Großvater mütterlicherseits

        Michael Samuel Oskar Karl Rauhe

        1847–1902

        Eisenbahnkonduktor

      • Großmutter mütterlicherseits

        Wilhelmine Christine Rauhe

        1849–1936

    • Bruder

      Carl Dannecker

      geb. 1902

    • Heirat

      in

      Berlin

      • Ehefrau

        Ilse Dannecker

        1918–2012

        Stenotypistin

  • Biografie

    Dannecker wuchs in bürgerlichen Verhältnissen in Tübingen auf, wo er nach dem Tod des Vaters infolge einer Kriegsverletzung von seiner Mutter erzogen wurde. Nach Erreichen der Mittleren Reife besuchte er von 1928 bis 1930 die Höhere Handelsschule in Reutlingen und begann 1932 in Stuttgart eine kaufmännische Lehre (Fachbereich Textilwirtschaft). Sein Eintritt in die SS im Juni 1932 sowie kurze Zeit später in die NSDAP war v. a. wirtschaftlich motiviert, Dannecker hatte zuvor den Niedergang des elterlichen Bekleidungsgeschäfts miterlebt. Nach Abschluss der Lehre kam er im Mai 1934 als SS-Anwärter zur Politischen Bereitschaft in Ellwangen (Württemberg) und wurde im selben Jahr als Wachmann in das KZ Columbia nach Berlin versetzt. Im Mai 1935 wurde er wegen Trunkenheit im Dienst und Urkundenfälschung entlassen, nachdem er im Wachbuch Kontrollgänge vermerkte, die er nicht durchgeführt hatte.

    Im Juni 1935 kam Dannecker zum Oberabschnitt Südwest des Sicherheitsdiensts des Reichsführers-SS (SD) in Stuttgart. Spätestens seit 1936 war er im dortigen „Judenreferat“ tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die Überwachung jüdischer Vereinigungen, die Registrierung der jüdischen Bevölkerung sowie die Berichterstattung an das Berliner SD-Hauptamt, in dessen „Judenreferat“ (II 112) er im März 1937 versetzt wurde. Hier arbeitete Dannecker mit Adolf Eichmann (1906–1962) an der wirtschaftlichen Verdrängung der Juden aus dem öffentlichen Leben und ihrer beschleunigten Auswanderung aus Deutschland. Im März 1938 sprach er sich in einem an den Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich (1904–1942), gerichteten Memorandum für eine „außenpolitische Lösung der Judenfrage“ aus.

    Seit September 1939 war Dannecker Mitarbeiter des von Eichmann geleiteten „Judenreferats“ (IV B 4) im neu geschaffenen Reichssicherheitshauptamt (RSHA), das Sicherheitsdienst, Geheime Staatspolizei und Kriminalpolizei unter einem Dach vereinte. Im Oktober 1939 war er an der Deportation von etwa 3 000 Juden aus Mährisch-Ostrau und Wien nach Nisko am San in Polen beteiligt, wo nach Vorstellung der RSHA-Führung ein zentrales „Judenreservat“ geschaffen werden sollte.

    1940 wirkte Dannecker an der Ausarbeitung des von der NS-Führung kurzzeitig verfolgten Plans mit, die europäischen Juden auf die afrikanische Insel Madagaskar zu deportieren („Madagaskarplan“). Im September 1940 wurde er als „Berater für Judenfragen“ nach Paris entsandt. Er gehörte damit zu einer kleinen Gruppe von SS-Offizieren, die unter Eichmanns Führung Druck auf die Regierungen deutsch besetzter oder mit dem NS-Staat verbündeter Länder ausübten, die in Deutschland ergriffenen antijüdischen Maßnahmen zu übernehmen und die Verhaftung, Internierung und Deportation der Juden anzuordnen.

    In Frankreich sorgte Dannecker innerhalb von zwei Jahren dafür, dass etwa 42 000 Juden in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden. Nach einem Zerwürfnis mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei für das besetzte Frankreich, Helmut Knochen (1910–2003), wurde er im Januar 1943 als „Judenberater“ nach Sofia (Bulgarien) entsandt, wo er bei der bulgarischen Regierung die Deportation von 11 000 in Makedonien und Thrakien lebenden Juden erreichte. Im Oktober 1943 übernahm Dannecker die Leitung eines mobilen Einsatzkommandos, das mit der Verhaftung und Deportation der in Italien lebenden Juden beauftragt wurde. Bis zu Danneckers Abberufung im Januar 1944 wurden etwa 3500 Juden aus Rom und Norditalien deportiert.

    Nach der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 war Dannecker Teil des „Sondereinsatzkommandos Eichmann“, das innerhalb weniger Monate die Verhaftung von mehr als 400 000 Juden und deren Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau organisierte. Kurz vor der Eroberung der ungarischen Hauptstadt durch die Rote Armee verließen Dannecker und Eichmann im Dezember 1944 Budapest und kehrten nach Berlin zurück. Gegen Kriegsende in Süddeutschland untergetaucht, wurde er im Dezember 1945 von Angehörigen des US-amerikanischen Geheimdiensts in Bad Tölz festgenommen. Am 10. Dezember 1945 beging er im dortigen Gefängnis Suizid.

  • Auszeichnungen

  • Quellen

    Nachlass:

    nicht bekannt.

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, Bestand BDC (Personalakten); NS 19 (Persönlicher Stab Reichsführer-SS); NS 33 (SS-Führungshauptamt); R 58 (Reichssicherheitshauptamt); R 70 (Deutsche Parteidienststellen).

    Bundesarchiv, Außenstelle Ludwigsburg, 104 AR-Z 1670/61 (Verfahren der Staatsanwaltschaft Köln gegen Werner Best, Kurt Lischka, Herbert Hagen u. a., Beteiligung an der „Endlösung der Judenfrage“ in Frankreich); VI 104 AR-Z 40/67 (Verfahren der Staatsanwaltschaften Stuttgart und Dortmund gegen Kurt Lischka, Karl Oberg, Helmut Knochen u. a., Erschießung von Geiseln in Frankreich); V 502 AR-Z 59/59 (Verfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen Beckerle, von Hahn u. a., Deportation der bulgarischen Juden); 8 AR-Z 160/59 (Handakte des Landgerichts Frankfurt über Theodor Dannecker); 518 AR-Z 4/6 (Verfahren der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen Friedrich Boßhammer, Verfolgung und Deportation der italienischen Juden); VI 415 AR 1310/63 (Verfahren des Kammergerichts Berlin gegen Friedrich Boßhammer u. a., Verfolgung der italienischen Juden); V 502 AR-Z 60/58 (Verfahren des Landgerichts Frankfurt gegen Krumey, Hunsche u. a., Verfolgung der ungarischen Juden); 502 AR-Z 150/59 (Verfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen Otto Winkelmann u. a., Verfolgung der ungarischen Juden); V 518 AR-Z 954/70 (Prozess gegen Herbert Kappler vor einem italienischen Militärgericht, 1947-48).

    Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Verfahren 4 Js 1017/59 gegen Winkelmann u. a. wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord im Zusammenhang mit der Verfolgung von ungarischen Juden, 186 Aktenbände (Abt. 461, Nr. 32440,1–186); Verfahren gegen Beckerle und von Hahn wegen Verdachts der Beihilfe zum Mord im Zusammenhang mit der Verfolgung der bulgarischen Juden, 227 Aktenordner (Abt. 631a, Nr. 557–784).

    Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin, Akten der Abteilungen Inland II g und Inland II A/B.

    Dépôt Central des Archives de la Justice Militaire, Paris, Dossier Dannecker.

    Centre de Documentation Juive Contemporaine Paris, Akten des BdS Frankreich, des Militärbefehlshabers, des „Judenreferats“ sowie diverse Prozessakten.

    Gedruckte Quellen:

    Recueil de Documents des Autorités Allemandes concernant la Persécution de la Population Juive en France (1940–1944), hg v. Serge Klarsfeld, 10 Bde., 1978.

    Die zwei Stellvertreter Eichmanns in Berlin und Paris: Rolf Günther, SS-Sturmbannführer in Berlin 1940-1945, Theo Dannecker, SS-Hauptsturmführer in Paris 1940-43, in Bulgarien - Italien 1943-1944. Die Deportierung der Juden aus Griechenland und Bulgarien, bearb. v. Tuviah Friedman, hg. v. Institute of Documentation in Israel for the Investigation of Nazi War Crimes (Haifa), 1999. (unsystematisch)

    Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (VEJ), hg. v. Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und dem Bundesarchiv, bisher 15 Bde., 2008–2020.

  • Literatur

    Monografien und Aufsätze:

    Serge Klarsfeld, Vichy-Auschwitz, 2 Bde., 1983–1985.

    Hans-Joachim Lang, Theodor Dannecker. Ein Tübinger Schreibtischtäter im Reichssicherheitshauptamt, in: Benigna Schönhagen (Hg.), Nationalsozialismus in Tübingen, Vorbei und Vergessen 1992, S. 221–239.

    Hans Safrian, Eichmann und seine Gehilfen, 1995.

    Claudia Steur, Theodor Dannecker. Ein Funktionär der „Endlösung“, 1997.

    Magnus Brechtken, „Madagaskar für die Juden“. Antisemitische Idee und politische Praxis 1885–1945, 1998. (Onlineressource)

    Claudia Steur, Eichmanns Emissäre. Die „Judenberater“ in Hitlers Europa, in: Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann (Hg.), Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg: „Heimatfront“ und besetztes Europa, 2000, S. 403–436.

    Richard Breitmann, Dannecker und Kappler in Rom. Neue Quellen zur Oktober-Deportation 1943, in: Jürgen Matthäus/Klaus-Michael Mallmann (Hg.), Deutsche, Juden, Völkermord. Der Holocaust als Geschichte und Gegenwart, 2006, S. 191–204.

    Lexikonartikel:

    Robert Wistrich, Art. „Dannecker, Theodor“, in: ders., Wer war wer im Dritten Reich? Ein biographisches Lexikon, überarb. u. erw. v. Hermann Weiß, 1992, S. 58 f.

    N. N., Art. „Dannecker, Theodor“, in: Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, hg. v. Israel Gutman/Eberhard Jäckel/Peter Longerich/Julius H. Schoeps, Bd. 1, 1995, S. 308 f. (P)

    Eva Rimmele, Art. „Dannecker, Theodor“, in: Hermann Weiß (Hg.), Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, überarb. Neuausg. 2002, S. 80.

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    drei Fotografien, 1941–1943, Abbildungen in: Claudia Steur, Theodor Dannecker. Ein Funktionär der „Endlösung“, 1997, S. 166 f.

  • Autor/in

    Claudia Steur (Berlin)

  • Zitierweise

    Steur, Claudia, „Dannecker, Theodor“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/119430169.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA