Lebensdaten
gestorben Mitte 13. Jahrhundert
Beruf/Funktion
epischer Dichter ; Autor höfischer Versromane
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118625330 | OGND | VIAF: 106962211
Namensvarianten
  • Türheim, Ulrich von
  • Ulrich von Türheim
  • Türheim, Ulrich von
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Zitierweise

Ulrich von Türheim, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118625330.html [18.04.2024].

CC0

  • Biographie

    U. wird 1236 und 1244 in Urkunden als Zeuge genannt. Er ist identisch mit jenem Autor, der sich in jedem seiner drei Romane als „ich von Türheim Ulrich“ vorstellt und den Rudolf von Ems im „Alexander“ seinen „frunt“, den „wisen Turhaimare“ nennt. U. war wohl gut in den Hofkreis um die Stauferkönige Heinrich (VII.) und Konrad IV. integriert, wo er im Reichsschenken und kgl. Berater Konrad von Winterstetten ( 1243) den Auftraggeber für seinen „Tristan“ fand. In einer Klagerede auf verstorbene „vriunde“ im „Rennewart“ (V. 25756–25789) betrauert er Konrad IV. und Heinrich (VII.) sowie Albert ( 1245) und Heinrich II. von Neifen ( 1246), Ratgeber des schwäb. Königshofs.

    U.s in den 1230er Jahren entstandene Nachdichtung des „Cligès“ Chrétiens de Troyes, die Rudolf von Ems im ebenfalls für Konrad von Winterstetten verfaßten „Wilhelm von Orlens“ bewundert, ist mit insgesamt 502 Versen aus dem letzten Textdrittel nur in wenigen, auf drei Bibliotheken verteilten Fragmentblättern aus einer bair. Handschrift von etwa 1300/20 erhalten. Immerhin belegen diese wenigen Textreste, daß U. aus Chrétiens Intention eines Anti-„Tristan“ einen erbaulichen Minneroman geformt hat.

    Mit seinen weiteren Werken betätigte sich U. als Fortsetzer beliebter Dichtungen bedeutender Autoren. Der „Tristan“ (3730 Verse), für dessen Niederschrift als Terminus ante quem der Tod des Auftraggebers 1243 gilt, ist neben Heinrichs von Freiberg Version die zweite Fortsetzung des unvollendeten Romans Gottfrieds von Straßburg; sieben Gottfried-Handschriften des 13.–15. Jh. enthalten den Text als Abschluß, der routiniert Gottfrieds Stil imitiert und den „Tristrant“ Eilharts von Oberge straffend ausschreibt. Aus der Benutzung dieser Vorlage resultiert ein Gegensatz zur Minnekonzeption Gottfrieds: Minne ist eine verderbliche Macht, Tristan ihr Opfer, die unbedingte Liebe zu Isolde wird als Ehebruch gewertet.

    Mit 36 518 Versen ist U.s. wohl um 1250 abgeschlossene „Willehalm“-Fortsetzung, der „Rennewart“, zweieinhalb mal so lang wie Wolframs von Eschenbach Text, als dessen dritter Teil sie in den meisten Handschriften der mit Ulrichs von dem Türlin „Arabel“ eingeleiteten Trilogie über Guillaume d’Orange überliefert ist. Der Text schließt unmittelbar an Wolframs Torso mit der zweiten Alischanz-Schlacht an, die der edle Heide Rennewart siegreich für die Christen beendet. Danach getauft und mit Alise, Tochter des franz. Kg. Loys, verheiratet, wird er in die fränk. Reichsaristokratie integriert. Auf der Grundlage franz. Chansons de geste (Bataille d’Aliscans, Bataille Loquifer, Moniage Rainouart, Moniage Guillaume), die der mit dem stauf. Hofkreis verbundene Augsburger Bürger Otto der Bogner (bezeugt 1237–46) vermittelt hat, wird die episodenreiche weitere Handlung erzählt. Der Schlußteil berichtet wieder von Gyburg, die als Klausnerin, und von Willehalm, der als Mönch und Einsiedler im Ruf der Heiligkeit stirbt. Mit diesem legendenhaften Ende wird Wolframs „Willehalm“ zu einer Art religiösem Erbauungsbuch umgedeutet. Von seiner Problematisierung der christlich-heidnischen Beziehungen und des Glaubenskriegs ist bei U. nichts geblieben; er propagierte vielmehr die ideologische wie militärische Überlegenheit der christlichen Ritter.

    Im 14. Jh. nimmt Heinrichs von München Weltchronik mehrere Passagen aus U.s „Willehalm“-Fortsetzung auf; die Kenntnis des Texts in Spätmittelalter und früher Neuzeit läßt sich bei Hermann von Sachsenheim (Die Mörin), Püterich von Reichertshausen (Ehrenbrief), dem Autor des anonymen Minneromans „Friedrich von Schwaben“ sowie Cyriakus Spangenberg (Von d. Musica u. d. Meistersängern) nachweisen.

  • Werke

    W Cliges, Ausg. d. bisher bekannten Fragmente vermehrt um d. Neufund aus St. Paul im Lavanttal, hg. v. H. Gröchenig u. P. H. Pascher, 1984;
    Tristan, hg. v. T. Kerth, 1979;
    Rennewart, Aus d. Berliner u. Heidelberger Hs., hg. v. A. Hübner, 1938;
    – K. Klein, Neues Gesamtverz. d. Hss. d. „Rennewart“ U.s v. T., in: Wolfram-Stud. 15, 1998, S. 451–93.

  • Literatur

    L ADB 39;
    E. Schröder, Rudolf v. Ems u. sein Lit.kr., in: ZDA 67, 1930, S. 209–51;
    K. Grubmüller, Probleme e. Forts., Anmm. z. U.s v. T. „Tristan“-Schluß, ebd. 114, 1985, S. 338–48;
    C. Westphal-Schmidt, Stud. z. „Rennewart“ U.s v. T., 1979;
    Th. Kerth, The Denouement of the Tristan-minne, T.’s Dilemma, in: Neophilologus 65, 1981, S. 79–93;
    P. Strohschneider, Gotfrit-Fortss., in: DVjS 65, 1991, S. 70–98;
    J.-D. Müller, Tristans Rückkehr, Zu d. Fortss.| Gottfrieds v. Straßburg, in: FS W. Haug u. B. Wachinger, hg. v. J. Janota u. a., Bd. 2, 1992, S. 529–48;
    Lb. Bayer. Schwaben IX, 1966, S. 38–96;
    LexMA;
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L); Vf.-Lex. MA²X u. XI, Sp. 1583 (W, L).

  • Porträts

    P Buchillumination, 1387 (Österr. Nat.bibl. Wien, Cod. S. N. 2643, fol. 161r). Norbert H. Ott

  • Zitierweise

    Ott, Norbert H., "Ulrich von Türheim" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 608-609 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118625330.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Türheim: Ulrich v. T., epischer Dichter des 13. Jahrhunderts, Sproße eines alten schwäbischen Adelsgeschlechtes, das im 17. Jahrhundert nach Oesterreich auswanderte und da in den Reichsgrafenstand erhoben wurde. T., in Augsburger Urkunden 1236, 1244 und 1246 erscheinend und in den literarischen Stellen in Rudolfs von Ems Wilhelm und Alexander erwähnt und gepriesen, im übrigen historisch unbekannt, ist vornehmlich als der erste Fortsetzer des von Gottfried v. Straßburg unvollendet zurückgelassenen „Tristan“ bemerkenswerth (s. A. D. B. XXXVI, 503, 505). Diesen „Tristan“ dichtete T. um 1240 auf Wunsch Konrad's des Schenken von Winterstetten, des bekannten Dichterfreundes, der auch Rudolf v. Ems zu seinem Wilhelm veranlaßte (s. A. D. B. VI, 95). T. bediente sich für seine Forschung nicht der von Meister Gottfried gewählten Version und Fassung, sondern der andern Sagentradition, der populäreren, der einst Eilhart v. Oberge gefolgt war, dessen Dichtwerk T. auch gekannt und stellenweise benutzt haben wird. Türheim's Darstellung ist einfach und schlicht, selbst|trocken im Vergleich zu des Vorgängers blühender und glänzender Sprache; doch bemüht er sich offenbar, hie und da durch Nachahmung des spielenden Stils Gottfried's seine Rede aufzuputzen. Vier Handschriften von Türheim's „Tristan" sind auf uns gekommen. Hieraus darf geschlossen werden, daß dieser Versuch einer abschließenden Ergänzung zwar nicht unbeachtet geblieben ist, sich aber doch keines allgemeinen Beifalls zu erfreuen hatte. Bei weitem mehr Anklang fand eine andere Fortsetzung Türheim's zu einem unvollendeten Gedichte eines großen Meisters: zu Wolfram's v. Eschenbach „Willehalm“, die nach dem Haupthelden der Erzählung gemeinhin „der starke Rennewart“ genannt wird. Türheim's Quelle ist ein welsches Buch, das ihm ein anderer Gönner, Otto der Bozener zu Augsburg mitgebracht hatte. Die Abfassungszeit wird um das Jahr 1250 zu setzen sein. Wer der König Heinrich ist, dessen Tod T. in seinem „Willehalm“ beklagt, läßt sich nicht bestimmt sagen. Wahrscheinlich ist darunter der zum deutschen Könige gewählte und 1247 gestorbene Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen verstanden. Im Einklänge mit der überaus reichen handschriftlichen Ueberlieferung von Wolfram's Werken steht auch die ungemein hohe Zahl von Handschriften des „Willehalm“ Türheim's, die sich mit Einrechnung mehrerer für sich bestehender Bruchstücke über 30 beläuft. Ueber den Werth des sehr umfangreichen Gedichtes wird erst dann ein bestimmtes Urtheil möglich sein, wenn es vollständig oder wenigstens in größeren Abschnitten und kritisch herausgegeben ist. — Nach dem Zeugnisse Rudolf's von Ems im „Wilhelm“ muß T. auch eine Erzählung von „Clies“ gedichtet haben, die aber nicht erhalten ist. Die frühere Annahme, dieser „Clies“ Türheim's sei auch eine Fortsetzung und zwar zu dem ebenfalls verlorenen „Clies“ Konrad Fleck's (s. A. D. B. VII, 111), hat Goedeke einer Andeutung Franz Pfeiffer's folgend, in Zweifel gezogen, weil sie auf einer fehlerhaften und deshalb falsch gedeuteten Stelle in Rudolf's von Ems „Alexander“ beruhe. Rudolf scheine hier nicht Konrad Fleck, sondern U. v. T. im Sinne zu haben. Ist jenes Bedenken und diese neue Annahme gesichert, dann würde ein „Clies“ Türheim's doppelt bezeugt sein.

    • Literatur

      W. Wackernagel's Geschichte der deutschen Litteratur, 2. Aufl. von Ernst Martin, 1. Bd. (1879), 227 f., 238, 247, 249. — Koberstein's Geschichte d. d. Nationallitteratur. 6. Aufl. von Karl Bartsch, 1. Bd. (1884), 177, 182, 189; —
      Goedeke's Grundriß I. Bd.² (1884), 115—118. —
      Türheim's Tristan mit Gotfried's von Straßburg Tristan in den Ausgaben von C. v. Groote. Berlin 1821 und H. F. Maßmann. Leipzig 1843. S. ferner A. D. B. XXXVI, 506. —
      Zur ästhetischen Würdigung des Tristangedichtes von Türheim vgl. Tristan und Isolde in deutschen Dichtungen der Neuzeit von Reinhold Bechstein. Leipzig 1875, S. 82—85. —
      Ueber Türheim's Verhältniß zu Eilhart s. Eilhart v. Oberge, herausgegeben von Franz Lichtenstein. Straßburg 1877, Einl. S. CXCIX fg. — Proben aus dem noch unveröffentlichten Willehalm (Rennewart) in Eduard Lohmeyer's Schrift: die Handschriften des Willehalm Ulrich v. Türheim. Halle 1882, S. 24—58.

  • Autor/in

    R. Bechstein.
  • Zitierweise

    Bechstein, Reinhold, "Ulrich von Türheim" in: Allgemeine Deutsche Biographie 39 (1895), S. 9-10 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118625330.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA