Lebensdaten
1894 – 1981
Geburtsort
Trippstadt (Pfalz)
Sterbeort
Heidelberg
Beruf/Funktion
Jurist
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Weinkauff, Hermann Karl August Jakob
  • Weinkauff, Hermann
  • Weinkauff, Hermann Karl August Jakob
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Zitierweise

Weinkauff, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz139957.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Vermutl. aus westpreuß. Fam., d. in d. Pfalz auswanderte;
    V Karl August (1862–1940), 1921 Oberforstmeister, zuletzt in Heidelberg, S d. Georg August (1828–69), aus Wilgartswiesen (Pfalz), bayer. Oberförster in Schaidt (Pfalz), u. d. Emilie Grohe (* 1828), aus Bergzabern (Pfalz);
    M Amanda (1868–1947/49), T d. Konrad Esslinger ( v. 1893), Weinhändler in Bad Dürkheim, zuletzt in Speyer, u. d. Franziska Schaefer ( n. 1893);
    Ur-Gvv Karl August (* um 1799), bayer. Revierförster in Pirmasens (Pfalz), Ur-Gvm Melchior Grohe (um 1796–n. 1863), bayer. Forstmeister in Kaiserslautern, 1859 Reg.- u. Forstrat;
    Om Karl Esslinger, Kirchenoberrat in Speyer;
    Schw Elisabeth (* 1896, Hermann Berthold, Dr., Chemiker, Spezialist f. synthet. Farben b. d. I. G. Farbenindustrie AG in Mannheim);
    München 1924 Maria Klara (1896–1966, kath.), aus Breslau, T d. Karl Böhnlein, Gärtnereibes. in Fürstenfeldbruck, zuletzt in Karlsruhe;
    2 S Wolfgang (1925–2006), aus München, Dipl.-Ing., Patentanwalt in Frankfurt/M., zuletzt in Clohars-Carnoet (Bretagne), Walter (1926–40);
    E Gina (* 1957), aus Köln, Dr. phil., 2002 Prof. an d. PH Heidelberg;
    Ur-E Sarah (* 1981), Dr. iur., RA;
    Verwandte Franz, Brauerei- u. Brennereibes. in Bad Kreuznach, dessen S Franz (1823–92), klass. Philol., Oberlehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymn. in Köln, Gründer d. Weinkauff-Stiftung, Vf. v. „Homerisches Hdb. f. Gymnasien“, 1868, u. v.Unterss. über d. Dialog d. Tacitus“, 1880 (s. Pökel; Eckstein, Nomenclator).

  • Biographie

    Nach dem Abitur 1912 am Humanistischen Gymnasium Speyer studierte W. 1912–14 Rechtswissenschaft in München (1912 Mitgl. d. Corps Hubertia), leistete von Aug. 1914 bis Nov. 1918 Kriegsdienst (Lt. d. Reserve) und setzte anschließend sein Studium in Heidelberg und Würzburg fort. Nach dem Referendarexamen in Würzburg 1920, dem Referendariat und der 2. jur. Staatsprüfung 1922 als Jahrgangsbester war er 1922 / 23 Gerichtsassessor im bayer. Justizministerium, anschließend Staatsanwalt am Landgericht München; seit 1925 übte er wechselnde Tätigkeiten bei der Reichsanwaltschaft in Leipzig und der Staatsanwaltschaft in München aus. W. war nie Mitglied der NSDAP, aber seit 1934 des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen und der NS-Volkswohlfahrt. 1935 / 36 Hilfsrichter am 3. Strafsenat und 1. Zivilsenat des Reichsgerichts, war er 1937–45 Reichsgerichtsrat in Leipzig. Nach der Flucht im Okt. 1945 aus Leipzig nach Heidelberg reiste er weiter nach München und wurde nach kurzzeitiger Tätigkeit am Amtsgericht Schrobenhausen im Nov. 1945 verhaftet, in Dachau interniert und im Febr. 1946 entlasssen. Von der Spruchkammer III Bamberg-Stadt wurde er 1947 als „nicht betroffen“ eingestuft. Im April 1946 wurde er Präsident des Landgerichts Bamberg, daneben war er 1947–51 Lehrbeauftragter der Phil.-theol. Hochschule Bamberg und 1947–50 Mitglied des Bayer. Verfassungsgerichtshofs in München. Seit 1949 Präsident des OLG Bamberg, amtierte er 1950–60 als erster Präsident des BGH in Karlsruhe. Seit 1946 war er CSU-Mitglied.

    W. vertrat seit 1947 im Kontext des Diskurses um eine sog. Naturrechtsrenaissance als einer der prominentesten Verfechter eine idealistische, theologische, „schwache“ Naturrechtsansicht, die einen neuen Typ Richter erforderte, angelehnt an die Stellung des Richters im anglo-amerik. Rechtsbereich mit der Funktion, Recht durch die Rechtsprechung zu finden, zu entfalten und durchzusetzen. Diese Lehre vertrat er in Reden, Ansprachen und Veröffentlichungen (z. B.: Die Mil.opposition gegen Hitler u. d. Widerstandsrecht, in: Die Vollmacht d. Gewissens, hg. v. d. Europ.

    Publ. e. V., 1956, S. 137–59; Der Naturrechtsgedanke in d. Rechtssprechung d. BGH, in: NJW 1960, S. 1689–96) mit der Intention, dem Rechtsstaat eine Möglichkeit zu eröffnen, sich gegen erneute Bedrohung durch totalitäre Tendenzen zu wehren.

    Bis heute werden W.s Ausführungen und Begründungen für ein naturrechtlich fundiertes Widerstandsrecht als grundlegend bewertet; sie fanden 1968 Eingang in den neugeschaffenen Art. 20 Abs. 4 GG. Als problematisch wird aber die rechtstatsächliche Entfaltung und Anwendung dieser Lehre in der Rechtsprechung des BGH angesehen, da sie aufgrund der subjektivistischen und intuitionalistischen Erkenntnistheorie bei der Erkennung der materialen Werte weder überprüf-| bar noch praktikabel sei, eine gemäß Artt. 20, 28, 79 GG nicht gewollte Verschiebung der Machtbefugnisse von der Legislative zur Judikative zur Folge hätte und außerdem gegen Art. 100 GG verstoße. In der Folge wurden einige unter W.s Präsidentschaft ergangene Entscheidungen und Gutachten des BGH als z. T. verfassungswidrige Auslegungen der Grundrechte heftig kritisiert und vom BVerfG nicht geteilt, so die Anwendung des Gleichheitssatzes Art. 3 GG auf Ehe und Familie (Gutachten d. 1. Zivilsenats d. BGH v. 6. 9. 1953) oder die Entscheidung des Großen Senats des BGH vom 17.–20. 5. 1954 zum übergesetzlichen Selbstbestimmungsrecht eines Volkes.

    W.s. organisatorische Leistung als BGH-Präsident bei der am ehemaligen Reichsgericht orientierten Wiedererrichtung einer obersten zivil- und strafrechtlichen Revisionsinstanz wurde positiv gewürdigt, kritisiert wurde die von W. mitbeeinflußte Auswahl von NS-belasteten Richtern. 1955–59 war W. Mitglied der vom Bundestag eingesetzten Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit. Seine Vorschläge wurden nur in Teilen umgesetzt, so durch Änderungen im Gerichtsverfassungsgesetz (z. B. § 125 II GVG) und im Richtergesetz (z. B. § 19a DRiG).

    Im Ruhestand leitete W. seit 1961 ein zeitgeschichtliches Forschungsprojekt am Münchner Institut für Zeitgeschichte. Die 1968 als 1. Band dieses Projekts veröffentlichte Arbeit „Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus“ erfuhr in der Rezeption überwiegend Kritik als apologetisch wegen der Auswahl NS-belasteter Autoren und der Übernahme von Gustav Radbruchs (1878–1949) „Wehrlosigkeitstheorie“ (R. Schmid, in: Krit. Justiz, 1969, H. 1, S. 102–06; F. Kübler, Die nat.sozialist. Rechtsordnung im Spiegel jur. Lit., 1969, S. 291–98; W. Odersky, in: NJW 1994, S. 370 f.). Neuere Bilanzen heben demgegenüber hervor, daß es sich um eine grundlegende Pionierarbeit mit starken und überzeugenden Analysen handele (J. Rückert, Justiz u. NS, Bilanz e. Bilanz, in: 50 J. IfZ, hg. v. H. Möller u. U. Wengst, 1999, S. 181–213; D. Herbe, H. W., 2008, S. 286).

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Dt. Phil. Ges. Leipzig (1935), d. Bamberger Jur. Ges. (1947), d. Kuratoriums d. Abendländ. Ak. (1952) u. d. Dt. Sektion d. Internat. Vereinigung f. Rechts- u. Soz.philos. (1961);
    Synodale d. Landessynode Bayern (1947–50);
    Mitgründer u. Mithg. d. JZ (1950);
    Dr. iur. h. c. (Heidelberg 1951);
    Mitgründer d. Arb.gemeinschaft Europ. Publ. e. V. (1952);
    Gründungsmitgl. d. Dt. Sektion d. Internat. Jur.komm. (1955);
    Mitgründer d. Dt. Ges. f. Ausw. Pol. (1955);
    Gr. BVK mit Stern u. Schulterband (1960);
    Bayer. Verdienstorden (1961).

  • Werke

    W Exposé über „Die gegenw. Lage d. dt. Justiz“ am 27. 6. 1947, in: J. Schütz, Justitia kehrt zurück, Der Aufbau e. rechtsstaatl. Justiz n. d. Zus.bruch 1945, 1947;
    Ansprache z. Eröffnung d. BGH in Karlsruhe am 8. 10. 1950, 1950;
    Grußwort f. d. Bundesvfg.ger., in: Dt. Richterztg. 1951, S. 189 f.;
    Vertrauenskrise u. Justizreform, ebd., S. 85 f.;
    75 J. Reichsger., in: Ansprachen aus Anlaß d. 75. Wiederkehr d. Tages d. Inkrafttretens d. Reichsjustizgesetze u. d. Errichtung d. RG, ebd. 1954, S. 251 f.;
    Die Gr. Justizreform, ebd. 1958, S. 93 f.;
    Das Naturrecht in ev. Sicht, in: Der Jur.rundbrief d. Ev. Ak., April 1952, S. 2–7;
    Die Bemühungen um d. naturrechtl. Frage, in: Staatsztg. f. Rheinland-Pfalz v. 28. 9. 1952;
    Für Ger.körper mit Allzuständigkeit, in: K. Nennstiel (Hg.), Die Dritte Gewalt, 1952, S. 11;
    Richtertum u. Rechtsfindung in Dtld., Vortr. auf d. Berliner Kundgebung d. Dt. Jur.tags 1952;
    Über d. Widerstandsrecht, Vortr. vor d. jur. Stud.ges, in Karlsruhe am 24. Febr. 1956;
    Warum u. Wie Gr. Justizreform?, in: Jur.jb. 1960, S. 3–27;
    Zwang z. Ehe?, in: JZ 1968, S. 15–17;
    Die Ostverträge sind vfg.widrig, in: Die Welt v. 18. 2. 1972.

  • Literatur

    |G. Krüger-Nieland, in: NJW 1981, S. 2235;
    W. Himmelmann, H. W., Ein starker Richter?, ebd. 1994, S. 1268;
    K.-D. Godau-Schüttke, Der Bundesger.hof, Justiz in Dtld., 2005;
    D. Herbe, H. W. (1894–1981), Der erste Präs. d. BGH, 2008 (W, L, P);
    J. Bernreuther, in: M. Meisenberg, 200 J. Appellationsger., Oberlandesger. Bamberg, 2009, S. 197–213;
    Nachlaß: Fam.bes.

  • Autor/in

    Daniel Herbe
  • Zitierweise

    Herbe, Daniel, "Weinkauff, Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 645-646 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz139957.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA