Lebensdaten
1757 – 1804
Geburtsort
Göttingen
Sterbeort
Sankt Petersburg
Beruf/Funktion
Chemiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11872925X | OGND | VIAF: 32791666
Namensvarianten
  • Lowitz, Tobias
  • Lovic, Tobias
  • Lowitz, Johann Tobias
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Zitierweise

Lowitz, Tobias, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11872925X.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Georg Moritz (1722–74), Kartenzeichner, dann Teilh. d. Homannschen Offizin, 1751-54 Prof. am Egidiengymnasium in Nürnberg, 1755-63 Prof. d. prakt. Math. an d. Univ. Göttingen, 1767 Prof. u. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. in St. Petersburg, verdient um d. Topographie d. Wolgagebiets, wurde während e. Forschungsreise am Kasp. Meer v. aufständ. Kosaken Pugatschews getötet, (s. W, L), Zimmermanns-S aus Fürth;
    M Dorothea (1723–65), T d. Otto Riepenhausen (1676–1730), Bgm. v. G. 1718–50.

  • Biographie

    L. verließ 1767 mit seinem Vater Göttingen und übersiedelte nach St. Petersburg. Er begleitete diesen auf der Expedition in das Gebiet des Kaspischen Meeres bei der sein Vater umkam. Nunmehr verwaist, besuchte er 1774-76 das Petersburger Akademiegymnasium. Danach arbeitete er als Praktikant in der Petersburger Hofapotheke. 1779 schloß L. seine Lehre ab und studierte 1780-83 in Göttingen Pharmazie und Chemie. Eine ernste Erkrankung hinderte ihn an der Fortsetzung seines Studiums; um wieder zu Kräften zu kommen, unternahm er eine ausgedehnte Fußreise und kehrte schließlich 1784 nach Petersburg zurück, wo er erneut in die Hofapotheke eintrat. 1787 wurde L. zum kaiserl. Hofapotheker ernannt. Außerdem übernahm er den seit dem Tod Michail Lomonossows (1765) nicht mehr besetzten Lehrstuhl für Chemie bei der Akademie. Obwohl L. als Hofapotheker vorwiegend pharmazeutisch tätig war, leistete er nicht|hier, sondern im Bereich der Chemie (sowohl der anorganisch-physikalischen wie der organischen) Außergewöhnliches. 1785 fand er ein Verfahren, die bei der Herstellung von Weinsäure aus Weinstein bzw. Calciumtartrat regelmäßig auftretenden braunen Zersetzungsprodukte abzusondern und die Säure rein darzustellen. Er bediente sich hierfür der Holzkohle, auf deren Erprobung er durch theoretische Überlegungen kam, die sich an der Phlogistonlehre orientierten. Wenn auch dieser Denkansatz unzutreffend war, so leitete er L. doch zur Entdeckung des Adsorptionsvermögens fein verteilter Kohle (Aktivkohle). Er begnügte sich nicht mit der Ausnützung seiner Entdeckung für die Weinsäuregewinnung, sondern prüfte systematisch die Anwendungsmöglichkeiten der Holzkohle als Reinigungsmittel. Dabei zeigte sich, daß neben Salzlösungen auch Pflanzensäfte und Öle entfärbt und überdies auch desodoriert und entkeimt werden konnten. Besondere praktische Bedeutung erhielt das Verfahren L.s für die Trinkwasseraufbereitung (insbes. bei der Marine) und die Entfuselung von Schnaps. L. wurde nicht die ihm dafür gebührende Anerkennung zuteil, vielmehr zeichnete die kaiserl. Akademie 1794 Gratschew mit einem Preis für ein Entfuselungsmittel aus, das auf Holzkohle basierte.

    In den 90er Jahren übernahm L. die Verbrennungstheorie Lavoisiers und entwickelte darauf aufbauend ein chemisches Erklärungsmodell der Absorption, im Gegensatz zu den mechanischen Interpretationen von Klaproth und Gren. Ohne praktische Anwendungsmöglichkeit, jedoch von erheblichem theoretischen Interesse waren L.s Untersuchungen zum Verhalten unterkühlter bzw. übersättigter Lösungen. Ausgangspunkt hierfür war wiederum die Darstellung einer reinen organischen Säure, diesmal der Essigsäure. Im Mai 1789 legte L. der Akademie eine Arbeit vor mit dem Titel „Anzeige dreier verschiedener Methoden, wodurch alle Säure des Essigs bis zum höchsten Grad ihrer Stärke gebracht und als Eisessig dargestellt werden kann“. Darin wird die Darstellung der bislang nicht bekannten wasserfreien Essigsäure aus entwässertem Acetat durch Erhitzen mit Kaliumbisulfat oder Schwefelsäure beschrieben. Gleichzeitig konnte er an geschmolzenem Eisessig (eine von ihm eingeführte Bezeichnung für wasserfreie Essigsäure) das Phänomen der Unterkühlung als einer der Ersten nachweisen. Darüber hinaus zeigte L., daß beim Kristallisieren einer (unterkühlten) Schmelze Wärme freigesetzt wird. Die Untersuchung wurde in der Akademie nicht verlesen, erst eine 1791 in lat. Sprache vorgelegte Fassung wurde akzeptiert und 1793 gedruckt. Ebenso wie bei der Entdeckung der Filtereigenschaften der Holzkohle knüpfte L. auch hier an die Entdeckung eines neuen Synthesewegs weitergehende systematische Studien. Er fand das Hydrat des Kochsalzes (NaCl ∙ 2 H2O), sowie die Hydrate des Ätznatrons (NaOH ∙ 2 H2O), Ätzkalis (KOH ∙ 2 H2O) und Calciumchlorids (CaCl2 ∙ 2 H2O). Die hydratisierten Alkalihydroxide ergaben beim Mischen mit Schnee hochwirksame Kältemischungen; dies war überraschend, da die wasserfreien (schon lange bekannten) Verbindungen beim Lösen in Wasser beträchtliche Wärmemengen freisetzten. Mit solchen Kältemischungen erzielte L. Temperaturen bis zu -50° C.

    L. entwickelte das Verfahren der Kristallimpfung übersättigter Lösungen und der Züchtung regelmäßiger Kristalle durch langsames Wachstum eines in eine Lösung gehängten Impfkristalls. Diese Leistungen blieben lange unbeachtet. Früher schrieb man die Impfung Nicolas le Blanc, das langsame Kristallwachstum Clement - Desormes zu. Ebenfalls auf L. geht der Gedanke zurück, kleine Substanzmengen auf dem Objektträger eines Mikroskops auskristallisieren zu lassen, sie im Mikroskop zu betrachten und anhand ihrer Kristallform zu identifizieren. Er fertigte zu diesem Zweck 288 Wachsmodelle von Kristallen an, um Zuordnungen zu ermöglichen. Mit diesen Versuchen hat L. die Grundlagen der qualitativen Mikroanalyse geschaffen. Ferner analysierte L. zahlreiche Verbindungen des Titans, Mangans und Niobs; er isolierte Strontium aus Schwerspat (unabhängig von A. Crawford), untersuchte seine Verbindungen und entwickelte ein Unterscheidungsverfahren für Strontium-, Calcium- und Bariumverbindungen, das auf deren unterschiedlicher Löslichkeit in Ethanol beruht. Ohne Vauquelins Arbeiten zu kennen, gewann L. 1798 elementares Chrom aus einem sibirischen Erz (Chromeisenstein). Bei der Untersuchung des neuen Metalls verletzte sich L. 1800 den linken Arm erheblich, was seiner weiteren Tätigkeit sehr hinderlich war.

    L. wies auch die Existenz zweier Sulfate des Kaliums nach und entdeckte, daß neben dem bereits bekannten Kaliumbicarbonat (Pottasche) auch ein gesättigtes Kaliumcarbonat existiert. – Auch auf dem Sektor der organischen Chemie verdankt man L. Fortschritte. Neben dem Eisessig entdeckte er die Glucose (Traubenzucker) im Honig (1792); ihm gelang|die erstmalige Synthese von Mono- und Trichloressigsäure (1793) und die Bereitung wasserfreien Ethanols und Diethylethers (1796). – Mit seinen Arbeiten leistete L. bedeutende Beiträge zur präparativen Chemie und zur Physikochemie von Lösungen, ebenso zur Entwicklung der anorganischen Mikroanalyse. Die Isolierung von Strontium und Chrom sind als eigenständige Elemententdeckungen anzusehen, wenn auch ohne Priorität.|

  • Auszeichnungen

    Korr. Mitgl. (1787), Adjunkt (1790), o. Mitgl. (1793) d. Ak. d. Wiss. in St. Petersburg.

  • Werke

    Weitere W u. a. Anzeige e. neuen Mittels, Wasser auf Seereisen vor d. Verderben zu bewahren u. faules Wasser wieder trinkbar zu machen, 1790;
    Bemerkungen üb. d. Reinigung d. Kornbranntweins durch Kohlen, 1794;
    Methodus nova acetum concentrandi ejusque acidum ad formam solidam crystallinam absque omni mixtione perducendi, in: Nova Acta Lopoldina Academiae Petropolis VII, 1793 u. VIII, 1794;
    Observationes circa salis communis crystallisationem ope frigoris efficiendam etc., ebd.;
    Experimenta nova crystallisationem alcalium causticorum spectantia, ebd. IX, 1795;
    Terra strontiana in spatho ponderoso etc. detecta, ebd. XI, 1797;
    Sur la crystallisation de l'esprit alcali volatile caustique de sel ammoniac, ebd. XII, 1798;
    Über d. Bereitung d. Weinsteinsäure, in: Crells Chem. Ann., 1786, Bd. 1, S. 293-300;
    Über d. Natur d. Honigs u. d. Darst. d. Zuckers daraus, ebd., 1792, Bd. 1, S. 218-24 u. S. 345-49;
    Bemerkungen üb. d. Kristallisieren d. Salze, u. Anzeige e. sicheren Mittels, regelmäßige Kristalle zu erhalten, ebd., 1795, Bd. 1, S. 3-18. -
    Zu V Georg Moritz: Description complette ou second avertissement sur les grands globes terrestres et célestes, auxquels la Société cosmographique établie à Nuremberg fait travailler actuellement, 1749;
    Beschreibung e. Quadranten, 1751;
    Slg. d. Versuche, wodurch sich d. Eigenschaften d. Luft begreiflich machen lassen, 1755;
    Die richtige Verwandlung d. scheinbaren Zeiten e. Pendeluhr in d. wahren Sonnenzeiten, 1755;
    Observationes astronomicae in urbe Saratow habitae, 1776.

  • Literatur

    Wilh. Ostwald, Lehrb. d. allg. Chemie II, 2, 1902, S. 382, 705;
    P. Walden, in: P. Diergart (Hrsg.), Btrr. aus d. Gesch. d. Chemie, 1909, S. 533-44 (L);
    ders., in: Chemiker-Ztg. 55, 1931, S. 373 f.;
    W. Ennebach, in: Urania 17, 1954, S. 438;
    W. Roloff, Die pharmazeut. Industrie 22, 1960, S. 597-600;
    N. Figurovsky, in: DSB VIII, S. 519 f.;
    Pogg. I (auch f. V);
    H.-D. Schwarz, in: Medikament u. Meinung v. 15.10.1986 (P).

  • Autor/in

    Claus Priesner
  • Zitierweise

    Priesner, Claus, "Lowitz, Tobias" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 259-261 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11872925X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA