Lebensdaten
1846 – 1906
Geburtsort
Augsburg
Sterbeort
Cincinnati (USA)
Beruf/Funktion
sozialistischer Politiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118737163 | OGND | VIAF: 66564017
Namensvarianten
  • Most, Johann
  • Anonymus Veritas
  • Most, J.
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Most, Johann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118737163.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joseph (1822–82), Kanzleischreiber, Kirchhofsverwalter;
    M Viktoria Hinterhuber ( 1856), Gouvernante;
    1) 1873 ( 1880) Clara Hänsch ( 1882), 2) n. 1882 Helene N. N.

  • Biographie

    Nach der Buchbinderlehre 1858-63 ging M. bis 1868 auf Wanderschaft, auch in das benachbarte Ausland. 1867 schloß er sich in Le Locle, 1868 in Zürich und in Wien einem Arbeiterverein an. Hier entwickelte sich M. zu einem leidenschaftlichen Agitator für die Rechte der Arbeiterklasse. Auf einer Rede im Mai 1869 geißelte er heftig das sog. Bürgerministerium Giskras. Dies kostete ihn seine Stellung und brachte ihm einen Monat strengen Arrests ein. Nach dem Vorwurf der „Rädelsführerschaft“ anläßlich einer Massenkundgebung in Wien im selben Jahr verurteilte man M. 1870 wegen Hochverrats zu 5 Jahren schwerem Kerker. Während dieser Zeit dichtete M. das später oft gesungene Lied „Wer schafft das Gold zu Tage …“. Nach seiner Amnestie 1871 setzte er seine Agitationsreisen fort, so daß er im selben Jahr als lästiger Ausländer ausgewiesen wurde. Nach Deutschland zurückgekehrt, wurde M. Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) und übernahm die Redaktion der Chemnitzer „Freien Presse“, deren Redakteure im Gefängnis saßen. Gleichzeitig setzte er sich vehement für die durch den Krieg gelähmte Partei- und Gewerkschaftsbewegung ein. Seine aufrührerische Argumentation in Wort und Schrift brachte ihm innerhalb eines Jahres über 40 Strafverfahren ein, doch M.s Eifer und Eloquenz fanden innerhalb der Arbeiterschaft allenthalben Beachtung. Auf dem 4. Kongreß der „Eisenacher“ wurde M. 1872 in Mainz aufgrund seiner Anti-Sedanrede in Chemnitz wiederum verhaftet und zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt. In der Haft schrieb er eine leicht verständliche Kurzfassung des „Kapitals“ von Karl Marx unter dem Titel „Kapital und Arbeit“. Aus Chemnitz verwiesen, folgte er dem Ruf seiner Mainzer Freunde und übernahm dort die Redaktion der „Süddeutschen Volksstimme“. 1874 gewann er den Wahlkreis 16 (Chemnitz) mit 10 000 gegen 7 000 Stimmen. Kurz darauf mußte M. wegen seiner Verteidigungsrede für die Pariser Commune eine 26monatige Gefängisstrafe antreten. Nach seiner Entlassung im Juni 1876 trat er in die Redaktion der „Berliner Freien Presse“ ein. 1877 wurde er erneut in den Reichstag gewählt, doch das sog. Sozialistengesetz setzte seinem Mandat im Juli 1878 ein Ende; im Dezember wurde er aus Berlin verwiesen.

    M. emigrierte nach England und gab dort die „Freiheit“ heraus, mit der er die politische Linie der Parteileitung hintertrieb. Spätestens seit dieser Zeit verfocht er extreme anarchistische Tendenzen. Scharfe Kritik an der deutschen Sozialdemokratie bis hin zu deren Verleumdung ließen ihn bald jeglichen Kontakt zu ihr verlieren. 1880 wurde M. aus der Partei ausgeschlossen, kurz darauf erschien sein offen gegen diese gerichtetes Pamphlet „Taktik contra Freiheit“. Mit seiner anarchistischen Einstellung und der „Propaganda der Tat“ verleitete er seine wenigen Anhänger zu sinnlosem Aktionismus, der mit hohen Zuchthausstrafen geahndet wurde und für die Polizei Anlaß war, verschärft gegen die Sozialdemokratie vorzugehen. In England verurteilte man M. wegen der Verherrlichung des Attentats auf Zar Alexander II. zu 16 Monaten Zwangsarbeit, nach deren Verbüßung er 1882 nach New York emigrierte. Dort setzte er die Herausgabe der „Freiheit“ fort. Es gelang ihm 1883, verschiedene anarchistische Gruppen zur International Working People's Association zusammenzuschließen. Während der folgenden Jahre wurde M. wegen seines revolutionären und anarchistischen Eifers dauernd verfolgt und häufig inhaftiert. Tief erschütterte ihn die Hinrichtung der deutsch-amerikan. Anarcho-Syndikalisten als Folge des Haymarket-Attentats im Mai 1886. Dies leitete das Ende des Anarchismus in den USA ein. Unermüdlich, aber vergeblich hatte M. versucht, auch die nordamerikan. Arbeiter aufzurütteln, doch er scheiterte letztlich an deren indifferenter Haltung und Gleichgültigkeit; die „Revolutionierung der Massen“ blieb aus. Unerwartet starb M.|1906 auf einer seiner Agitationsreisen in Cincinnati.

  • Werke

    Weitere W Kapital u. Arbeit, 1873;
    Revolutionäre Kriegswiss., 1885. – Autobiographien: Acht Jahre hinter Schloß u. Riegel, Skizzen aus d. Leben J. M.s, 1886;
    Memoiren – Erlebtes, Erforschtes u. Erdachtes, 4 Bde., 1903-07;
    Dokumente e. sozialdemokrat. Agitators, hrsg. v. V. Szmula, 4 Bde., 1988-92. – Zahlr. Zeitungsartikel, Aufsätze, Berr. u. veröff. Reden.

  • Literatur

    R. Rocker, M., Das Leben e. Rebellen, 1924, Neudr. 1973;
    E. Drahn, J. M., Eine Bio-Bibliogr., 1925 (W, L);
    U. Riemerschmidt, Der revolutionäre Buchbindergeselle J. M., in: K. Schleucher (Hrsg.), Pioniere u. Außenseiter, 1968, S. 354-83;
    U. Linse, Organisierter Anarchismus im Dt. Kaiserreich v. 1871, 1969;
    J. M., e. Sozialist in Dtld., hrsg. v. D. Kühn, 1974;
    H. Marx, Deutsche in d. Neuen Welt, 1983, S. 354 f.;
    R. R. Doerries, Iren u. Deutsche in d. Neuen Welt, 1986;
    BJ XI, Tl.;
    DAB;
    Augsburger Stadtlex., 1985.

  • Autor/in

    Horst-Peter Schulz
  • Zitierweise

    Schulz, Horst-Peter, "Most, Johann" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 218-219 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118737163.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA