Lebensdaten
1774 – 1846
Geburtsort
Meiningen
Beruf/Funktion
Pädagoge
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 119151227 | OGND | VIAF: 35260167
Namensvarianten
  • Türk, Wilhelm von
  • Türk, Wilhelm von
  • Tuerk, Wilhelm
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Porträt(nachweise)

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Türk, Wilhelm von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119151227.html [20.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Türk: Wilhelm v. T., geboren am 8. Januar 1774 in Meiningen, am 30. Juli 1846 in Klein-Glienicke bei Potsdam. Sein Vater, ein geborener Kurländer, stand in Sachsen-Meiningenschem Dienst und bekleidete zuletzt die Stelle eines Kammerpräsidenten; die Mutter, eine Freiin v. Bibra aus Irmelshausen in Franken, war eine fromme Frau von gebildetem Geist, eine treffliche Mutter, die jedoch der Knabe leider in seinem sechsten Jahr schon verlor; doch war der Abschied, den sie von ihm nahm, sowie ihre Beisetzung in der Familiengruft in Irmelshausen, welcher er beiwohnte, von unauslöschlichem Eindruck für ihn. Von klein auf kränklich, scrophulös, wiederholt schmerzhaften Operationen ausgesetzt, war er nie aus der Obhut der Mutter und der Kinderstube oder der „Schmerzenskammer“, wie er sie nannte, herausgekommen. Die beschränkten Verhältnisse des Vaters, welcher nun aufs Schloß zog und dort auch beköstigt wurde, verboten die Fortführung des Hausstandes, so daß die Kinder unter Verwandte vertheilt wurden. Wilhelm kam in das Haus seines Onkels, des Oberjägermeisters v. Bibra in Hildburghausen, um dort mit einem gleichaltrigen Netter erzogen zu werden. Elend, mit eiternden Wunden, langte er todkrank dort an. Der Tante, einer geborenen v. Marschall, gelang es bald, ihn durch rationelle Pflege, wenn auch nicht kräftig und gesund, so doch fürs Leben brauchbar zu machen; und bald hing er an seinen vortrefflichen Pflegeeltern wie an seinen eigenen. Er hatte bis dahin nur in der Schule der Freimaurerloge Meiningens buchstabiren gelernt. Unter dem Hauslehrer genoß er nun gründlichen Unterricht in den meisten Fächern, mit Ausnahme des Griechischen und der Mathematik, so daß er 1791, mit 17 Jahren, die Universität Jena beziehen konnte. Trotz der in einfachen Grenzen, aber unbeschränkt geübten Gastfreundschaft im Bibra’schen Hause, war das Leben der Kinder ein ganz zurückgezogenes und strenges gewesen, so daß T. völlig schüchtern und ungelenk ins Leben trat. An dem Tage seiner Confirmation — dieselbe fand in der Kirche über der Familiengruft, in der seine Mutter ruhte, statt — hatte er seinen ersten Spaziergang allein machen dürfen. Auf der Universität fand er einen älteren, sehr verständigen Bruder von sich vor, und diesem, sowie den beiden Brüdern v. Bassewitz und Hardenberg, unter dem Namen Novalis bekannt, schloß er sich besonders an. Er studirte Jura, und konnte sich Ostern 1793 bereits in Meiningen zur Prüfung und Anstellung dort melden. Ersten bestand er auch durchaus gut, mußte aber auf die Anstellung verzichten, „weil es sich nicht mit den Gepflogenheiten vertrug, ihn da unterzubringen, wo sein Vater Präsident der Kammer und sein Bruder Mitglied der Regierung sei“. So stand er rathlos, ohne Vermögen, ohne Verbindungen und Ausficht da. Ein Versuch, in preußische Dienste zu kommen, mißlang, so daß er den Entschluß faßte, Kaufmann zu werden. Auf der Universität hatte er sich dem Spiel mit wahrer Leidenschaft hingegeben, das aber statt verhängnißvoll für ihn zu werden, zu seinem Glück umschlug. Während er sich zur Prüfung bei seinem Vater in Meiningen aufhielt und in der Zeit einer Einladung seiner Pflegeeltern nach Hildburghausen folgte, befand sich der Vater der regierenden Herzogin, Prinz Karl von Mecklenburg, dort zum Besuch, welcher gewohnt war, jeden Abend l'hombre zu spielen. Nun war plötzlich der dritte Mann erkrankt und man berief, da kein Ersatz aufzutreiben, den jungen T. dazu, obgleich derselbe noch nicht bei Hofe vorgestellt war. Er löste seine Aufgabe eine Woche lang zu voller Zufriedenheit, als der regierende Herzog Adolf Friedrich IV. von Mecklenburg-Strelitz kinderlos starb und Prinz Karl als sein Nachfolger zur Regierung zurückgerufen wurde. Wohlwollend, wie er sich gegen T. gezeigt hatte, bot er ihm eine Stelle an seinem Hofe an, dieser griff zu und erhielt am 4. Juni 1794 seine Bestallung als Auditor der Justizcanzlei und Kammerjunker, wie an kleinen Höfen immer Hof- und Staatsämter verbunden waren. Die juristische Arbeit sagte ihm mehr zu als das Hofamt, für das ihm das Geschick fehlte; doch brachte es diese Stellung mit sich, daß er täglich von 5 oder 6 bis 9 Uhr l'hombre oder Whist spielen mußte. Seine freie Zeit benutzte er aber zu strengsten Studien aller möglichen Fächer, bildete sich besonders in Sprachen, trieb Mineralogie, Entomologie, auch Musik und Malerei, und begann sich um das Schulwesen eingehend zu kümmern, da ihm die Mängel in der herrschenden Unterrichtsmethode zum Bewußtsein kamen. Er benutzte seine Reisen, um Gotha, Schnepfenthal, Yverdun und andere Orte zu besuchen, knüpfte mit Pestalozzi besondere Freundschaft, legte den Schwerpunkt seines Interesses mehr und mehr darauf und schrieb sein erstes Werkchen: „Ueber Schul- und Unterrichtsanstalten mit vorzüglicher Rücksicht auf Mecklenburg“. Die Nothwendigkeit, dort während seiner Stellung elf Jahre lang allabendlich Karten spielen zu müssen, hatte ihn aber nicht nur von seiner Leidenschaft geheilt, sondern diente besonders dazu, die Sehnsucht nach einer Veränderung in ihm rege zu machen. Nachdem er während einer Sommerreise in Yverdun bei Pestalozzi selbst unterrichtet und die Anstalt eingehend studirt hatte, kam er nach seiner Rückkehr um seine Entlassung aus mecklenburgischem Dienst ein. Als Grund gab er der Wahrheit gemäß seine bevorstehende Heirath mit der Tochter des preußischen Geh. Raths v. Buch auf Stolp a. O. an und die Unmöglichkeit, mit seinen Mitteln seine Frau an den Hof führen zu können. Er nahm darauf die Stellung eines Justiz- und Consistorialraths in Oldenburg an und benutzte die zwei Monate, welche er dazwischen verbringen mußte, in Oldenburg im Hause eines befreundeten Raths, eine Zahl von Schülern um sich zu sammeln, die er mit Hülfe eines in Yverdun gebildeten Lehrers nach dortigen Grundsätzen unterrichtete. Seine Methode machte Aufsehen. Die kleine Anstalt vergrößerte sich, mit ihr aber auch der Neid und das Uebelwollen der Lehrer und Anstalten, die sich dadurch geschädigt glaubten. Bald darauf wurde Oldenburg durch holländische Truppen occupirt, es traten für T. durch die Einquartierungs- und andere Lasten pecuniäre Sorgen ein und er beschloß, nach kaum zwei Jahren, dasselbe wieder zu verlassen, den Staatsdienst zu quittiren, nach Yverdun zu übersiedeln und ganz dem Erziehungsfach|zu leben. Das Einverständniß der Eltern der meisten seiner bisherigen Zöglinge, welche ihm dahin folgten und zwar die Pestalozzi’sche Anstalt besuchten, aber seine Pensionäre blieben, sicherte ihm zunächst seine Existenz. Im Juni 1808 langte die Karawane in der Schweiz an, und T. selbst übernahm sofort den Unterricht in Sprachen und Naturwissenschaften in den oberen, Denk- und Sprechübungen in den Elementarclassen. Zwei Werke schrieb er dort, „Die finnlichen Wahrnehmungen“ und „Die Erscheinungen in der Natur“, letztere durch die Ferienausflüge veranlaßt, in denen er mit seinen Zöglingen zu Fuß die ganze Schweiz durchstreifte. Daneben trieb er eifrig Mathematik und legte den Grund zu seinem später erscheinenden „Leitfaden zum Unterricht der Formen- und Größenlehre“. Spaltungen in der Pestalozzi’schen Anstalt, an denen T. keinen Theil hatte, verleideten ihm aber mit der Zeit den Aufenthalt in derselben, und so siedelte er 1811 nach Vevey über und gründete in einem ihm von der Regierung überlassenen alten Schloß eine eigene Erziehungsanstalt und Schule. Seine großen Erfolge auch hier hatten ihn bald wieder mit seiner Familie versöhnt, welche ihm das Aufgeben des Staatsdienstes sehr verübelt hatte, und so hielt er sein Gelübde, nicht eher in denselben zurückzutreten, ehe Europa nicht das Napoleonische Joch abgeschüttelt hätte, bis ihn 1813 die Nachricht der Schlacht von Leipzig erreichte und er dann sofort seine Kräfte Preußen, welches seine ganze Sympathie besaß, für das Fach der Volksschule zu Diensten stellte. Vielfache Correspondenzen mit dem Minister Stein und dem Staatsrath Nicolovius zogen seine Anstellung hin, und im März 1815, gerade als Napoleon Elba verlassen hatte und neuer Krieg drohte, berief die Regierung T. als Stadtschulrath nach Frankfurt a. O. mit 1000 Thlr. Gehalt, welchem Ruf er sofort nachkam. Eine Fülle von Arbeit wartete seiner, aber den Ernst seiner Bestrebungen erkennt man daraus, daß er sofort einen Cursus für 16 Schullehrer des Kreises eröffnete, die er selbst im Rechnen unterrichtete, weil er sie darin und besonders in der Methode für ungenügend befand, und daß er den Erlös des zuerst nur für sie geschriebenen, später in den Schulen eingeführten „Leitfadens“ zum Grundstock einer von ihm gegründeten Stiftung für Lehrer-Wittwen und -Waisen bestimmte, die sich unter sichtlichem Segen erweiterte. Die Regierung, deren besonderer Aufmerksamkeit er sich erfreute, berief ihn schon nach zwei Jahren in ebensolche Stellung nach Potsdam, wo sein Studiengenosse, Herr v. Bassewitz, als Regierungspräsident sein unmittelbarer Vorgesetzter wurde. Nur die Nähe des Freundes söhnte ihn zuerst mit diesem Tausch aus. Die Last der Arbeit war verdoppelt. Die Inspection sämmtlicher Schulen im Umkreise von 343 Quadratmeilen und die Ausarbeitung eines vollständigen Planes für ein Schullehrerseminar, das auch 1817 ins Leben trat, lag ihm ob. Als die Cholera im J. 1831 in Potsdam hauste, erkrankte auch T. heftig, lag zwei Monate schwer krank und fühlte sich so geschwächt, daß er nur mit größter Anstrengung seinem Beruf, besonders den Reisen, obliegen konnte. So mußte er 1833, früher als sonst wol geschehen, um seine Entlassung einkommen und erhielt unter Anerkennung und Ehren mit vollem Gehalt seinen Abschied. Nun hatte er Muße, seinen Lieblingsneigungen, der gemeinnützigen Thätigkeit zu leben. Dem Seidenbau, den er in Preußen einführen half, gab er in Klein-Glienicke, wo er sich ein altes königliches Jagdschloß gekauft, in das er sich zurückgezogen hatte, eine Stätte. Vorher hatte er in Italien selbst die Kenntnisse dazu gesammelt. Er legte Maulbeerplantagen an, führte italienische Cocons ein und bildete Zöglinge für deren Pflege, sowie für das Haspeln aus, weil man hoffte, damit Landschullehrern vielleicht einen Nebenerwerb zu schaffen. Er half bei Gründung der Friedensgesellschaft, der Berlinischen städtischen Gewerbeschule, der Turn- und Schwimmanstalt in Potsdam, vor allem aber setzte er seine Kraft|an ein Unternehmen, das er 1820 schon mit schwachen Anfängen begonnen hatte und das er noch zu vollster Blüthe brachte, nämlich die Gründung eines Civil-Waisenhauses für Knaben, deren Erziehung durch den Tod des Vaters in Frage gestellt ist, in erster Linie von Geistlichen und Lehrern des Regierungsbezirks Potsdam, sowie der Städte Berlin und Potsdam. Letztere Bestimmung traf er in Rücksicht darauf, daß der Zusammenhang der Verwandten durch regelmäßige Ferienbesuche der Kinder rege bliebe. Je nach ihrem Stande und ihren Lebensplänen sollten sie Gymnasium, Gewerbe- oder höhere Bürgerschule besuchen. Türk's eigene Mittel reichten nicht weit, obgleich er auch hier den Anfang dazu durch den Verkauf seiner theils ererbten, theils erworbenen, von ihm sehr geliebten Sammlung von Oelgemälden legte. Aber voll Gottvertrauen hatte er am Weihnachtstage 1821 die Anstalt mit fünf Zöglingen eröffnet. Die königliche Bestätigung erhielt er erst im Februar 1825 zugleich mit den nöthigen Geldern zur Reparatur des Jagdschlosses und Erwerbung eines größeren Landcomplexes aus der Privatschatulle des Königs. Eine Reihe namhafter Leute stifteten nun Stipendiatenstellen, Legate fielen der Anstalt zu, und schon im J. 1839 schmückten an dem alljährlich gefeierten Stiftungstage die städtischen Behörden Potsdams den Saal der Anstalt mit dem Oelbilde ihres Gründers, den sie bei dieser Gelegenheit zum Ehrenbürger ernannten. Im J. 1844 bereits hatte das Institut sich so vergrößert, daß der Raum nicht mehr ausreichte und für die Hälfte der Zöglinge ein Haus mit geräumigem Garten in der Berliner Vorstadt angekauft wurde, in das sie übersiedelten. Auch in Glienicke wurde die Besitzung von Jahr zu Jahr vergrößert, Weinberg und Baumschule angelegt, Landwirthschaft eingeführt und zu Allem die Thätigkeit der Knaben in den Freistunden in Anspruch genommen. Auch zur Herausgabe verschiedener Bücher fand der unermüdliche Philanthrop noch Zeit. So erschien „der Rochow’sche Kinderfreund“ von ihm neu bearbeitet für Stadt- und Landschulen als Lesebuch, ferner seine „Ansichten und Erfahrungen über Erziehung und Unterricht“ und einige Rathschläge über die Behandlung der Maulbeerbäume und der Seidenraupen. — Am 30. Juli 1846 entschlief T. sanft nach längeren Leiden in Klein-Glienicke und wurde auf dem dortigen Kirchhof, inmitten seiner Schöpfungen, beigesetzt. Seine Anstalt aber, „das Türk’sche Civil-Waisenhaus“, wird heute noch unter dem Namen und im Geiste des Stifters unter Segen fortgeführt.

  • Autor/in

    M. Sydow.
  • Zitierweise

    Sydow, Marie, "Türk, Wilhelm von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 39 (1895), S. 17-20 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119151227.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA